Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Katar sagt Flüssiggas-Lieferungen zu
Erste Tankschiffe erst 2026 erwartet – Kurzfristig wird der Deal die Lage im Land nicht entspannen
DOHA (dpa/AFP) - Katar will von 2026 an in größerem Umfang Flüssigerdgas nach Deutschland liefern. Die geplante Menge könnte etwa drei Prozent des deutschen Jahresbedarfs decken. Der Energieriese Qatar Energy unterzeichnete dazu am Dienstag Abkommen mit dem USUnternehmen Conoco Phillips, das das Gas nach Brunsbüttel liefern soll, wo derzeit ein Flüssiggasterminal gebaut wird. Damit kommt Deutschland einen weiteren Schritt voran, weggefallene Gaslieferungen aus Russland zu ersetzen.
Die Lieferungen sollen bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerdgas (LNG) im Jahr umfassen und über mindestens 15 Jahre gehen. Das Gas solle in Deutschland bei verschiedenen Käufern vermarktet werden, sagte der Chef von Conoco Phillips, Ryan Lance.
Dem Branchenverband Zukunft Gas zufolge entspricht die vereinbarte jährliche Menge rund 30 Terawattstunden und damit etwa drei Prozent des derzeitigen Verbrauchs in Deutschland. „Wir müssen aber knapp 500 Terawattstunden ersetzen, die bislang über russische Gaslieferungen gedeckt wurden“, sagte Vorstand Timm Kehler. Es gebe noch viel Arbeit, um die Versorgung langfristig zu sichern. Trotzdem sieht der Verband ein „positives Signal für die landbasierten LNG-Terminals“.
„Jedes zusätzliche Angebot erhöht die Versorgungssicherheit“, hob die Energiewirtschaft hervor. Langfristige Lieferverträge stabilisierten das Gesamtsystem. „Insofern profitieren sowohl private als auch industrielle Gasverbraucher von neuen Langfristverträgen“, sagte die Chefin des Branchenverbandes BDEW, Kerstin Andreae.
Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begrüßte das Abkommen. „15 Jahre ist super“, sagte er. Es hätte auch längere Verträge geben können. Für Deutschland tragen die Reisen von Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Katar in diesem Jahr Früchte. Im Mai hatten beide Länder eine Energiepartnerschaft geschlossen.
Dem Sender Bild-TV stellte AlKaabi perspektivisch Gaslieferungen in unbegrenzter Höhe in Aussicht. Katar werde „so viel liefern, wie wir Aufträge bekommen“. Auf die Frage, ob es eine Höchstmenge gebe, antwortete der Energieminister: „Nicht wirklich.“Katar arbeite bereits mit anderen Unternehmen wie RWE und Uniper daran, „größere Mengen nach Deutschland zu bringen“.
Zuletzt waren die Beziehungen zwischen beiden Ländern allerdings angespannt. Vor allem Habeck wird im Emirat wegen seiner scharfen Kritik an der derzeit laufenden FußballWM mit großen Vorbehalten gesehen. Auch der Auftritt von Innenministerin Nancy Faeser (SPD) mit der vom Fußball-Weltverband FIFA verbotenen „One-Love-Binde“beim
WM-Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft stieß in Katar auf kritische Reaktionen. Die künftigen Gaslieferungen aus Katar können jedoch als Signal der Entspannung gelesen werden.
Für das Emirat ist eine lange Laufzeit der Abkommen wichtig, weil es Investitionssicherheit haben will. Es handele sich um die ersten langfristigen Abkommen über Lieferungen von Flüssiggas nach Deutschland, sagte Al-Kaabi. Sie trügen zur langfristigen Energiesicherheit des Landes, aber auch Europas bei. „Dies ist eine konkrete Demonstration (…) unseres Engagements für die Deutschen.“
In Deutschland wurde jedoch auch Kritik laut. Der Gasdeal helfe nicht in der gegenwärtigen Krise, schaffe aber langfristige Abhängigkeit, erklärte die Deutsche Umwelthilfe. Linksfraktionschef Dietmar Bartsch zeigte sich skeptisch. Er finde es etwas verfrüht, dies als großen Erfolg darzustellen, sagte er. „Es handelt sich aus meiner Sicht vielmehr um eine PR-Maßnahme, denn es hilft weder für diesen noch für den nächsten Winter.“Das Emirat steht immer wieder wegen Menschenrechtsverletzungen in der Kritik.
Die Bundesregierung sieht Gas als Brückentechnologie – der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne soll deutlich beschleunigt werden, derzeit gibt es aber noch viele Hürden. Vor diesem Hintergrund sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge, Deutschland müsse sich „kurzfristig“breiter aufstellen mit Blick auf die Gasversorgung.
Nicht erfüllt haben sich bisher die deutschen Hoffnungen, früher Gaslieferungen aus Katar zu bekommen. So war von 2024 die Rede gewesen. Katar wolle die US-Flüssiggasanlage Golden Pass in Texas, an der Qatar Energy 70 Prozent halte, bereits 2024 so weit haben, nach Deutschland liefern zu können, hatte Katars Außenminister Mohammed bin Abdulrahman Al Thani noch im Mai gesagt.
Deutschland baut derzeit die Infrastruktur für die Lieferung von Flüssiggas in großem Umfang aus. Die ersten deutschen LNG-Terminals stehen kurz vor dem Betriebsbeginn. Im schleswig-holsteinischen Brunsbüttel soll in diesem Jahr ein Schwimmterminal seine Arbeit aufnehmen. Der erste LNG-Tanker soll Ende Dezember festmachen.