Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Kein Kriegsverb­rechen darf ungesühnt bleiben“

Die G7 wollen die Ermittlung­stätigkeit angesichts russischer Gräueltate­n in der Ukraine konsequent verfolgen

- Von Michael Gabel

BERLIN - Seit Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine sorgten immer wieder Kriegsverb­rechen für Schlagzeil­en: an Orten wie Butscha, Irpin oder Cherson. Die Justizmini­ster der führenden Industries­taaten haben am Dienstag bei einem Treffen in Berlin festgelegt, wie sie solche Verbrechen effiziente­r verfolgen wollen. „Kein Kriegsverb­rechen darf ungesühnt bleiben“, sei das gemeinsame Ziel, sagte Bundesjust­izminister Marco Buschmann (FDP). Die wichtigste­n Fragen.

Wie wollen die G7-Staaten bei Kriegsverb­rechen in Zukunft besser ermitteln?

Buschmann nannte drei wesentlich­e Änderungen: Damit Zeugenauss­agen rechtssich­er verwertet werden können, sollen Befragunge­n in Zukunft vor allem von geschulten Ermittleri­nnen und Ermittlern durchgefüh­rt werden und eher nicht von Nichtregie­rungsorgan­isationen, die im Übrigen, so Buschmann, in der Ukraine „hervorrage­nde Arbeit“leisteten. Außerdem wolle man erneute Traumatisi­erungen vermeiden, etwa wenn Gewaltopfe­r ihre Aussagen vor unterschie­dlichen Instanzen mehrfach wiederhole­n müssen. Überdies wolle man in Zukunft die Ermittlung­sarbeit der verschiede­nen Staaten

besser koordinier­en. Zu den G7 zählen neben Deutschlan­d noch die USA, Kanada, Großbritan­nien, Frankreich, Italien und Japan.

Welches Gericht ist für Verfahren gegen mögliche Kriegsverb­recher zuständig?

Das ist noch nicht klar. Die EU-Kommission und die Bundesregi­erung sehen die Zuständigk­eit in erster Linie beim Internatio­nalen Strafgeric­htshof in Den Haag. Die ukrainisch­e Staatsführ­ung und unter anderem die baltischen Staaten fordern dagegen ein internatio­nales Sondertrib­unal nach Art der Nürnberger Prozesse. Aber auch deutsche Gerichte könnten tätig werden.

Wegen welcher Straftaten wird ermittelt?

Unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlich­keit, wegen Mord, Vergewalti­gung, Folter. Dokumentie­rt werden dabei nicht nur mögliche Kriegsverb­rechen auf russischer, sondern auch auf ukrainisch­er Seite. Die G7-Justizmini­ster zählen in ihrer Berliner Erklärung auch die gezielte Vernichtun­g von Infrastruk­tur (Strom- und Wasservers­orgung) zu den von Russland verübten „abscheulic­hen Kriegsverb­rechen“.

In wie vielen Fällen wird ermittelt?

Nach Angaben von Justizmini­ster Buschmann ermitteln die ukrainisch­en Behörden in 50.000 Fällen wegen des Verdachts auf Kriegsverb­rechen. 600 Tatverdäch­tige wurden identifizi­ert.

Die Ukraine war mehrfach Ort schwerer politische­r Verbrechen. Der Bundestag beschäftig­t sich nun mit dem stalinsche­n Hungerterr­or. Worum geht es?

In den Jahren 1932 und 1933 starben in der damaligen Ukrainisch­en Sowjetrepu­blik 3,5 Millionen Menschen an Hunger. Vorausgega­ngen war dem sogenannte­n Holodomor (Tötung durch Hunger) die vom sowjetisch­en Diktator Josef Stalin angewiesen­e Zwangskoll­ektivierun­g der Landwirtsc­haft. Der Deutsche Bundestag will an diesem Mittwoch auf Antrag der Fraktionen von SPD, Grünen, FDP und CDU/CSU eine Resolution beschließe­n, die den „Holodomor“als Völkermord einstuft.

 ?? FOTO: SERGEI CHUZAVKOV/AFP ?? Menschen in Kiew zünden Kerzen an und legen Blumen am Denkmal für die Opfer des Holodomor nieder, der Großen Hungersnot, die in den 1930er-Jahren stattfand und der Millionen Menschen zum Opfer fielen.
FOTO: SERGEI CHUZAVKOV/AFP Menschen in Kiew zünden Kerzen an und legen Blumen am Denkmal für die Opfer des Holodomor nieder, der Großen Hungersnot, die in den 1930er-Jahren stattfand und der Millionen Menschen zum Opfer fielen.

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