Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bundestag beschließt neues Bleiberecht
Pläne der Ampel-Regierung eröffnen Geduldeten Perspektiven – Union gespalten
BERLIN (dpa) - Nach einem heftigen Schlagabtausch zwischen der Ampel-Koalition und Innenpolitikern der Unionsfraktion hat der Bundestag das sogenannte Chancen-Aufenthaltsrecht verabschiedet. Es soll gut integrierten Ausländern, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben, eine Perspektive in Deutschland bieten. Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.
Die Debatte über das Vorhaben offenbarte, dass sich vor allem CDU-Abgeordnete, die über Jahre eng mit der früheren Bundeskanzlerin Angela
Merkel (CDU) zusammengearbeitet haben, nicht so klar gegen die Reformen von SPD, Grünen und FDP in der Asyl- und Migrationspolitik positionieren wollen wie die Innenpolitiker der Unionsfraktion. Für den Gesetzentwurf von SPD, Grünen und FDP votierten am Freitag in einer namentlichen Abstimmung 371 Abgeordnete der Koalition. Insgesamt 226 Parlamentarier stimmten dagegen: 157 Abgeordnete der Union, 66 AfD-Abgeordnete sowie drei Fraktionslose. Zu den 57 Abgeordneten, die sich enthielten, zählten drei Abgeordnete der FDP sowie 20 Mitglieder der Unionsfraktion, darunter der frühere Unionskanzlerkandidat Armin Laschet, Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun, Monika Grütters und Serap Güler. Ferner alle 33 Abgeordneten der Linksfraktion. Fraktionschef Friedrich Merz (CDU) war zwar während der Debatte im Saal, gab aber hinterher keine Stimmkarte ab. Ein Sprecher der Fraktion teilte auf Anfrage mit, dass Merz auf dem Weg zu einem auswärtigen Termin sei und für den Tag im Bundestag entschuldigt sei. Seine Position „ist hinlänglich bekannt“.
In der abschließenden Beratung warfen Abgeordnete der Union der Ampel-Koalition vor, mit ihrem geplanten Chancen-Aufenthaltsrecht abgelehnte Asylbewerber zu belohnen, die über Jahre nicht zu einer Klärung ihrer Identität beigetragen hätten. Sie stünden am Ende besser da als ehrliche Ausländer, die ihre Identität offenlegten und dadurch leichter abgeschoben werden könnten. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sagte, es wäre besser, sich „auf die wirklich
Schutzberechtigten“zu fokussieren. Für gut integrierte langjährig Geduldete gebe es heute schon genügend Ausnahmen und pragmatische Lösungen. Der SPD-Innenpolitiker Helge Lindh sagte, dass sich viele Menschen in Deutschland niederlassen und integrieren wollten, sei „ein Kompliment für dieses Land“. Es sei Zeit, mit der „verkrampften Einwanderungsund Asylpolitik“aufzuhören, forderte der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion.
Der Gesetzentwurf hält im Grundsatz daran fest, dass nur dann ein Aufenthaltstitel erteilt werden soll, wenn die Identität geklärt ist. Er bietet diese Möglichkeit jedoch auch dann, wenn ein Ausländer „die erforderlichen und ihm zumutbaren Maßnahmen für die Identitätsklärung ergriffen“hat.