Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Grünen geht der Rückgang des Antibiotika-Einsatzes nicht weit genug
Einsatz in der Tierhaltung seit elf Jahren um zwei Drittel gesunken – Schärfere Regeln in Planung – Die Union befürchtet mehr Bürokratie für Tierärzte
BERLIN - Auf Feldern und in Ställen werden zu viele Antibiotika eingesetzt, bemängeln Tier- und Verbraucherschützer seit Langem. Auch in der Kontroverse um die umstrittenen Aussagen des Schauspielers und Aktivisten Hannes Jaenicke spielt der Einsatz von Medikamenten in der Tierhaltung eine Rolle. Der Bundestag hat nun beschlossen, besser zu erfassen, wo Antibiotika überall verabreicht werden und deren Einsatz dauerhaft zu senken.
„Antibiotikaresistenzen sind eines der größten Gesundheitsprobleme unserer Zeit“, sagt Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne). Zu Recht werde bei Antibiotikaresistenzen auch von einer ‚stillen Pandemie‘ gesprochen. „Damit wir auch in Zukunft Krankheiten bei Mensch und Tier wirkungsvoll behandeln können, müssen wir den Einsatz von Antibiotika dauerhaft senken“, sagt Özdemir – mit dem neuen Tierarzneimittelgesetz würde man hierbei einen großen Schritt vorankommen.
Das Gesetz sieht ein Reduktionsziel von 50 Prozent weniger Antibiotika vor und richtet sich damit auch nach Vorgaben aus Brüssel und der
Farm-to-fork-Strategie (vom Bauernhof zur Gabel), mit der die EU-Kommission die Landwirtschaft nachhaltiger gestalten will. Sofern der Bundesrat zustimmt, müssen Tierärzte ab 2023 die Anwendung von Antibiotika bei sämtlichen Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten melden. Bislang waren unter anderem Milchkühe und Legehennen davon ausgenommen. Außerdem schreibt das Gesetz vor, dass bestimmte Wirkstoffe nur noch so selten wie möglich zum Einsatz kommen dürfen.
Neu ist auch, dass Behörden vor Ort künftig gesetzlich dazu verpflichtet werden, Maßnahmen zu ergreifen, wenn das zur Verringerung des Antibiotikaeinsatzes in einem
Bauernhof erforderlich sei. „Wenn ein tierhaltender Betrieb deutlich mehr Antibiotika anwendet als der Großteil vergleichbarer Betriebe“, sagt Özdemir, „dann ist das schon ein klarer Hinweis darauf, dass es Defizite in der Form der Tierhaltung gibt“.
Die Opposition befürchtet allerdings, wie Steffen Bilger (CDU) der „Schwäbischen Zeitung“sagt, dass das Gesetz zu Rechtsunsicherheiten, mehr Bürokratie und Mehrkosten für Tierärzte und -halter führen werde. „Wegen immer mehr Dokumentationspflichten haben die Tierärzte künftig noch weniger Zeit für die Betreuung der Tierbestände“, so der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag. Das schade dem Tierwohl.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) befürwortet einen „One Health“-Ansatz, „der die Eindämmung von Antibiotika-Resistenzen bei Mensch, Tier und Umwelt gesamthaft in den Blick nimmt“. DBV-Präsident Joachim Rukwied betont aber auch, dass der Einsatz von Antibiotika seit Jahren massiv sinke – seit 2011 sei er um zwei Drittel verringert worden. „Aber eins ist auch klar“, sagt Rukwied: „Kranke Tiere, egal ob Hunde, Katzen oder Kühe, müssen natürlich behandelt werden.“