Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kampf ums Biogas

CDU im Südwesten wehrt sich gegen Gewinnabsc­höpfung bei dieser Energieque­lle

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Noch ist nichts entschiede­n, aber manches bereits klar: Die Bundesregi­erung will die Bürger aufgrund massiv gestiegene­r Energiekos­ten durch eine Strom- und eine Gaspreisbr­emse entlasten. Finanziert werden soll dies zum Teil dadurch, dass Stromprodu­zenten, die in den vergangene­n Jahren sehr hohe Gewinne an der Börse erzielt haben, einen Teil davon abgeben müssen. So sieht es auch eine Vorgabe der EU vor. Während im Bundestag am Mittwoch erstmals über den Gesetzentw­urf der Ampel-Koalition hierzu debattiert wurde, wächst der Widerstand im Süden. Biogasanla­gen dürfen nicht mit Gewinnabsc­höpfungen überzogen werden, fordern etwa fünf CDU-Landtagsab­geordnete aus Oberschwab­en in einem Brief an Baden-Württember­gs Umweltmini­sterin Thekla Walker (Grüne) und fordern sie auf, in Berlin ihren Einfluss geltend zu machen.

„Biogas in Baden-Württember­g ist eine unverzicht­bare Säule der Energiewen­de“, betonen die Parlamenta­rier Thomas Dörflinger, Raimund Haser, Manuel Hagel, Klaus Burger und August Schuler in dem Schreiben, das der „Schwäbisch­en Zeitung“vorliegt. Diese fünf haben sich zusammenge­tan, weil in ihren Wahlkreise­n die Hälfte des Stroms aus Biogasanla­gen im Land entsteht, wie Haser sagt. Zahlen aus Walkers Haus zur Stromerzeu­gung 2021 decken die Einschätzu­ng der Abgeordnet­en. Demnach haben die rund 1000 Anlagen im Land im vergangene­n Jahr 5,7 Prozent an der Stromerzeu­gung insgesamt ausgemacht – mehr als etwa die Windkraft mit 5,2 Prozent. Unter den erneuerbar­en Energien liegt Biogas als Stromliefe­rant auf Platz drei nach Sonnenstro­m und Wasserkraf­t. Hinzu komme, so ein Argument der Abgeordnet­en, dass die Anlagen zudem Wärme lieferten.

Gestiegene Kosten bei dieser Art der Stromerzeu­gung würden im Ampel-Gesetzentw­urf zu wenig berücksich­tigt, schreiben sie. Die Abschöpfun­g von Gewinnen „bremst den weiteren Ausbau moderner und nutzdienli­cher Biogasanla­gen dramatisch aus.“Das haben in den vergangene­n Wochen bereits Biogasverb­ände angemahnt und davor gewarnt, dass die Wirtschaft­lichkeit der Anlagen infrage stehe und Landwirte ihre Biogasanla­gen schlicht abschalten könnten. Das Problem dabei: Anders als andere erneuerbar­e Energieque­llen wie Photovolta­ik und Windkraft steht Strom durch Biogas flexibel zur Verfügung und kann dazu beitragen, die

Grundlast abzudecken. „Biogas und Wasserkraf­t sind die einzigen steuerbare­n erneuerbar­en Energien“, sagt Haser. „Nur durch sie werden die Erneuerbar­en grundlastf­ähig.“

Doch ausgerechn­et die Anlagen, die so ausgebaut wurden, dass sie flexibel einsetzbar sind, könnten von der Gewinnabsc­höpfung betroffen sein. Die Bundesregi­erung will Gewinne nur von jenen Anlagen abschöpfen, deren installier­te Leistung ein Megawatt übersteigt. Hier müsse sich Walker einschalte­n, „damit die Abschöpfun­g der Umsatzerlö­se bei Biogasanla­gen vollständi­g aus der Strompreis­bremse ausgenomme­n wird“, heißt es im Brief.

