Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Zunft der Lebküchler wird immer kleiner
Das süße Gebäck mit Nüssen und Gewürzen hat eine lange Geschichte
Heilender Honig sollte auch Dämonen vertreiben.
Honigkuchen als Vorläufer unserer Lebkuchen sind aber viel älter: Schon um 1500 v. Chr. hatten die Ägypter ihren Toten Honigbrot als Wegzehrung in die Unterwelt mitgegeben, wie Archäologen herausfanden. Der erste schriftliche Hinweis auf einen Honigkuchen stammt aus dem Jahr 350 v. Christus.
Heute ist die heilsgeschichtliche Bedeutung des verbackenen Honigs vergessen. Braune Lebkuchen aus Mehl und Honig, mit Schokoladenüberzug oder mit Zuckerguss glasiert, mit Mandeln verziert und in Herzform gestochen, werden auch ganzjährig auf Volksfesten angeboten. Doch für einen originalen Lebkuchen gibt es Regeln: Der Teig für Oblaten-Lebkuchen darf nicht mehr als zehn Prozent Mehl enthalten. Er besteht vor allem aus Walnüssen, Haselnüssen und Mandeln. ElisenLebkuchen sind besonders verfeinerte Oblatenlebkuchen, die ein
Nürnberger Fabrikant einst nach seiner Tochter benannt haben soll.
Sie alle sind Produkte der alten europäischen Handelsstraßen und ihrer Knotenpunkte: Ulm, Nürnberg, München, Köln, Basel und Aachen, wo teure exotische Gewürze wie Pfeffer, Kardamom, Zimt, Anis, Koriander und Nelken umgesetzt wurden. Da im Mittelalter der Pfeffer als Synonym für alle Gewürze galt, findet sich 1296 in Ulm die Bezeichnung Pfefferkuchen.
Im sächsischen Weißenberg widmet sich das Museum Alte Pfefferküchlerei der Kulturgeschichte des Lebkuchens. Europaweit ist es nach eigenen Angaben das älteste und einzige museal genutzte Denkmal der Produktionsgeschichte des Pfefferküchlerhandwerks, bevor dieses im 19. Jahrhundert von der industriellen Süßwarenproduktion abgelöst wurde. Als Lebkuchen ist das Honiggebäck 1409 in einer fränkischen Handschrift nachgewiesen. Ob sich die Silbe „Leb“vom Brot-„Laib“herleitet oder vom mittellateinischen Wort „libum“für „Fladen“, ist unklar. Bayern und Österreicher nennen ihre Lebkuchen traditionell „Zelten“– nach dem mittelhochdeutschen Wort „zelte“für kleine flache Kuchen und Brote.
Aus Dinant in Belgien übernahmen die Aachener Bäcker im 15. Jahrhundert neue Lebkuchenrezepte. 1820 dann entwickelten sie die „Aachener Printen“: rechteckige flache Lebkuchen mit winzigen Kandisstückchen. Zur Lebkuchen-Metropole aber stieg Nürnberg auf. In dem riesigen Reichswald rund um die Stadt hegten die Waldimker ihre Wildbienen, die den Honig für das „panis piperatus“(Pfefferkuchen) der Mönche lieferten.
Im 16. Jahrhundert entstand aus der Lebküchlerei ein echtes Gewerbe mit den Zentren Aachen, Nürnberg, Braunschweig und Pulsnitz/ Oberlausitz. Hundert Jahre später, mitten im Dreißigjährigen Krieg, gründeten 14 Nürnberger Lebküchler
1643 eine eigene Zunft mit Geheimhaltungsregeln. Bis ins Jahr 1610 führt der Konditor und Lebküchler Hans Hipp die Tradition seines Hauses in Pfaffenhofen an der Ilm zurück. „Es gibt nur noch wenige Lebküchler“, sagt er. Er backt mit Lagerteig, der neun Monate lagert: „Honig macht haltbar.“Honigzelten verkauft er nach den Rezepten seines Großvaters Joseph, auf den auch die HippBabykost zurückgeht.
Absatz und Produktion der Lebkuchen gingen zwischen 2009 und 2012 zurück und verharren seitdem auf niedrigerem Niveau. „Alles, was brauchtumsbezogen ist, lässt sich heute schwer vermitteln“, glaubt Hipp. In seinem kleinen Privatmuseum lagern auch noch traditionelle Lebkuchen-Modeln, also Teigformen. Sie erzählen eine vielfältige Kulturgeschichte, denn der Lebkuchen entwickelte sich zum Festgebäck quer durch die Epochen. Aus der Weihnachtszeit aber sind sie auch heute nicht wegzudenken.