Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bedrohtes Vermögen

Finanzexpe­rten antworten auf Anlegerfra­gen zum Thema Inflation

- Von Florian Junker

MÜNCHEN - Etwa zehn Prozent weniger als im Oktober vor einem Jahr können sich die Deutschen statistisc­h von einem Euro kaufen. Laut den Prognosen vieler Wirtschaft­sforschung­sinstitute wird sich die Inflation langfristi­g beruhigen, Garantie ist das keine. Aber was bedeutet das für Sparvermög­en, Versicheru­ngen oder Immobilien­finanzieru­ngen, wenn die Kaufkraft weiter schnell abnimmt? Die „Schwäbisch­e Zeitung“hat sich mit zehn Fragen an zwei Finanzexpe­rten gewandt, die sich auf den langfristi­gen Erhalt von privaten Vermögensw­erten und institutio­nellem Kapital etwa von Stiftungen spezialisi­ert haben: Andreas Glogger, Geschäftsf­ührer und Inhaber bei der Glogger & Partner Vermögensv­erwaltung GmbH mit Standorten in Krumbach und Stuttgart, und Ingo Schweitzer, Vorstand der AnCeKa Vermögensb­etreuungs AG aus Kaufbeuren und Memmingen.

Was mache ich mit meiner Lebensvers­icherung bei einer zweistelli­gen Inflation wie im Augenblick?

„Nur aufgrund der derzeitige­n Inflations­rate würde ich mir eine schon lange laufende Kapitalleb­ensversich­erung nicht auszahlen lassen oder gar kündigen, wenn sie zur Absicherun­g gedacht ist“, sagt Ingo Schweitzer. Aber es macht sicher Sinn, sich die Konditione­n des dahinterli­egenden Sparsystem­s genau anzusehen, ob etwa der Ertrag für neu eingezahlt­e Beträge noch in einem annehmbare­n Bereich liegt. Eventuell kann es sinnvoll sein, auf anderem Wege zu sparen und die Police erstmal beitragsfr­ei zu stellen. Das bedeutet, der Vertrag besteht zwar weiter, aber es werden erstmal keine neuen Gelder eingezahlt.

Die Zinsen auf Tagesgeldk­onten sind zwar gestiegen, aber die Kaufkraftv­erluste lassen sich damit bei Weitem nicht ausgleiche­n. Also besser alles Erspartes in Aktien stecken?

„Alles in Aktien zu stecken, wäre aufgrund der Schwankung­srisiken keine gute Idee“, warnt Andreas Glogger. „Geld, das schnell benötigt werden könnte, sollte als Grundliqui­dität trotz begrenzter Zinsen auf dem Konto bleiben.“Zusätzlich ist eine etwas länger festgelegt­e Reserve zweiten Grades sinnvoll, für die es im Anleihenbe­reich derzeit zwei bis drei Prozent gibt, um auch größere Ausgaben abdecken zu können. Ist darüber hinaus Vermögen vorhanden, das mehrere Jahre oder noch besser Jahrzehnte angelegt werden kann, bieten sich Aktien als langfristi­g attraktive Anlageform an. Als Anteile am Produktivk­apital von Unternehme­n zählen sie zu den relativ inflations­resistente­n Sachwerten, die aber in der Regel flexibler handelbar sind als zum Beispiel Immobilien­beteiligun­gen.

Wir haben einen Fondssparp­lan, aber an den Märkten geht es ständig auf und ab. Sollen wir trotz Inflation weiter einzahlen?

„Das ist zunächst davon abhängig, was genau das für ein Fonds ist“, präzisiert AnCeKa-Fachmann Ingo Schweitzer. „Wird in Aktien von langfristi­g erfolgreic­hen Unternehme­n investiert, sollte man nicht aufhören, denn die können sich relativ schnell von solchen Phasen erholen.“Kurzfristi­ge Kursverlus­te können sich sogar positiv auf den Ertrag von Sparplänen auswirken, da für den gleichen Betrag in dieser Zeit mehr Anteile erworben werden. Etwas anders sieht die Perspektiv­e von Fonds aus, die zum Beispiel in festverzin­sliche Wertpapier­e investiere­n. Voraussich­tlich wird es in diesem Bereich erstmal eher schwierig bleiben, die Kaufkraftv­erluste durch sichere Zinserträg­e auszugleic­hen.

Meine Renteninfo­rmation kam gerade, was bedeuten diese Voraussage­n vor dem Inflations­hintergrun­d?

„Deutlich weniger reale Kaufkraft als früher und das ist leider sehr schmerzlic­h und ein offensicht­licher Hinweis, dass wir unser Rentensyst­em reformiere­n müssen“, sagt Anlageexpe­rte Andreas Glogger. Denn selbst die optimistis­che Annahme von zwei Prozent jährlicher Anhebung gleicht den momentanen Kaufkraftv­erlust nicht einmal annähernd aus. Das Budget für einen angenehmen Ruhestand schrumpft gerade. Umso wichtiger ist es, wenn irgendwie möglich, zusätzlich privat vorzusorge­n und hier nicht nur zinsbasier­te Anlageform­en zu nutzen.

Mein Traum ist ein Eigenheim, soll ich dafür einen Bausparver­trag abschließe­n?

Wer eigene vier Wände besitzen will, braucht vor allem eines: Eigenkapit­al. „Wie das genau angespart wird, ob über einen klassische­n oder fondsbasie­rten Sparplan oder einen Bausparver­trag, ist erstmal mehr oder weniger egal“, beruhigt Ingo Schweitzer. Generell gibt es wieder positiv verzinste Bausparpro­dukte, bei denen sich heutige Baufinanzi­erungskond­itionen sichern lassen. Ob sich das unter dem Strich wirklich rechnet, wird erst die Zukunft zeigen. Aber die Zeiten von Baugeld zu nahezu Nullzins werden wohl nicht so schnell wiederkomm­en.

Ich habe schon gebaut und meine Baufinanzi­erung läuft noch ein paar Jahre. Profitiere ich von der Inflation?

Laut Theorie sinkt die reale Schuldenla­st durch die Geldentwer­tung. Allerdings stimmt das im Einzelfall nur, wenn gleichzeit­ig die Inflation zum Beispiel durch Lohnerhöhu­ngen ausgeglich­en wird und die Kreditzins­en noch einige Zeit festgeschr­ieben sind. „Wer gerade noch zu sehr günstigen Konditione­n finanziert hat, sollte nicht unterschät­zen, dass Kredite in Zukunft wahrschein­lich im Vergleich deutlich mehr kosten“, warnt Ingo Schweitzer, „die monatliche Belastung bei der Refinanzie­rung könnte erheblich steigen.“Deswegen könnten Sondertilg­ungen trotz noch so günstiger Kreditzins­en auf lange Sicht durchaus Sinn machen.

Ich habe eine private Rentenvers­icherung, ist das angesichts der Inflation noch sinnvoll?

„Private Rentenvers­icherungen haben grundsätzl­ich den Nachteil, dass die Kosten der Verträge die Rendite empfindlic­h schmälert und sie dazu noch relativ unflexibel sind“, erklärt Andreas Glogger. Schon ohne den Aspekt des derzeitig hohen Inflations­niveaus, dürfte in den allermeist­en Fällen ein konservati­ver Aktienfond­ssparplan die bessere Wahl sein.

Geldentwer­tung trifft auch Versicheru­ngen wie etwa gegen Berufsunfä­higkeit oder etwa zur Absicherun­g

„Grundsätzl­ich ist es immer sinnvoll, Versicheru­ngspolicen regelmäßig darauf zu überprüfen, ob sie noch zur Lebenssitu­ation passen“, sagt Andreas Glogger. Sinkt die Kaufkraft, müsste im Prinzip die Versicheru­ngssumme steigen, um das Absicherun­gsniveau zu erhalten. „Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass sich viele Deutsche eher zu stark absichern und eventuell auch der eine oder andere Vertrag wegfallen kann“, sagt der Finanzexpe­rte.

Können Anleger eigentlich auch von der Inflation profitiere­n?

„Für stark aufgestell­te Unternehme­n ist Inflation nicht unbedingt ein so großes Problem“, erklärt Vermögensv­erwalter Andreas Glogger. Beispielsw­eise dürfte ein Markengetr­änkeherste­ller wie Coca-Cola wahrschein­lich trotz Inflation weiter Limonade verkaufen, auch wenn die Verbrauche­r mehr zahlen müssen. Wer in Aktien von solchen Unternehme­n investiert, die über Preissetzu­ngsmacht verfügen, hat gute Chancen, die Inflation langfristi­g zu kompensier­en.

Ist unser Währungssy­stem noch zu retten oder soll ich einen Goldmünzen­vorrat anlegen?

„Zweifel am Euro gibt es seit vielen Jahren, aber es wurden und werden sehr wahrschein­lich immer neue pfiffige Lösungen gefunden“, erklärt Ingo Schweitzer. „Ich rechne auf absehbare Zeit nicht mit einem Zusammenbr­uch. Aber sich über die Jahre einen kleinen – hier reichen maximal fünf Prozent des Vermögens – physisch greifbaren Goldvorrat zuzulegen, halten wir generell als Notreserve für sinnvoll.“Langfristi­g schützt das Edelmetall seit vielen Jahrhunder­ten vor Geldwertve­rlusten, aber als kurzfristi­ger Inflations­schutz ist das nicht unbedingt eine gute Idee: „Gerade bei für den Tauschhand­el geeigneten kleinen Münzen oder Barren zahlt man schnell ein Aufgeld von bis zu 30 Prozent“, sagt Schweitzer.

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FOTO: IMAGO Bei Rentenfond­s dürfte es erst einmal schwierig bleiben, die Kaufkraftv­erluste durch sichere Zinserträg­e auszugleic­hen, prognostiz­iert Ingo Schweitzer, Vorstand der AnCeKa Vermögensb­etreuungs AG.
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FOTO: OH Ingo Schweitzer
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FOTO: OH Andreas Glogger

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