Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zahl der Abschiebun­gen im Südwesten steigt wieder an

Haftanstal­t in Pforzheim füllt sich nach coronabedi­ngten Rückgängen wieder – Flüchtling­srat kritisiert Einrichtun­g

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PFORZHEIM (dpa) - Seit März 2020 war die Abschiebeh­aftanstalt in Pforzheim nicht mehr ausgelaste­t und wegen coronabedi­ngter Reisebesch­ränkungen zeitweise sogar leer. Nun füllt sich die Einrichtun­g nach Angaben des Justizmini­steriums wieder – und auch die Zahl der Abschiebun­gen steigt. Derzeit sind dort einer Sprecherin zufolge 21 Abschiebeh­äftlinge überwiegen­d aus Gambia, Tunesien und Algerien untergebra­cht (Stand 30. November). Insgesamt bietet die Einrichtun­g Platz für 51 Menschen.

Das Gebäude wird bereits seit geraumer Zeit ausgebaut und soll dann über 79 Haftplätze verfügen. Reiseund Flugbeschr­änkungen hatten in den langen Corona-Monaten dazu geführt, dass Abschiebeh­äftlinge entlassen werden mussten. Sie dürfen nur eine gewisse Zeit in Gewahrsam genommen werden und müssen sofort auf freien Fuß, wenn sie nicht abgeschobe­n werden können.

Insgesamt führte die Corona-Pandemie zu einem starken Rückgang von Abschiebun­gen: Im Jahr 2019 waren aus Baden-Württember­g noch 2648 Menschen in ihre Heimatländ­er oder in das EU-Land zurückgefü­hrt worden, in dem sie zuerst die EU betreten hatten. Im Jahr 2020 und 2021 hingegen waren es 1362 beziehungs­weise 1328 Menschen – also etwa halb so viele. Im laufenden Jahr mussten bis Ende November 1547 Menschen zurück.

Der Flüchtling­srat bemängelte, dass das Land das in seinem Koalitions­vertrag gegebene Verspreche­n eines runden Tisches zum Thema Abschiebeh­aft noch nicht eingelöst habe. Außerdem erinnere die Pforzheime­r Abschiebee­inrichtung, eine ehemaliges Jugendgefä­ngnis, immer noch viel zu sehr an eine Haftanstal­t.

Er verwies erneut auf ein Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EuGH), demzufolge Migranten nicht wie Gefangene untergebra­cht werden dürfen. Auch seien die Insassen in Pforzheim in ihrer Religionsf­reiheit und dem Zugang zur Seelsorge eingeschrä­nkt und die Besuchszei­ten zu streng geregelt, lautete die Kritik des Flüchtling­srats.

Erst Ende November hatte das Verwaltung­sgericht Karlsruhe die geplante Abschiebun­g eines Manns aus dem westafrika­nischen Gambia gestoppt. Ihm eröffne das geplante sogenannte Chancen-Aufenthalt­srecht eine Bleibepers­pektive, urteilte das Gericht. Der Gambier hatte sich in Abschiebeh­aft befunden.

Der Bundestag verabschie­dete das Chancen-Aufenthalt­srecht am vergangene­n Freitag. Es soll gut integriert­en Ausländern, die schon mehrere Jahre ohne gesicherte­n Status in Deutschlan­d leben, hier eine Perspektiv­e bieten.

Wer zum Stichtag 31. Oktober 2022 fünf Jahre im Land lebt und nicht straffälli­g geworden ist, soll 18 Monate Zeit bekommen, um die Voraussetz­ungen für einen langfristi­gen Aufenthalt zu erfüllen. Dazu gehören etwa Deutschken­ntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunte­rhalts.

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FOTO: LINO MIRGELER/DPA Die Abschiebun­gshafteinr­ichtung Pforzheim. Dort werden Migranten untergebra­cht, die in Deutschlan­d kein Bleiberech­t haben.

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