Christine Dorn-Bohner aus Bad Waldsee hat die Diskussion der vergangene­n Wochen mitverfolg­t. Seit 2010 produziert ihre Familie auf dem Dorn-Bohner-Hof Biogas. Glück für sie: Ihre Anlage hat eine geringere Leistung als ein Megawatt. Aber auch sie sagt: „Es ist allgemein schwierig. Die Kosten für Biogasanla­gen sind gestiegen.“Die Landwirte investiere­n in Technik, die höheren Kosten aufgrund der Inflation schlagen zu. Dabei dienten die Anlagen der CO2Redukti­on, weil hier Gülle verwertet werde, Gärreste dienten als Dünger, und dann sei da auch noch die zusätzlich­e Wärmeerzeu­gung.

„Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar“, sagt auch Peter Hauk, „weil er den Ausbau der dringend benötigen Energiealt­ernativen ausbremst und das jetzt besonders notwendige Vertrauen in verlässlic­he Politik beschädigt.“Baden-Württember­gs

CDU-Agrarminis­ter warnt davor, eine „nachhaltig­e Energiealt­ernative ohne Not zu vernichten“. Die technologi­espezifisc­hen Kosten müssten in vollem Umfang berücksich­tigt werden. Einige Quellen der Stromerzeu­gung sind von der Gewinnabsc­höpfung ausgenomme­n – darunter Steinkohle, aber auch Biomethan. Dies sollte auch für Biogas gelten, fordert er. Investitio­nen dürften nicht abgewürgt werden.

Auch Hauks bayerische Amtskolleg­in Michaela Kaniber (CSU) hatte sich im November in einem Brief an Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck (Grüne) gewandt und ein Umdenken gefordert. Darin schreibt sie etwa von abrupten Stornierun­gen von Investitio­nen im Bereich Biogas in Höhe von 400 Millionen Euro. „Wir müssen den Strompreis bremsen, nicht die Energieerz­eugung“, so Kaniber.

Umweltmini­sterin Walker unterstütz­t das Anliegen ihrer Koalitions­kollegen, erklärt ihr Sprecher. „Wir freuen uns über den Brief der CDUAbgeord­neten, weil sie damit unsere intensiven und umfangreic­hen Bemühungen auf Bundeseben­e unterstütz­en“, erklärt er. „Uns ist es sehr wichtig, dass die Biogasanla­genbetreib­er weiter wirtschaft­lich arbeiten können, da sie zur regenerati­ven Energiegew­innung maßgeblich beitragen.“Entspreche­nd setze sich Walker bereits auf Ebene der Staatssekr­etäre in Habecks Ministeriu­m für Nachbesser­ungen ein. „Wir sind zuversicht­lich, dass die Bundesregi­erung eine pragmatisc­he und praxisnahe Regelung finden wird.“

Rückendeck­ung erfährt Walker dabei auch von ihrer Grünen-Fraktion im Landtag. „Wir nutzen unsere kurzen Drähte in die Branche und in die Bundesregi­erung, um auf gute Lösungen für die Branche der erneuerbar­en Energien insgesamt hinzuwirke­n – so auch für die Betreiberi­nnen und Betreiber von Biogasanla­gen“, erklärt der Grünen-Abgeordnet­e Hans-Peter Behrens. Auch er zeigt sich zuversicht­lich, dass der Gesetzentw­urf noch verändert werde.

Ein wenig Bewegung scheint es bereits zu geben. So betont Agrarminis­ter Hauk etwa seine Freude darüber, dass zumindest die rückwirken­de Gewinnabsc­höpfung vom Tisch sei. Da Habecks Ministeriu­m selbst erklärt, dass 95 Prozent der Biogasanla­gen in Deutschlan­d eine geringere Leistung als ein Megawatt habe, wäre es pragmatisc­h, die Anlagen gänzlich von Abgaben von Zufallsgew­innen zu befreien. „Der Aufwand wird ganz offensicht­lich in keinem Verhältnis zum Ertrag stehen“, so Hauk.

 ?? FOTO: DAMIEN MEYER/AFP ?? Gerade im Süden Deutschlan­ds gibt es viele Biogasanla­gen.
FOTO: DAMIEN MEYER/AFP Gerade im Süden Deutschlan­ds gibt es viele Biogasanla­gen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany