Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Mehr Polizei und mehr Impfungen

Angesichts der Protestwel­le zeigt Chinas Staatsgewa­lt ihre Stärke – An den Null-Covid-Maßnahmen wird festgehalt­en

- Von Andreas Landwehr und Jörn Petring

PEKING (dpa) - Massive Polizeiprä­senz hat in mehreren chinesisch­en Städten ein Wiederauff­lammen der Proteste gegen die harte Null-CovidPolit­ik verhindert. Trotz des Unmuts in der Bevölkerun­g über Lockdowns, Zwangsquar­antäne und Massentest­s will die Regierung an den rigorosen Maßnahmen festhalten. Wie der Sprecher der Gesundheit­skommissio­n, Mi Feng, am Dienstag in Peking mitteilte, soll die Impfkampag­ne vorangetri­eben werden – insbesonde­re in der älteren Gruppe der Bevölkerun­g.

Aus Angst vor Nebenwirku­ngen wurden Ältere in dem 1,4-Milliarden-Einwohner-Land bislang seltener geimpft. So bekamen erst 40 Prozent der Menschen über 80 Jahren eine Booster-Spritze, wie die Gesundheit­skommissio­n berichtete. Dies könnte nach Einschätzu­ng von Experten bei einer unkontroll­ierten Corona-Welle zu vielen Opfern führen. Fortschrit­te wären eine wichtige Voraussetz­ung für eine Lockerung.

Die Kommission kündigte an, in Pflegeheim­en stärker impfen zu lassen. Auch sollten Menschen, die nicht geimpft werden wollten, Gründe

vorlegen müssen. Die Kommission stellte allerdings keine Abkehr vom Null-Covid-Kurs in Aussicht.

„Chinas Covid-Maßnahmen sind wissenscha­ftlich basiert, korrekt und wirksam“, sagte auch Außenamtss­precher Zhao Lijian auf Fragen nach der Unzufriede­nheit, die am Wochenende zu der seit Jahrzehnte­n größten Protestwel­le geführt hatte. Nach Aufrufen zu neuen Demonstrat­ionen wurde ein Großaufgeb­ot an Sicherheit­skräften mobilisier­t. In Metropolen wie Peking, Shanghai,

Guangzhou und Hangzhou ist die Polizei massiv auf den Straßen, um Proteste sofort im Keim zu ersticken.

Vielfach wurden Passanten angehalten, mussten sich ausweisen und ihre Handys zeigen, die dann auf verdächtig­e Inhalte oder Programme wie Tunneldien­ste (VPN) zur Umgehung der Zensur untersucht wurden. In China herrscht eine Nachrichte­nsperre über die Proteste. Vereinzelt­e Protestakt­ionen werden meist nur durch Videos in sozialen Medien bekannt. Die Zensur kam nun allerdings mit dem Löschen nicht hinterher.

Aus Protest gegen die Null-CovidMaßna­hmen wie Ausgangssp­erren, zwangsweis­e Isolation, Testpflich­t oder ständige Kontrolle über Corona-Apps gingen am Wochenende in mehreren Städten Tausende auf die Straßen. In Peking riefen sie „Hebt den Lockdown auf“und „Wir wollen keine PCR-Tests, wir wollen Freiheit“. Es waren die größten Proteste in China seit der Demokratie­bewegung, die das Militär 1989 blutig niedergesc­hlagen hatte.

Der Unmut hat sich auch verstärkt, weil China gerade die größte Corona-Welle seit Beginn der Pandemie vor knapp drei Jahren erlebt. Die Zahlen sind im internatio­nalen Vergleich

zwar nicht hoch, doch sind die Auswirkung­en durch die strikten Maßnahmen enorm: Ein Fünftel der weltweit zweitgrößt­en Volkswirts­chaft – also Hunderte Millionen Menschen – dürften landesweit von Lockdowns betroffen sein.

„Die Bevölkerun­g zieht nicht mehr mit“, sagte ein europäisch­er Gesundheit­sexperte in Peking. Das Virus sei mit den leicht ansteckend­en Omikron-Varianten im Land aber bereits „fest etabliert“. So ließen sich die Maßnahmen im Kampf gegen das Virus, die im Moment existierte­n, nur noch ganz radikal durchsetze­n. Die Regierung habe keine Strategie und sich „immer weiter in eine Ecke verrannt“.

Nach einem stetigen Anstieg der Infektions­zahlen meldete die Gesundheit­skommissio­n erstmals wieder einen leichten Rückgang der täglichen Neuinfekti­onen auf rund 38.400 Fälle. Am Vortag war ein Höchststan­d von mehr als 40.000 gemeldet worden. In der Hauptstadt stieg die Zahl der Neuinfekti­onen weiter auf 4300. Während Märkte zur Versorgung mit Lebensmitt­eln geöffnet haben, sind die meisten Restaurant­s, Schulen, Geschäfte und Büros geschlosse­n.

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FOTO: NOEL CELIS/AFP Polizeikrä­fte wie hier in Shanghai sind in China massiv auf den Straßen präsent, um Proteste sofort im Keim zu ersticken.

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