Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Weltstars vor dem Aus
Gruppenduell zwischen Belgien und Kroatien ist ein Endspiel
AL-RAJJAN (dpa) - Eine Vorahnung hat Kevin De Bruyne schon vor der Fußball-Weltmeisterschaft gehabt. Im Gespräch mit der englischen Tageszeitung „The Guardian“, das erst während der WM in Katar veröffentlicht wurde, sprach der 31 Jahre alte belgische Weltstar von Manchester City eine unbequeme Wahrheit aus. „Unsere Chance war 2018. Unser Team wird immer älter. Jetzt sind wir nur Außenseiter“, sagte der international noch titellose De Bruyne und löste damit ein Beben im ohnehin schon fragilen Gebilde des belgischen Nationalteams aus.
Dass De Bruyne in Katar missmutig und frustriert auf und neben dem Platz auftritt und ehrlich die Missstände der Rode Duivels benennt, hat die Lage im Team nicht gerade besser gemacht. Vor dem Endspiel ums Weiterkommen zwischen dem WM-Dritten von 2018 und dem Vizeweltmeister Kroatien am Donnerstag (16 Uhr/ ARD und Magenta TV) war die Stimmung bei den Belgiern so mies, dass es ordentlich knallte. „Darüber mussten wir schon reden, auch wenn ich glaube, dass Kevin das gar nicht so negativ meinte“, sagte Timothy Castagne von Leicester City. Nach einer einstündigen Krisensitzung, bei der laut De Bruynes Intimfeind Thibaut Courtois „alles auf den Tisch kam“, soll nun alles besser werden.
„Wir waren nicht zimperlich untereinander, aber jetzt ist alles geklärt. Wir können immer noch alles schaffen“, sagte der Welttorhüter Courtois. Die Beobachter fragen sich indes, wie das gelingen soll. Offenbar gibt es einen Informanten im Team, der Interna an diverse Medien gibt. Nach dem miesen 0:2 gegen Marokko soll es in der Kabine fast zu Handgreiflichkeiten gekommen sein. Die französische Sportzeitung „L’Équipe“berichtete über eine Kopf-an-Kopf-Szene zwischen Kapitän Eden Hazard und Abwehrroutinier Jan Vertonghen. Hazard dementierte nur recht halbherzig und bekannte: „Wir gehen durch eine schwierige Zeit. Vielleicht die härteste, die ich bei den Rode Duivels kenne.“Courtois schimpfte über „Unwahrheiten“in den sozialen Medien, drohte aber dann doch dem mutmaßlichen Maulwurf: „Wenn wir wissen, wer es war, war es sein letzter Tag bei den Rode Duivels.“
Die Ausgangslage bei den Belgiern scheint wesentlich vertrackter als bei den Kroaten, denen ein Punkt zum Weiterkommen genügt. Belgien muss gewinnen, sofern das bereits ausgeschiedene Kanada nicht parallel hoch gegen das Überraschungsteam Marokko gewinnt. Die Wahrscheinlichkeit, dass nur einer der Weltstars – Luka Modric oder De Bruyne – weiter der wohl letzten Titelchance mit seinem Nationalteam hinterherjagen kann, ist somit groß. Für den 37 Jahre alten Modric dürfte es das letzte große Turnier sein.
Beim 31 Jahre alten De Bruyne weiß man es bei allem aktuellen Frust nicht so ganz. Der Unterschied: Modric
hat als Fußballer bislang schon wesentlich mehr vorzuweisen. 2018 wurde er Weltfußballer, zudem sammelte er mit Real Madrid internationale Titel en masse. Etwa fünf Champions-League-Titel. Davon kann De Bruyne nur träumen. Bei allem finanziellen Aufwand, der bei ManCity betrieben wird, reichte es bislang nur zu nationalen Titeln.
Bei den Kroaten ist der Altstar Modric immer noch der Dreh- und Angelpunkt. „Er reißt das ganze Team mit“, sagte Trainer Zlatko Dalic. In einer Mannschaft, die in Katar als Team noch nicht zueinandergefunden hat, will De Bruyne dagegen allzu oft mit dem Kopf durch die Wand. Ehrlich ist De Bruyne immerhin auch in Bezug auf seine eigene Leistung. Als er völlig überraschend nach dem 1:0-Auftaktsieg gegen Kanada zum Spieler des Spiels gewählt worden war, sagte er mit versteinerter Miene: „Das kann ich nicht verstehen. Ich habe schlecht gespielt und mich dem Niveau des gesamten Teams angepasst.“