Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Mehr Handel mit Freunden
Eine Welt, die unter dem beherrschenden Einfluss von Diktatoren steht, wäre keine gute. Diese jedoch droht, wenn die westlichen Staaten jetzt nicht aufpassen. Die russische Regierung hat den Krieg gegen die Ukraine vom Zaun gebrochen. Und die chinesische Regierung will ihr autoritäres System zur stärksten Weltmacht aufrüsten. Das ist der Hintergrund, vor dem der Bundestag nun am Donnerstag – mit mehreren Jahren Verzug – das Handelsabkommen Ceta zwischen der Europäischen Union und Kanada ratifiziert hat.
Die Welt sortiert sich neu. Deshalb muss man auch dieses Abkommen neu bewerten. Kritik, die vor fünf Jahren noch zentral erschien, macht in der aktuellen Lage einen etwas abseitigen Eindruck. Ja, das Abkommen beinhaltet auch neue Schiedsgerichte, die Unternehmen Klagen gegen den deutschen oder kanadischen Staat ermöglichen. Diese Sondergerichtsbarkeit ist schwer zu begründen, weil ja die ordentliche Justiz in beiden Staaten auch Unternehmen eine ausreichende Sicherheit bietet. Trotzdem konnte das nun kein Hindernis mehr sein.
Stattdessen sollte die Frage lauten: Mit welchen Staaten können sich Deutschland und die Europäische Union zusammentun, um dem Autoritarismus etwas entgegenzusetzen? Neben Kanada ist man da schnell bei Mittel- und Südamerika – Mexiko, Chile, der dortigen Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur unter anderem mit Brasilien und Argentinien. Oder auch bei den USA, wo der erste Anlauf zu TTIP, einem großen Handelsabkommen mit Europa, vor Jahren am damaligen Präsidenten Donald Trump scheiterte, zur Freude der Globalisierungskritiker.
Verträge, die den wirtschaftlichen Austausch mit vertrauenswürdigen Staaten befördern, sind gut. Die Basis bildet das gemeinsame Bekenntnis zu Demokratie, Menschenrechten, individueller Freiheit und freiem Handel. Auch dieser kann eine gute Sache sein, der für beide Seiten mehr Wohlstand schafft. Die Voraussetzung dafür ist, dass die Interessen der Unternehmen nicht an oberster Stelle stehen, sondern mit dem Gemeinwohl ausbalanciert werden. Umgekehrt darf man die Anforderungen aber auch nicht zu hoch schrauben. Wenn man die moralischen Maßstäbe von Misereor und Brot für die Welt anlegte, bliebe fast kein Land mehr übrig, mit dem sich Handel treiben ließe. Angesichts der Weltlage ist das keine Option.