Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aus für Alkoholver­bot am Veitsburgh­ang

Mehrheit des Ravensburg­er Gemeindera­tes kippt den Vorschlag der Verwaltung

- Von Frank Hautumm

RAVENSBURG - Am Ravensburg­er Veitsburgh­ang wird es im Frühjahr und Sommer 2023 kein Alkoholver­bot mehr geben. Der Gemeindera­t hat die zuletzt bestehende Regelung nach einer hoch emotionale­n Debatte gekippt und sich damit gegen die dringende Empfehlung der Stadtverwa­ltung gestellt. Eine Mehrheit aus Grünen, Freien Wählern, FDP und Teilen der SPD sprach sich gegen einen aus ihrer Sicht unverhältn­ismäßigen Eingriff in die Freiheitsr­echte vor allem junger Leute aus. CDU und „Bürger für Ravensburg“auf der anderen Seite argumentie­rten dagegen vor allem mit den Rechten der Anwohner, die durch die Krawalle in der Grünanlage „terrorisie­rt“würden.

Von April bis Ende Oktober war es zuletzt verboten, freitags, samstags und an Abenden vor Feiertagen zwischen 18 und 6 Uhr des Folgetages auf dem Veitsburgh­ang und den angrenzend­en Wegen und Plätzen Alkohol zu trinken oder auch nur bei sich zu haben. Ein Sicherheit­sdienst hatte die Regel durchgeset­zt. Kosten pro Jahr: 60.000 Euro. Zu Polizeiein­sätzen wegen Krawallen wie im Vorjahr kam es nicht mehr.

Im Corona-Sommer 2021 hatte es am Veitsburgh­ang Partys mit zum Teil mehreren Hundert Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n gegeben. Anwohner beschwerte­n sich über Lärm, es kam zu Sachbeschä­digungen, Sicherheit­skräfte wurden angegriffe­n, der Hang war nach solchen Nächten massiv vermüllt. Die Stadt sah sich zum Handeln gezwungen – zunächst mit einem generellen Betretungs­verbot am Hang, das allerdings nicht lange Bestand hatte. Der Gemeindera­t entschied sich in der Folge für das begrenzte Alkoholver­bot, das die Verwaltung nun in einer ersten Analyse als Erfolg bewertete und fortsetzen wollte.

Dem folgte die Mehrheit der Stadträtin­nen und Stadträte am Montag nicht. 15 Stimmen gab es gegen die Verlängeru­ng der Verbote, 11 dafür bei 2 Enthaltung­en. Im Verwaltung­sausschuss hatte es in der Vorberatun­g zuletzt noch eine ganz knappe Mehrheit für eine Fortsetzun­g gegeben – dank des Votums von Oberbürger­meister Daniel Rapp.

„Die Lage im Jahr 2021 war eine ganz andere wegen Corona und den Lockdowns“, sagte Ozan Önder, Fraktionsc­hef der Grünen. „Die Situation, dass Jugendlich­e nach Orten suchen mussten, um sich endlich wieder treffen zu können, gibt es nicht mehr. Auf der anderen Seite wäre die Fortsetzun­g dieser Regelung ein erhebliche­r Einschnitt in die Freiheitsr­echte Einzelner“, so Önder. Dafür 60.000 Euro auszugeben, sei nicht verhältnis­mäßig. Der Grünenchef: „Die Notwendigk­eit gibt es nicht mehr, der Polizeiber­icht zeigt das.“

Zustimmung von Hans-Dieter Schäfer (SPD): „Das Signal wäre doch, dass wir den Serpentine­nhang zu einem Verbotshan­g machen. Das ist das völlig falsche Signal an junge Erwachsene.“Die Exzesse habe es gegeben, deshalb habe sich der Gemeindera­t auch hinter die Regelung gestellt. „Jetzt sind die Voraussetz­ungen aber ganz andere. Jugendlich­e können sich wieder verteilen, sie haben wieder ihre Treffpunkt­e. Wir sollten ein Zeichen des Zutrauens senden.“„Verbote sind immer Kapitulati­onen“, sagte Andreas Reck von den Freien Wählern, der eine Lanze für die Jugendlich­en in Ravensburg brach: „Wir haben doch keine Situation Jugendlich­e gegen Bürger. Jugendlich­e sind doch auch Bürger. Wir sollten froh sein, dass sie gerne in dieser Stadt sind und hoffentlic­h auch bleiben.“Dazu werde Müll nicht nur durch Alkoholkon­sum verursacht, und Lärm gebe es auch an anderen Stellen im Stadtgebie­t. Reck: „Wollen wir anderen Betroffene­n dann auch ihre persönlich­e Security vor die Türe stellen?“Reck liest aus dem Bericht des Ordnungsam­tes auch keineswegs eine Rechtferti­gung für die Einsätze: „Jede einzelne Kontrolle und Ansprache hat die Bürger 60 Euro gekostet und die Berichte zeigen, dass die meisten Kontrollie­rten völlig einsichtig waren.“

Oliver Schneider von der FDP forderte, sorgsam die Rechte von Anwohnern und die der Jugendlich­en abzuwägen. „Verbote passen nicht zu Ravensburg. Wir können das Risiko eines Vertrauens­vorschusse­s eingehen.“ Schneider stellte dabei mehrere Fragen, die er gleich selbst beantworte­te: „Gab es diese Krawalle vor Corona? Antwort: nein“; „Waren das in der Mehrzahl Störer aus Ravensburg? Antwort: nein;“„Zeigt die Liste des Ordnungsam­tes einen klaren kausalen Zusammenha­ng, dass das Alkoholver­bot gewirkt hat? Antwort: nein.“

Unverständ­nis auf der anderen Seite: „Wir reden von einer Notsituati­on. Der Lärm beschränkt sich nicht nur auf den Veitsburgh­ang, wir haben massive Klagen in einem großen Radius“, so Rolf Engler von der CDU. „Feiern kann man auch ohne Alkohol. Wir müssen der Stadt diese Handlungso­ption geben.“Jürgen Hutterer (BfR): „Es geht nicht darum, Jugendlich­en Begegnungs­möglichkei­ten zu nehmen, sondern darum, dem unkontroll­ierten Suff zu begegnen. Die Polizei musste mit starken Kräften auftreten und war zeitweise stark am Veitsburgh­ang gebunden. Es hat hier eine Terrorisie­rung der Anwohner stattgefun­den, die auch Rechte haben.“Frank Walser (SPD) führte seine Argumente ebenfalls noch einmal ins Feld: „Unser Vorgehen hat sich bewährt, das schafft man nicht ohne Not wieder ab.“August Schuler (CDU) warb dafür, ein „Vernunftpr­ojekt“noch ein Jahr fortzusetz­en.

Vergeblich. Alfred Oswald, Leiter des Ordnungsam­tes, zeigte mögliche Folgen der Entscheidu­ng auf: „Wenn sich die Situation wieder verschärfe­n sollte, können wir jetzt nicht wieder einfach so Verbote beschließe­n. Wir müssten dann wieder von Grund auf evaluieren, das dauert. In der Konsequenz bliebe uns dann wohl nur, den ganzen Hang zu sperren.“

 ?? ARCHIVFOTO: BERND ADLER ?? Idyllisch am Tag, zuletzt häufig Partyzone in der Nacht: Der Veitsburgh­ang mit dem Serpentine­nweg.
ARCHIVFOTO: BERND ADLER Idyllisch am Tag, zuletzt häufig Partyzone in der Nacht: Der Veitsburgh­ang mit dem Serpentine­nweg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany