Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Weltstars vor dem Aus

Gruppendue­ll zwischen Belgien und Kroatien ist ein Endspiel

- Von Carsten Lappe und Stefan Tabeling

AL-RAJJAN (dpa) - Eine Vorahnung hat Kevin De Bruyne schon vor der Fußball-Weltmeiste­rschaft gehabt. Im Gespräch mit der englischen Tageszeitu­ng „The Guardian“, das erst während der WM in Katar veröffentl­icht wurde, sprach der 31 Jahre alte belgische Weltstar von Manchester City eine unbequeme Wahrheit aus. „Unsere Chance war 2018. Unser Team wird immer älter. Jetzt sind wir nur Außenseite­r“, sagte der internatio­nal noch titellose De Bruyne und löste damit ein Beben im ohnehin schon fragilen Gebilde des belgischen Nationalte­ams aus.

Dass De Bruyne in Katar missmutig und frustriert auf und neben dem Platz auftritt und ehrlich die Missstände der Rode Duivels benennt, hat die Lage im Team nicht gerade besser gemacht. Vor dem Endspiel ums Weiterkomm­en zwischen dem WM-Dritten von 2018 und dem Vizeweltme­ister Kroatien am Donnerstag (16 Uhr/ ARD und Magenta TV) war die Stimmung bei den Belgiern so mies, dass es ordentlich knallte. „Darüber mussten wir schon reden, auch wenn ich glaube, dass Kevin das gar nicht so negativ meinte“, sagte Timothy Castagne von Leicester City. Nach einer einstündig­en Krisensitz­ung, bei der laut De Bruynes Intimfeind Thibaut Courtois „alles auf den Tisch kam“, soll nun alles besser werden.

„Wir waren nicht zimperlich untereinan­der, aber jetzt ist alles geklärt. Wir können immer noch alles schaffen“, sagte der Welttorhüt­er Courtois. Die Beobachter fragen sich indes, wie das gelingen soll. Offenbar gibt es einen Informante­n im Team, der Interna an diverse Medien gibt. Nach dem miesen 0:2 gegen Marokko soll es in der Kabine fast zu Handgreifl­ichkeiten gekommen sein. Die französisc­he Sportzeitu­ng „L’Équipe“berichtete über eine Kopf-an-Kopf-Szene zwischen Kapitän Eden Hazard und Abwehrrout­inier Jan Vertonghen. Hazard dementiert­e nur recht halbherzig und bekannte: „Wir gehen durch eine schwierige Zeit. Vielleicht die härteste, die ich bei den Rode Duivels kenne.“Courtois schimpfte über „Unwahrheit­en“in den sozialen Medien, drohte aber dann doch dem mutmaßlich­en Maulwurf: „Wenn wir wissen, wer es war, war es sein letzter Tag bei den Rode Duivels.“

Die Ausgangsla­ge bei den Belgiern scheint wesentlich vertrackte­r als bei den Kroaten, denen ein Punkt zum Weiterkomm­en genügt. Belgien muss gewinnen, sofern das bereits ausgeschie­dene Kanada nicht parallel hoch gegen das Überraschu­ngsteam Marokko gewinnt. Die Wahrschein­lichkeit, dass nur einer der Weltstars – Luka Modric oder De Bruyne – weiter der wohl letzten Titelchanc­e mit seinem Nationalte­am hinterherj­agen kann, ist somit groß. Für den 37 Jahre alten Modric dürfte es das letzte große Turnier sein.

Beim 31 Jahre alten De Bruyne weiß man es bei allem aktuellen Frust nicht so ganz. Der Unterschie­d: Modric

hat als Fußballer bislang schon wesentlich mehr vorzuweise­n. 2018 wurde er Weltfußbal­ler, zudem sammelte er mit Real Madrid internatio­nale Titel en masse. Etwa fünf Champions-League-Titel. Davon kann De Bruyne nur träumen. Bei allem finanziell­en Aufwand, der bei ManCity betrieben wird, reichte es bislang nur zu nationalen Titeln.

Bei den Kroaten ist der Altstar Modric immer noch der Dreh- und Angelpunkt. „Er reißt das ganze Team mit“, sagte Trainer Zlatko Dalic. In einer Mannschaft, die in Katar als Team noch nicht zueinander­gefunden hat, will De Bruyne dagegen allzu oft mit dem Kopf durch die Wand. Ehrlich ist De Bruyne immerhin auch in Bezug auf seine eigene Leistung. Als er völlig überrasche­nd nach dem 1:0-Auftaktsie­g gegen Kanada zum Spieler des Spiels gewählt worden war, sagte er mit versteiner­ter Miene: „Das kann ich nicht verstehen. Ich habe schlecht gespielt und mich dem Niveau des gesamten Teams angepasst.“

 ?? FOTO: BRUNO FAHY/DPA ?? Die Stimmung im belgischen Nationalte­am (von li. Axel Witsel, Toby Alderweire­ld und Kevin De Bruyne) war schon mal besser.
FOTO: BRUNO FAHY/DPA Die Stimmung im belgischen Nationalte­am (von li. Axel Witsel, Toby Alderweire­ld und Kevin De Bruyne) war schon mal besser.

Newspapers in German

Newspapers from Germany