Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bremse für Abzocker geplant

Missbrauch­sklausel soll nicht gerechtfer­tigte Preise für Gas und Strom verhindern

- Von Sascha Meyer

BERLIN (dpa) - Die Gas- und Strompreis­bremse soll Millionen Kundinnen und Kunden im neuen Jahr dringend benötigte Entlastung bringen – doch sie ist ein Kriseninst­rument, das auch ausgenutzt werden kann. Die Bundesregi­erung will verhindern, dass Energiever­sorger im Schatten der Staatshilf­e mit überzogene­n Tarifsprün­gen Kasse machen. Dazu sollen Preisanheb­ungen bis Ende 2023 unterbunde­n werden, die sich nicht durch höhere Beschaffun­gskosten rechtferti­gen lassen.

Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) sagte am Sonntag: „Erst mal gehe ich davon aus, dass alle natürlich sich ans Gesetz halten und in der Notsituati­on, in der wir uns befinden, nur die wirklich notwendige­n Preise an die Verbrauche­rinnen und die Verbrauche­r weitergebe­n.“Falls aber überlegt werden sollte, da „eine Grauzone auszuteste­n“, sei die vorgesehen­e Missbrauch­sklausel im Gesetz aber sicherlich „ein deutliches Instrument“, dagegen vorzugehen.

Greifen sollen die Preisbrems­en ab März, vorgesehen ist auch schon eine rückwirken­de Entlastung ab Januar. Um Missbrauch einen Riegel vorzuschie­ben, sollen den Entwürfen zufolge im gesamten Jahr 2023 Preisanheb­ungen verboten sein – es sei denn, Versorger weisen nach, „dass die Erhöhung sachlich gerechtfer­tigt ist“, etwa wegen „marktbasie­rter Preis- und Kostenentw­icklungen“. Es sei also nicht jede Erhöhung automatisc­h illegal, erläuterte das Ministeriu­m – sondern Anhebungen, die „missbräuch­lich und ungerechtf­ertigt“sind.

Hintergrun­d ist, dass die Preisbrems­en nur einen Teil des Verbrauchs erfassen sollen. Für Haushalte soll eine Grundmenge von 80 Prozent des bisherigen Verbrauchs staatlich subvention­iert werden – gedeckelt auf 12 Cent pro Kilowattst­unde für Gas und 40 Cent bei Strom. Darüber hinaus gelten weiter aktuelle, hohe Marktpreis­e. Daher sollen „Verhaltens­spielräume auf Anbieterse­ite“eingegrenz­t werden, wie es in den Entwürfen heißt. Sprich: Dass Versorger Preise stärker in die Höhe treiben, weil der Staat sie ja ohnehin herunterdr­ückt. Die Kunden bekämen das im „ungebremst­en“Verbrauchs­teil zu spüren.

Dabei flattern in vielen Haushalten schon Schreiben von Anbietern mit Tariferhöh­ungen für 2023 herein. Das habe es häufiger zum Jahresende gegeben, erläuterte ein Ministeriu­mssprecher. Grund seien gesetzlich­e Fristen: Wenn Preisanheb­ungen von

Januar an kommen sollen, müssten sie vier bis sechs Wochen vorher angekündig­t werden. Sie würden nun auch schon direkt von den geplanten Bremsenreg­eln erfasst: Was die Höhe angehe, könnten tatsächlic­he Beschaffun­gskosten weitergege­ben werden, nicht aber darüber hinausgehe­nde missbräuch­liche Steigerung­en.

Eine Welle mit teils deutlichen Erhöhungen zum Jahresbegi­nn zeichnet sich bereits ab, wie Vergleichs­portale und Verbrauche­rschützer beobachten. Die Chefin des Bundes der Energiever­braucher, Leonora Holling, sagte der „Bild“-Zeitung: „Wir raten Verbrauche­rn, Widerspruc­h einzulegen.“Die geplanten Erhöhungen stünden nicht im Verhältnis zur Preisentwi­cklung an der Börse.

CDU-Bundesvize Andreas Jung sagte dem „Tagesspieg­el“, die Bremsen sollten Bürgern und Betrieben durch die Krise helfen, „nicht aber Bilanzen von Versorgern aufbessern“. Konkret zielt das von der Regierung geplante Missbrauch­sverbot auf die Arbeitspre­ise – also die Cent pro Kilowattst­unde je nach Verbrauch.

„Der Arbeitspre­is multiplizi­ert mit Ihrem Jahresverb­rauch wird zum Grundpreis addiert und ergibt so Ihren Abrechnung­sbetrag auf der Jahresrech­nung“, heißt es in einer grundsätzl­ichen Erläuterun­g der Bundesnetz­agentur.

Habeck verwies auch auf ein geplantes „schärferes Schwert, als wir es sonst kennen“, bei möglichen Verfahren vor dem Bundeskart­ellamt: Laut den Gesetzentw­ürfen muss nicht das Amt beweisen, dass ein Missbrauch vorliegt – sondern die Unternehme­n müssten belegen, dass dies nicht der Fall ist. Das Kartellamt soll Versorger auch verpflicht­en können, missbräuch­liches Handeln abzustelle­n oder Geldsankti­onen zu zahlen.

Die Energiebra­nche unterstütz­t ein Missbrauch­sverbot. „Es darf nicht passieren, dass einzelne Unternehme­n die Krise ausnutzen“, sagte die Chefin des Bundesverb­ands der Energie- und Wasserwirt­schaft, Kerstin Andreae. Angemessen­e Anpassunge­n müssten aber weiterhin möglich sein, wozu man in den Entwürfen auch keinen Widerspruc­h sehe.

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FOTO: MORITZ FRANKENBER­G/DPA Energiever­sorger müssen laut den Plänen des Wirtschaft­sministeri­ums begründen, warum Preiserhöh­ungen gerechtfer­tigt sind.

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