Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Aus für Alkoholverbot am Veitsburghang
Mehrheit des Ravensburger Gemeinderates kippt den Vorschlag der Verwaltung
RAVENSBURG - Am Ravensburger Veitsburghang wird es im Frühjahr und Sommer 2023 kein Alkoholverbot mehr geben. Der Gemeinderat hat die zuletzt bestehende Regelung nach einer hoch emotionalen Debatte gekippt und sich damit gegen die dringende Empfehlung der Stadtverwaltung gestellt. Eine Mehrheit aus Grünen, Freien Wählern, FDP und Teilen der SPD sprach sich gegen einen aus ihrer Sicht unverhältnismäßigen Eingriff in die Freiheitsrechte vor allem junger Leute aus. CDU und „Bürger für Ravensburg“auf der anderen Seite argumentierten dagegen vor allem mit den Rechten der Anwohner, die durch die Krawalle in der Grünanlage „terrorisiert“würden.
Von April bis Ende Oktober war es zuletzt verboten, freitags, samstags und an Abenden vor Feiertagen zwischen 18 und 6 Uhr des Folgetages auf dem Veitsburghang und den angrenzenden Wegen und Plätzen Alkohol zu trinken oder auch nur bei sich zu haben. Ein Sicherheitsdienst hatte die Regel durchgesetzt. Kosten pro Jahr: 60.000 Euro. Zu Polizeieinsätzen wegen Krawallen wie im Vorjahr kam es nicht mehr.
Im Corona-Sommer 2021 hatte es am Veitsburghang Partys mit zum Teil mehreren Hundert Jugendlichen und jungen Erwachsenen gegeben. Anwohner beschwerten sich über Lärm, es kam zu Sachbeschädigungen, Sicherheitskräfte wurden angegriffen, der Hang war nach solchen Nächten massiv vermüllt. Die Stadt sah sich zum Handeln gezwungen – zunächst mit einem generellen Betretungsverbot am Hang, das allerdings nicht lange Bestand hatte. Der Gemeinderat entschied sich in der Folge für das begrenzte Alkoholverbot, das die Verwaltung nun in einer ersten Analyse als Erfolg bewertete und fortsetzen wollte.
Dem folgte die Mehrheit der Stadträtinnen und Stadträte am Montag nicht. 15 Stimmen gab es gegen die Verlängerung der Verbote, 11 dafür bei 2 Enthaltungen. Im Verwaltungsausschuss hatte es in der Vorberatung zuletzt noch eine ganz knappe Mehrheit für eine Fortsetzung gegeben – dank des Votums von Oberbürgermeister Daniel Rapp.
„Die Lage im Jahr 2021 war eine ganz andere wegen Corona und den Lockdowns“, sagte Ozan Önder, Fraktionschef der Grünen. „Die Situation, dass Jugendliche nach Orten suchen mussten, um sich endlich wieder treffen zu können, gibt es nicht mehr. Auf der anderen Seite wäre die Fortsetzung dieser Regelung ein erheblicher Einschnitt in die Freiheitsrechte Einzelner“, so Önder. Dafür 60.000 Euro auszugeben, sei nicht verhältnismäßig. Der Grünenchef: „Die Notwendigkeit gibt es nicht mehr, der Polizeibericht zeigt das.“
Zustimmung von Hans-Dieter Schäfer (SPD): „Das Signal wäre doch, dass wir den Serpentinenhang zu einem Verbotshang machen. Das ist das völlig falsche Signal an junge Erwachsene.“Die Exzesse habe es gegeben, deshalb habe sich der Gemeinderat auch hinter die Regelung gestellt. „Jetzt sind die Voraussetzungen aber ganz andere. Jugendliche können sich wieder verteilen, sie haben wieder ihre Treffpunkte. Wir sollten ein Zeichen des Zutrauens senden.“„Verbote sind immer Kapitulationen“, sagte Andreas Reck von den Freien Wählern, der eine Lanze für die Jugendlichen in Ravensburg brach: „Wir haben doch keine Situation Jugendliche gegen Bürger. Jugendliche sind doch auch Bürger. Wir sollten froh sein, dass sie gerne in dieser Stadt sind und hoffentlich auch bleiben.“Dazu werde Müll nicht nur durch Alkoholkonsum verursacht, und Lärm gebe es auch an anderen Stellen im Stadtgebiet. Reck: „Wollen wir anderen Betroffenen dann auch ihre persönliche Security vor die Türe stellen?“Reck liest aus dem Bericht des Ordnungsamtes auch keineswegs eine Rechtfertigung für die Einsätze: „Jede einzelne Kontrolle und Ansprache hat die Bürger 60 Euro gekostet und die Berichte zeigen, dass die meisten Kontrollierten völlig einsichtig waren.“
Oliver Schneider von der FDP forderte, sorgsam die Rechte von Anwohnern und die der Jugendlichen abzuwägen. „Verbote passen nicht zu Ravensburg. Wir können das Risiko eines Vertrauensvorschusses eingehen.“ Schneider stellte dabei mehrere Fragen, die er gleich selbst beantwortete: „Gab es diese Krawalle vor Corona? Antwort: nein“; „Waren das in der Mehrzahl Störer aus Ravensburg? Antwort: nein;“„Zeigt die Liste des Ordnungsamtes einen klaren kausalen Zusammenhang, dass das Alkoholverbot gewirkt hat? Antwort: nein.“
Unverständnis auf der anderen Seite: „Wir reden von einer Notsituation. Der Lärm beschränkt sich nicht nur auf den Veitsburghang, wir haben massive Klagen in einem großen Radius“, so Rolf Engler von der CDU. „Feiern kann man auch ohne Alkohol. Wir müssen der Stadt diese Handlungsoption geben.“Jürgen Hutterer (BfR): „Es geht nicht darum, Jugendlichen Begegnungsmöglichkeiten zu nehmen, sondern darum, dem unkontrollierten Suff zu begegnen. Die Polizei musste mit starken Kräften auftreten und war zeitweise stark am Veitsburghang gebunden. Es hat hier eine Terrorisierung der Anwohner stattgefunden, die auch Rechte haben.“Frank Walser (SPD) führte seine Argumente ebenfalls noch einmal ins Feld: „Unser Vorgehen hat sich bewährt, das schafft man nicht ohne Not wieder ab.“August Schuler (CDU) warb dafür, ein „Vernunftprojekt“noch ein Jahr fortzusetzen.
Vergeblich. Alfred Oswald, Leiter des Ordnungsamtes, zeigte mögliche Folgen der Entscheidung auf: „Wenn sich die Situation wieder verschärfen sollte, können wir jetzt nicht wieder einfach so Verbote beschließen. Wir müssten dann wieder von Grund auf evaluieren, das dauert. In der Konsequenz bliebe uns dann wohl nur, den ganzen Hang zu sperren.“