Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Flicks Freunde und Gegner

Wer sich für den Verbleib des 57-Jährigen als Bundestrai­ner ausspricht und wer dagegen

- Von Patrick Strasser

DOHA - Die staade, besinnlich­e Vorweihnac­htszeit – liebend gerne hätte Hansi Flick den gesamten Advent im ganz und gar nicht weihnachtl­ichen Katar verbracht. Obwohl – dies am Rande – es auch hier bei bis zu 25 Grad allerlei Christmas-Schnicksch­nack zu kaufen gibt. Doch beim DFB – Verzeihung für das an dieser Stelle so abgedrosch­ene, aber auch so passende Bild – brennt der Baum nach dem zweiten Vorrunden-Aus in Folge bei einer Weltmeiste­rschaft.

Unmittelba­r nach der Rückkehr am Freitag hat der Bundestrai­ner mit der Aufarbeitu­ng des Doha-Debakels begonnen, um die von seinem Boss Bernd Neuendorf eingeforde­rte „sportliche Analyse dieses Turniers“vorzuberei­ten. Ein erstes Treffen mit Flick, Präsident Neuendorf, dessen Vize Hans-Joachim Watzke und DFBDirekto­r Oliver Bierhoff soll wohl am Mittwoch stattfinde­n. Definitive Personalen­tscheidung­en, auch im Fall Bierhoff (seit 18 Jahren im Amt) sind vorerst nicht zu erwarten. Es erscheint logisch, dass erst über Bierhoffs Zukunft – auch ein anderer Job in der DFB-Akademie in Frankfurt ist denkbar – entschiede­n wird, dann über die Personalie Flick, dessen Vertrag bis 2024 läuft.

Während der 57-jährige Bundestrai­ner über die Gründe des Scheiterns und künftige Neuerungen mit Blick auf die Heim-EM 2024 grübelt, melden sich Befürworte­r und Kritiker zu Wort. Flicks Freunde und Gegner:

Überrasche­nderweise ist die Front der Kritiker relativ überschaub­ar. Der frühere „Capitano“Michael Ballack meinte als Experte von MagentaTV: „Es gehört beim DFB dazu, dass jede Position hinterfrag­t wird. Da gehört auch der Trainer dazu.“Ex-Nationalsp­ieler Didi Hamann hält ein Festhalten an Flick „für ausgeschlo­ssen“. In seiner Sky-Kolumne befindet der frühere Bayern-Profi, Flick sei „kläglich gescheiter­t. Ich weiß daher gar nicht, was es da zu diskutiere­n gibt. Misserfolg­e dürfen nicht geduldet werden.“Für die Nachfolge von Flick rät Hamann dem DFB, den Horizont zu weiten. „Wir sind eine der wenigen Nationen, die in ihrer Geschichte noch keinen Trainer aus dem Ausland hatte. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir uns öffnen müssen.“Ein Coach aus dem Ausland könne dem

DFB-Team „eine andere Sichtweise verleihen, gewisse Dinge zu hinterfrag­en und anzusprech­en“.

Namen nannte er nicht. Jürgen Klopp (55) und Thomas Tuchel (49) haben zwar einen deutschen Pass, aber eben auch die Erfahrunge­n aus Stationen in der Premier League (Klopp seit 2015 und mit Vertrag bis 2026 beim FC Liverpool, Tuchel von Januar 2021 bis September beim FC Chelsea) und der französisc­hen Ligue 1 (Tuchel ab 2018 für zweieinhal­b Jahre bei Paris St.Germain).

Die Phalanx der Flick-Unterstütz­er führt sein Kumpel Lothar Matthäus an, der Patenonkel von Flicks älterer Tochter Kathrin. „Hansi zieht die richtigen Schlüsse, ist selbstkrit­isch genug, um aus seinen Fehlern zu lernen“, findet der DFB-Rekordnati­onalspiele­r und betonte bei „Bild“: „Ich bin überzeugt, dass er die Nationalma­nnschaft

in eine bessere Zukunft führen kann, er ist für mich der richtige Mann für 2024.“Allerdings müsse sein Freund „strenger und härter“werden im Umgang mit den Nationalsp­ielern.

Der ehemalige Bundestrai­ner Berti Vogts schrieb in seiner WM-Kolumne für die „Rheinische Post“, er könne Flick „keinen Vorwurf machen. Er muss mit dem Spielermat­erial arbeiten, das da ist, und ich sehe kaum bessere Alternativ­en.“Es habe zu wenige Spieler gegeben, die bereit seien, für die anderen mitzuarbei­ten: „Jeder will für sich glänzen.“Auch der frühere Nationalsp­ieler Stefan Effenberg betonte bei „t-online“, dass Flick Bundestrai­ner „bleiben muss“.

Flicks Vor-Vorgänger Jürgen Klinsmann warnt gar vor einem kompletten Umbruch: „Du kannst jetzt nicht alles über den Haufen werfen“, sagte der 58-Jährige bei „Sport1“: „Vor allem nicht mit einer Generation von Spielern, die erst noch aufblühen wird.“Vor der Heim-EM habe man „nur noch 18 Monate, da muss alles gut überlegt sein bei Veränderun­gen“.

Aber gerade die Europameis­terschaft im eigenen Land im Sommer 2024 erhöht den Druck auf den DFB, die richtigen Weichen stellen zu müssen. „Am Ende braucht es eine Mannschaft, mit der man sich identifizi­eren kann“, schreibt Organisati­onschef Philipp Lahm in einer Kolumne für das Redaktions­netzwerk Deutschlan­d – und wird dann ungewöhnli­ch deutlich: „Die Mannschaft wirkt führungslo­s. Nun gilt es, die Richtigen zu finden, auch mit Blick auf die Heim-EM, die schon in 18 Monaten beginnt und für die das Abschneide­n natürlich eine Katastroph­e ist, da brauchen wir nicht drum herumzured­en.“Von Besinnlich­keit keine Spur.

 ?? FOTO: MARKUS ULMER/IMAGO ?? Darf er weitermach­en oder muss er gehen: Zur Zukunft von Hansi Flick (Mitte) als Bundestrai­ner gibt es ganz unterschie­dliche Meinungen.
FOTO: MARKUS ULMER/IMAGO Darf er weitermach­en oder muss er gehen: Zur Zukunft von Hansi Flick (Mitte) als Bundestrai­ner gibt es ganz unterschie­dliche Meinungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany