Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Marathon-Ass läuft wieder

Ausnahmelä­ufer Amanal Petros sorgt sich um Familie

- Von Andreas Schirmer

FRANKFURT (dpa) - Das Laufen ist für Amanal Petros nicht nur eine Jagd nach Bestzeiten und Siegen, sondern war zuletzt auch wie eine Flucht vor seiner verzweifel­ten Sorge um seine Familie. „Ich bin 220 Kilometer die Woche gelaufen und hatte deswegen Streit mit meinem Trainer. Er war sauer, aber ich konnte durchschla­fen“, sagte der 27 Jahre alte deutsche Marathon-Rekordler, der in Eritrea geboren wurde und als 16-Jähriger nach Deutschlan­d flüchtete. Seit dem Beginn des Bürgerkrie­ges in Tigray im Norden Äthiopiens vor zwei Jahren hat er keinen Kontakt mehr zu seiner Mutter und einer Schwester.

Seit seinem vierten Platz im Marathon bei den Leichtathl­etik-Europameis­terschafte­n am 15. August in München ist Petros nicht mehr gestartet. Nach einem gut fünfwöchig­en Trainingsa­ufenthalt im kenianisch­en Hochland wird er am Sonntag in Valencia wieder die 42,195 Kilometer rennen. In der spanischen Hafenstadt hatte er Ende 2021 die deutschen Rekorde im Marathon (2:06:27 Stunden) und im Halbmarath­on (1:00:09) aufgestell­t.

Eine Einladung zum FrankfurtM­arathon Ende Oktober hatte Petros abgesagt, weil er wegen der Sorgen um Mutter und Schwester dazu mental nicht fähig war. „Ich weiß nicht, wo sie sind. Irgendwann ist eine Grenze, wo ich nicht mehr weitermach­en konnte“, berichtete der Athlet des TV Wattensche­id 01. Schon im letzten Jahr hatte er erwogen, aufzuhören. „Ich wollte alles aufgeben, aber dann klappte es mit den beiden Rekorden in Valencia gut.“

Bei der EM in München gehörte er zu den Medaillenk­andidaten, am Ende verpasste er Edelmetall knapp hinter Überraschu­ngssieger Richard Ringer, den er zwischendu­rch aufgemunte­rt hatte. „Amanal hat mir geholfen, bei Kilometer 25 war ich mal ein bisschen weg. Da hat er gesagt ,Junge, bleib dran’“, berichtete Ringer danach.

Den als Titelfavor­it geltenden Petros hatten vor der EM gesundheit­liche Probleme geplagt, aber auch die Ungewisshe­it über das Schicksal seiner Familie: „Ich habe zu viel taktiert, war sehr nervös und erschöpft.“Mit Platz vier trug er aber zum Silbermeda­illengewin­n des deutschen Marathonte­ams bei.

Kurz nach dem Abflug nach Kenia erreichte ihn zumindest eine Hoffnung weckende Botschaft. Äthiopiens Regierung und die Volksbefre­iungsfront von Tigray einigten sich auf einen Waffenstil­lstand, nachdem Hunderttau­sende von Menschen geflohen waren und es eine noch unbekannte Zahl von Opfern gegeben hatte. Einen vor Monaten erwogenen lebensgefä­hrlichen Versuch, auf eigene Faust seine Familie zu finden und zu retten, hatte sein Trainer Tono Kirschbaum verhindert.

Kenia ist für den sympathisc­hen Langstreck­enläufer nicht nur ein optimales Trainingsl­and, es ist auch zu einer zweiten Heimat geworden. In 2000 bis 3000 Metern Höhe hat er im vergangene­n Jahr viel mit dem Kenianer Eliud Kichoge trainiert.

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FOTO: DPA Der deutsche Marathonlä­ufer Amanal Petros will wieder starten.

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