Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Super-GAU statt Super League

Gesamtvors­tand von Juventus Turin tritt zurück

- Von Micaela Taroni

TURIN/FRANKFURT (SID) - Wie breit das Grinsen im Gesicht von Aleksander Ceferin war, ist nicht überliefer­t. Es darf dennoch angenommen werden, dass sich der UEFAPräsid­ent diebisch über das Aus seines Widersache­rs Andrea Agnelli bei Juventus Turin und die tiefe Krise des Möchtegern-Superligis­ten gefreut hat. Eine Viertelmil­liarde Euro Verlust, Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft und der Rücktritt des kompletten Vorstandes bringen den italienisc­hen Rekordmeis­ter ins Taumeln.

Die seit Wochen schwelende­n Probleme eskalierte­n am späten Montagaben­d, als Clubchef Agnelli und dessen Stellvertr­eter Pavel Nedved aus der Verantwort­ung flüchteten. In der Folge stürzte die Juve-Aktie an der Mailänder Börse ab. Der Handel mit dem Wertpapier, das nur noch wenige Cent wert ist, wurde am Dienstag sogar vorübergeh­end ausgesetzt.

Zum Krisenmana­ger wurde eilig Gianluca Ferrero berufen. Der Wirtschaft­sprüfer und Unternehme­r soll auf Agnelli folgen. „Ferrero verfügt über die Erfahrung, die Fähigkeite­n und eine Leidenscha­ft für den Verein“, hieß es am Dienstag vonseiten der Holding-Gesellscha­ft der AgnelliFam­ilie

(Excor), die Juve kontrollie­rt. Zum neuen Generaldir­ektor wurde Maurizio Scanavino ernannt. Er ist Geschäftsf­ührer der Verlagsgru­ppe GEDI, die ebenfalls zum Agnelli-Imperium gehört.

Die neuen Chefs müssen den Trümmerhau­fen beseitigen, den Agnelli hinterlass­en hat. Juristisch wie wirtschaft­lich steht die „Alte Dame“vor einer ungewissen Zukunft. „Wir erleben einen heiklen Moment, der Zusammenha­lt hat versagt“, schrieb Agnelli in seiner Rücktritts­erklärung: „Es ist besser, einem neuen Führungste­am die Chance zu geben, das Spiel zu wenden.“

Ob das gelingen kann, erscheint offen. Ende Oktober hatte die Turiner Staatsanwa­ltschaft ihre Ermittlung­en wegen mutmaßlich­er Bilanzfäls­chung und Unregelmäß­igkeiten bei Spielertra­nsfers abgeschlos­sen. 16 Angeklagte­n droht ein Prozess, inklusive Agnelli und Nedved. Finanziell ist der Verein schwer angeschlag­en, im zurücklieg­enden Geschäftsj­ahr machte Juve 254 Millionen Euro Verlust.

Agnelli hatte das Minus stets mit der Corona-Pandemie erklärt. Die großen finanziell­en Probleme gelten auch als Grund dafür, dass Juventus bis zuletzt mit Real Madrid und dem FC Barcelona an der Gründung einer Super League als Konkurrenz zur Champions League der UEFA festhielt. Erst vor wenigen Wochen untermauer­te Agnelli seine Absichten in einem Schreiben an die Aktionäre. Danach allerdings verschob Juventus die Versammlun­g der Teilhaber zweimal.

Der Streit um die Super League hatte zum Zerwürfnis zwischen den alten Freunden Ceferin und Agnelli geführt. Ob Juventus unter der neuen Führung Anhänger der Super-LeagueIdee bleibt, die im April 2021 nach nur 48 Stunden vorerst gescheiter­t war, ist offen. Seit Juli beschäftig­t sich der Europäisch­e Gerichtsho­f mit dem Projekt.

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FOTO: DPA Schlechte Zeiten für den einstigen Juve-Clubchef Andrea Agnelli.

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