Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Dreßen kommt nach Hause
Skirennläufer gelingt ein bemerkenswertes Comeback im Weltcup – WM-Norm geknackt
LAKE LOUISE (SID/dpa) - Als Thomas Dreßen nach zweieinhalb Jahren endlich, endlich wieder das Ziel einer Abfahrt im alpinen Weltcup erreicht hatte, da ließ er einen Schrei los, wie er lauter kaum hätte sein können. Erleichterung, Freude – in diesem Moment brachen alle Gefühle, die sich in der langen Zeit des Leidens angestaut hatten, aus ihm heraus. „Mei, was soll ich sagen?“, sagte er aufgekratzt, „mega, ich bin mega happy. Richtig cool, dass ich wieder da bin.“
Das Resultat beim Rennen im kanadischen Lake Louise: Rang acht. „Dieses Comeback nach zweieinhalb Jahren Abwesenheit ist ihm zu hundert Prozent geglückt“, sagte Alpinchef Wolfgang Maier. 994 Tage lagen zwischen Dreßens 65. Start im Weltcup am 7. März 2020 und seinem 66. am Samstag – damals war er in Bestform und wurde ebenfalls Achter. Nun hat er, wie Maier sagte, „einen sehr guten ersten Schritt gemacht, um wieder das
Podium zu erreichen“– sprich: um den Sieg mitzufahren.
Jetzt fehlte dem Deutschen in den steilen Abschnitten vielleicht hier und da der Mut, noch gnadenloser zu attackieren. Doch Hauruckaktionen seien ohnehin nicht geplant gewesen. Dafür zeigte der Speed-Spezialist in den Gleitpassagen prompt seine ganze Klasse, die ihn bisher zu fünf WeltcupSiegen führte. „Ich bin voll zufrieden. Richtig cool, dass ich wieder da bin“, schwärmte Dreßen. Zur Bestzeit von Aleksander Aamodt Kilde (Norwegen) fehlten 1,02 Sekunden. Aber, sagte Maier, man sehe bei Dreßen, „dass er noch Reserven hat, dass er sein Limit noch ausloten muss“. Und: „Er muss diese Wettkampfhärte wieder bekommen, die ihm in den zweieinhalb Jahren Pause sicher abhanden gekommen ist.“
Tatsächlich hat Dreßen in diesen 994 Tagen genau ein Rennen bestritten, die WM-Abfahrt im Februar 2021: Er belegte nach einer Hüftoperation aus dem Stand heraus Rang 17, das war bemerkenswert. Danach folgten eine höchst komplizierte Knieoperation und der zermürbende Kampf um die Fortsetzung der Karriere. Dreßen räumte ein, dass er „depressive Phasen“habe durchstehen müssen. Umso verständlicher, dass die Gefühle nun nur so aus ihm herausbrachen.
„Oh, es ist so gut, zurück zu sein. Ein großartiger Tag mit vielen Emotionen“, schrieb er in den sozialen Netzwerken. Im Ziel hatte er bereits berichtet, dass er oben am Start der „Olympic Downhill“zum ersten Mal Nervosität verspürt habe. „Es hat sich angefühlt“, schilderte er, „wie nach Hause kommen.“Und da sei ihm auch klar geworden: Jetzt gilt's, „jetzt muss ich abliefern“. Und ja, ergänzte er mit einem Lächeln, „ich glaub', das habe ich auch ganz gut gemacht“. Dreßen ist in Lake Louise schon einmal ein Comeback gelungen, 2019 fuhr er ein Jahr nach einem Kreuzbandriss zum Sieg.
Details am Rande: Mit Rang acht hat Dreßen die Norm des Verbandes für die Teilnahme an der WM im Februar
2023 in Courchevel/Meribel erfüllt, und auch die Mannschaftskollegen sind auf einem guten Weg: Romed Baumann, Dominik Schwaiger und Simon Jocher belegten die Plätze zehn, zwölf und 17. „Auch die anderen haben sich ganz ordentlich bewegt“, sagte Maier.