Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Schwere Heimreise

Das Vorrunden-Aus der Fußballer spaltet den Iran

- Von Marco Krummel und Erik Roos

DOHA (SID) - Während sich in der tief gespaltene­n Heimat bittere Enttäuschu­ng und Feuerwerke des Jubels mischten, bissen sich die tapferen iranischen Spieler nach ihrem geplatzten sportliche­n Traum lieber auf die Zunge. Reden wollte keiner mehr über diese vertane historisch­e Chance, vielmehr kreisten die Gedanken wohl schon um die knifflige Rückreise nach Teheran. Unklar, was Sardar Azmoun und Co. dort nach ihrem rebellisch­en Auftreten zu WM-Beginn erwartet.

„Wir haben viele Geschichte­n gehört über Drohungen, die Spieler angeblich erhalten haben. Das ist eine Schande“, sagte Trainer Carlos Queiroz. Der US-Nachrichte­nsender CNN hatte vor dem 0:1 (0:1) gegen die USA berichtet, den iranischen Spielern seien samt Familien nach ihrem Schweigen bei der Hymne im Auftaktspi­el Haftstrafe­n und Folter angedroht worden, falls sie weiter nicht mitsingen sollten. Bereits in der zweiten Partie hatten alle Teammitgli­eder wieder zart ihre Lippen bewegt, zum Vorrundena­bschluss sangen einige gar inbrünstig mit. Nicht auf Druck des heimischen Regimes – wie Queiroz betonte. „Wenn jemand eine Informatio­n von einer anonymen Quelle nimmt, ist das nicht profession­ell“, sagte der Portugiese. „So etwas ist traurig. Innerhalb von zwei Stunden wird aus einer Dummheit eine vermeintli­che Wahrheit. Aber das ist die Welt, in der wir leben.“

In der Heimat offenbarte sich nach dem WM-Aus die tiefe Zerrissenh­eit über das „Team Melli“. Zwischen tiefer Trauer in großen Teilen Teherans sowie süßer Schadenfre­ude war alles dabei. In der iranischen Provinz Kurdistan wurde die Niederlage gegen „den großen Satan“gar mit Feuerwerk oder Autokorsos gefeiert. Im Stadion zeigten einige wenige Anhänger angesichts der brutalen Staatsgewa­lt in der Heimat erneut Botschafte­n für Freiheit.

„Dank des Teamworks hatten wir Spieler, die wieder gelächelt haben, sie haben verstanden, für wen sie spielen, haben ihre Mission verstanden“, betonte Queiroz: „Ich bin froh, dass sie eine Antwort gegeben und dem Trikot ihres Landes zu Ruhm verholfen haben.“Durch den Gegentreff­er von Christian Pulisic (38.) sei mit dem sechsten Vorrunden-Aus im sechsten Anlauf zwar „der Traum vorbei“, führte der Coach an, dessen Vertrag mit dem WM-Aus ausgelaufe­n ist. Aber das Team werde „stärker zurückkehr­en“.

Doch statt aufs Sportliche richten sich nun alle Blicke auf die Ankunft in der Heimat.

Präsident Joe Biden hat erfreut auf das 1:0 des US-Teams gegen den Iran und den Einzug ins Achtelfina­le reagiert. Nach einem doppelten „USA, USA“-Ruf und mit zur Faust geballter Hand berichtete Biden am Rande einer Rede zu seiner Wirtschaft­spolitik von einem Gespräch mit dem Team im Vorfeld und schloss: „Sie haben es geschafft! Gott, liebe sie.“Zuvor war er erneut ans Rednerpult getreten und hatte gesagt: „US eins, Iran null. Das Spiel ist aus!“Neben Biden schickten auch Vizepräsid­entin Kamala Harris und Sportpromi­nenz wie David Beckham oder LeBron James Glückwünsc­he nach Katar.

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FOTO: IMAGO Für die iranische Nationalma­nnschaft ist die WM vorbei.
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