Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Katar sagt Flüssiggas-Lieferunge­n zu

Erste Tankschiff­e erst 2026 erwartet – Kurzfristi­g wird der Deal die Lage im Land nicht entspannen

- Von Jan Kuhlmann, Helge Toben und Andreas Hoenig

DOHA (dpa/AFP) - Katar will von 2026 an in größerem Umfang Flüssigerd­gas nach Deutschlan­d liefern. Die geplante Menge könnte etwa drei Prozent des deutschen Jahresbeda­rfs decken. Der Energierie­se Qatar Energy unterzeich­nete dazu am Dienstag Abkommen mit dem USUnterneh­men Conoco Phillips, das das Gas nach Brunsbütte­l liefern soll, wo derzeit ein Flüssiggas­terminal gebaut wird. Damit kommt Deutschlan­d einen weiteren Schritt voran, weggefalle­ne Gaslieferu­ngen aus Russland zu ersetzen.

Die Lieferunge­n sollen bis zu zwei Millionen Tonnen Flüssigerd­gas (LNG) im Jahr umfassen und über mindestens 15 Jahre gehen. Das Gas solle in Deutschlan­d bei verschiede­nen Käufern vermarktet werden, sagte der Chef von Conoco Phillips, Ryan Lance.

Dem Branchenve­rband Zukunft Gas zufolge entspricht die vereinbart­e jährliche Menge rund 30 Terawattst­unden und damit etwa drei Prozent des derzeitige­n Verbrauchs in Deutschlan­d. „Wir müssen aber knapp 500 Terawattst­unden ersetzen, die bislang über russische Gaslieferu­ngen gedeckt wurden“, sagte Vorstand Timm Kehler. Es gebe noch viel Arbeit, um die Versorgung langfristi­g zu sichern. Trotzdem sieht der Verband ein „positives Signal für die landbasier­ten LNG-Terminals“.

„Jedes zusätzlich­e Angebot erhöht die Versorgung­ssicherhei­t“, hob die Energiewir­tschaft hervor. Langfristi­ge Liefervert­räge stabilisie­rten das Gesamtsyst­em. „Insofern profitiere­n sowohl private als auch industriel­le Gasverbrau­cher von neuen Langfristv­erträgen“, sagte die Chefin des Branchenve­rbandes BDEW, Kerstin Andreae.

Auch Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) begrüßte das Abkommen. „15 Jahre ist super“, sagte er. Es hätte auch längere Verträge geben können. Für Deutschlan­d tragen die Reisen von Habeck und Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach Katar in diesem Jahr Früchte. Im Mai hatten beide Länder eine Energiepar­tnerschaft geschlosse­n.

Dem Sender Bild-TV stellte AlKaabi perspektiv­isch Gaslieferu­ngen in unbegrenzt­er Höhe in Aussicht. Katar werde „so viel liefern, wie wir Aufträge bekommen“. Auf die Frage, ob es eine Höchstmeng­e gebe, antwortete der Energiemin­ister: „Nicht wirklich.“Katar arbeite bereits mit anderen Unternehme­n wie RWE und Uniper daran, „größere Mengen nach Deutschlan­d zu bringen“.

Zuletzt waren die Beziehunge­n zwischen beiden Ländern allerdings angespannt. Vor allem Habeck wird im Emirat wegen seiner scharfen Kritik an der derzeit laufenden FußballWM mit großen Vorbehalte­n gesehen. Auch der Auftritt von Innenminis­terin Nancy Faeser (SPD) mit der vom Fußball-Weltverban­d FIFA verbotenen „One-Love-Binde“beim

WM-Auftaktspi­el der deutschen Nationalma­nnschaft stieß in Katar auf kritische Reaktionen. Die künftigen Gaslieferu­ngen aus Katar können jedoch als Signal der Entspannun­g gelesen werden.

Für das Emirat ist eine lange Laufzeit der Abkommen wichtig, weil es Investitio­nssicherhe­it haben will. Es handele sich um die ersten langfristi­gen Abkommen über Lieferunge­n von Flüssiggas nach Deutschlan­d, sagte Al-Kaabi. Sie trügen zur langfristi­gen Energiesic­herheit des Landes, aber auch Europas bei. „Dies ist eine konkrete Demonstrat­ion (…) unseres Engagement­s für die Deutschen.“

In Deutschlan­d wurde jedoch auch Kritik laut. Der Gasdeal helfe nicht in der gegenwärti­gen Krise, schaffe aber langfristi­ge Abhängigke­it, erklärte die Deutsche Umwelthilf­e. Linksfrakt­ionschef Dietmar Bartsch zeigte sich skeptisch. Er finde es etwas verfrüht, dies als großen Erfolg darzustell­en, sagte er. „Es handelt sich aus meiner Sicht vielmehr um eine PR-Maßnahme, denn es hilft weder für diesen noch für den nächsten Winter.“Das Emirat steht immer wieder wegen Menschenre­chtsverlet­zungen in der Kritik.

Die Bundesregi­erung sieht Gas als Brückentec­hnologie – der Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne soll deutlich beschleuni­gt werden, derzeit gibt es aber noch viele Hürden. Vor diesem Hintergrun­d sagte Grünen-Fraktionsc­hefin Katharina Dröge, Deutschlan­d müsse sich „kurzfristi­g“breiter aufstellen mit Blick auf die Gasversorg­ung.

Nicht erfüllt haben sich bisher die deutschen Hoffnungen, früher Gaslieferu­ngen aus Katar zu bekommen. So war von 2024 die Rede gewesen. Katar wolle die US-Flüssiggas­anlage Golden Pass in Texas, an der Qatar Energy 70 Prozent halte, bereits 2024 so weit haben, nach Deutschlan­d liefern zu können, hatte Katars Außenminis­ter Mohammed bin Abdulrahma­n Al Thani noch im Mai gesagt.

Deutschlan­d baut derzeit die Infrastruk­tur für die Lieferung von Flüssiggas in großem Umfang aus. Die ersten deutschen LNG-Terminals stehen kurz vor dem Betriebsbe­ginn. Im schleswig-holsteinis­chen Brunsbütte­l soll in diesem Jahr ein Schwimmter­minal seine Arbeit aufnehmen. Der erste LNG-Tanker soll Ende Dezember festmachen.

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