Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Claas soll Russlandsanktionen umgehen
Landmaschinenhersteller weißt Vorwürfe der Wochenzeitung „Zeit“zurück
RAVENSBURG - Schwerwiegende Vorwürfe gegen den Landmaschinenhersteller Claas: Einem Bericht der Wochenzeitung „Die Zeit“zufolge, soll der Konzern mit Sitz im nordrhein-westfälischen Harsewinkel und Werken unter anderem in Bad Saulgau (Landkreis Sigmaringen) gegen geltende Sanktionsvorschriften gegen Russland verstoßen.
Interne Unterlagen, die der „Zeit“vorliegen, zeigten, dass Claas die Ausfuhrbeschränkungen der EU systematisch umgehen würde, heißt es in dem Bericht. Ziel sei es, die im März wegen unterbrochener Lieferketten gestoppte Produktion im südrussischen Krasnodar ab März 2023 wieder anlaufen zu lassen. Dafür versuche der Landtechnikhersteller, eine Lücke in den Embargo-Vorschriften auszunutzen. Claas baut in Krasnodar vor allem Mähdrescher vom Typ Tucano, aber auch Großtraktoren der Modelle Axion und Xerion, ist jedoch auf Zulieferungen von den deutschen Claas-Fabriken in Harsewinkel und Paderborn angewiesen.
Um die Zulieferungen über die gesperrte russische Grenze zu bekommen, soll das Unternehmen nach Informationen der „Zeit“sanktionierte Einzelteile wie Hydraulikzylinder, Gasdruckfedern, Schalldämpfer oder Stahlrohre in Baugruppen versteckt nach Russland exportieren. Damit bekämen sie eine andere Zolltarifnummer
und würden so für die Kontrolleure quasi unsichtbar. Ende Oktober sollen Kisten mit „Lenksystem-Kits” die Zollabfertigung in Russland passiert haben. Diese beinhalteten auch sanktionierte Hydraulikzylinder.
Auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“erklärte ein Unternehmenssprecher, dass Claas die Berichterstattung kenne und sie sehr ernst nehme, die erhobenen Vorwürfe zu angeblichen Verstößen gegen die Sanktionen aber strikt zurückweise. „Wir (...) können Ihnen versichern, dass Claas bei all seinen Tätigkeiten stets gesetzes- und sanktionskonform handelt“, sagte der Sprecher und verwies darauf, dass Mähdrescher und Bausätze für Mähdrescher von den EUEmbargos
ausgenommen seien. Das habe das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) klargestellt. Die erforderlichen Genehmigungen des Bafa und der Zollstellen lägen allesamt vor.
Im vergangenen Geschäftsjahr hatte Claas in der Region Zentral- und Osteuropa knapp ein Viertel seines Konzernumsatzes von 4,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. Laut Geschäftsbericht stach Russland als umsatzstärkstes Land heraus. Erst im September 2021 hatte Claas darüber informiert, in Krasnodar weitere 12,6 Millionen Euro in die Erweiterung des Produktionsstandorts zu investieren.
Claas scheint mit seinem Werk in Krasnodar in einer Zwickmühle zu stecken. Der „Zeit“zufolge habe sich das Unternehmen in einem Sonderinvestitionsvertrag mit Russland 2016 verpflichtet, einen großen Teil der Fertigung für den russischen Markt in Russland durchzuführen. Der Import wesentlicher Einzelteile unterliegt aber den EU-Sanktionen. Hingegen unterliegt die Ausfuhr ganzer Mähdrescher oder von Mähdrescher-Bausätzen nach Russland nicht den Sanktionen. Doch wenn im Werk nicht weiterhin die meisten Teile montiert werden, kann Claas den Sonderinvestitionsvertrag nicht mehr erfüllen. Bei Vertragsbruch müsste das Unternehmen nach Informationen der „Zeit“Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe an Russland zurückzahlen.