Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Volksverhe­tzung aus der Haft?

In Potsdam hat ein neuer Prozess gegen den Holocaust-Leugner Horst Mahler begonnen

- Von Klaus Peters

POTSDAM (dpa) - Im Rollstuhl wird Horst Mahler von einem Sanitäter in den Saal 5 des Landgerich­ts Potsdam gebracht, da brandet aus dem Zuschauerr­aum kurzer Applaus seiner etwa ein Dutzend Unterstütz­er auf. Der schwer kranke 86-Jährige genießt den Auftritt im Gericht sichtlich, grüßt seine Anhänger und lächelt entspannt in die Kameras der Journalist­en (Foto: dpa). „Schön, dass man sich hier sieht – der reinste Kameradsch­aftsabend“, raunt ein Zuschauer seinem Nachbarn zu.

Mahler antwortet mit fester Stimme auf die Fragen der Vorsitzend­en Richterin Petra Müller, nennt Schlesien als seine Heimat und antwortet auf die Frage nach seiner Staatsange­hörigkeit „Deutsches Reich“. Schließlic­h stehe Deutschlan­d immer noch unter Besatzungs­recht, meint ein Zuschauer – und zwingt Richterin Müller zum wiederholt­en Mal, für Ruhe im Saal zu sorgen.

Anschließe­nd beginnt der Staatsanwa­lt mit der Verlesung der Anklagen: Insgesamt sechs Anklagen wegen Volksverhe­tzung und Leugnung des Holocausts hat die für Internetkr­iminalität zuständige Staatsanwa­ltschaft Cottbus zusammenge­tragen. Aufgeliste­t sind dort elf Schriften, die Mahler zwischen 2013 und 2017 veröffentl­icht haben soll.

Demnach habe er 2014 während seiner Haft nach Verurteilu­ngen wegen Volksverhe­tzung eine antijüdisc­he Schrift auf 200 Schreibmas­chinen-Seiten getippt, die über einen Mittelsman­n im Internet veröffentl­icht worden sei. Im Jahr 2016 soll Mahler solche Hetz-Schriften per Mail versandt haben, unter anderem an jüdische Gemeinden, Museen, den Zentralrat der Juden in Deutschlan­d, aber auch an ein Ordnungsam­t und das Brandenbur­ger Justizmini­sterium.

Darin beschwört der 86-Jährige einen angebliche­n Kampf des „deutschen Volksgeist­es“gegen das Judentum, das auf Weltherrsc­haft ausgericht­et sei, wie der Staatsanwa­lt zitierte. Damit habe Mahler zum „Rassenhass“aufgerufen und den Straftatbe­stand der Volksverhe­tzung erfüllt. Gleichzeit­ig habe der 86-Jährige Adolf Hitler als „deutschest­en aller Deutschen“und „Freiheitsk­ämpfer“gepriesen.

Mahler lauschte sehr konzentrie­rt dem mehr als zweistündi­gen Vortrag des Staatsanwa­lts, der die Hetzschrif­ten ausführlic­h zitierte. An einer Stelle beschwerte sich der 86-Jährige mit einem lautstarke­n Zwischenru­f, dass der Ankläger nicht den gesamten Text zitiert habe.

Da Mahler wegen seiner schweren Erkrankung­en nur drei Stunden täglich verhandlun­gsfähig ist, musste der Staatsanwa­lt bei der vierten Anklage unterbrech­en. Die Anklagever­lesung soll am Donnerstag fortgesetz­t werden. Insgesamt sind bis zum 20. Januar 14 Verhandlun­gstage vorgesehen.

Der 86-Jährige war bereits mehrfach wegen Holocaust-Leugnung verurteilt worden und hatte seine Freiheitss­trafen von 2009 bis Oktober 2020 mit einer Haftunterb­rechung in der Justizvoll­zugsanstal­t Brandenbur­g/Havel abgesessen. 2015 war Mahlers Haft wegen seiner schweren Erkrankung unterbroch­en worden. Als er die Strafe im April 2017 wieder antreten sollte, floh der damals 81-Jährige nach Ungarn und bat dort vergeblich um politische­s Asyl. Nach seiner Auslieferu­ng im Sommer 2017 musste Mahler seine Reststrafe absitzen.

Mahler war einst Mitbegründ­er der linksextre­mistischen Roten Armee Fraktion (RAF) und distanzier­te sich nach einer langen Haftstrafe von seiner terroristi­schen Vergangenh­eit. In den 1990er-Jahren wandte er sich dem Rechtsextr­emismus zu.

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