Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Tänzer van Gaal lacht zuletzt

Die Niederland­e sehen sich reif für große Taten – Keine Angst vor berühmten Namen

- Von Tom Bachmann, Christian Kunz und Jan Mies

AL-RAJJAN (dpa) - Diesen Moment wollte Louis van Gaal unbedingt für die Nachwelt festhalten. So elegant, wie es mit seinen 71 Jahren eben geht, tanzte der Bondscoach zum ShakiraHit „Waka, Waka“durch die HotelLobby, knuddelte einige Angestellt­e und grinste dabei wie ein kleines Kind in der Süßwarenab­teilung im Supermarkt. Die wilde Party filmte van Gaal mit seinem Handy, als wolle er Erinnerung­en für die Zeit nach dieser WM speichern, wenn seine Ära als Trainer der Niederland­e endgültig vorbei ist.

Der Auslöser für diese herrlich anzuschaue­nde Oranje-Rückkehr ins Teamhotel St. Regis am Persischen Golf war ein souveränes 3:1 im Achtelfina­le gegen die USA, das nun am Freitag in der Runde der letzten Acht mit dem WM-Klassiker gegen Argentinie­n zusätzlich belohnt wird. Van Gaals Mannschaft spielte immer noch nicht schön, wie von prominente­n Ex-Profis in der Heimat gefordert. Doch sie zeigte etwas, was ungleich wertvoller ist: Titelreife.

Der Taktiker van Gaal ließ die ebenso mutig wie naiv spielenden US-Boys derart eiskalt in die Falle tappen, es muss ihm ein Fest gewesen sein. Allein der erste Treffer, der nach einer Folge von 20 Pässen fiel, war Van-Gaal-Voetbal in Perfektion. „Man hat den Kern unseres Systems gesehen“, betonte Denzel Dumfries, der zwei Tore vorbereite­te und das letzte selbst erzielte. Drei Torbeteili­gungen in einem Spiel waren bei einer WM im Oranje-Trikot zuvor nur Rob Rensenbrin­k und dem großen Johan Cruijff gelungen.

Van Gaal wollte zu seinem Matchplan nichts Konkretes sagen – und sagte doch alles: „Die Frage möchte ich nicht beantworte­n, sonst würde ich als arrogant rüberkomme­n.“In der dritten Amtszeit des früheren Bayern-Trainers haben die Niederland­e noch immer nicht verloren, sind seit nunmehr 19 Spielen nacheinand­er ungeschlag­en.

Willkommen­es Abfallprod­ukt der Vorstellun­g ist die langsam aufkommend­e Ruhe in der Heimat. Trotz des Gruppensie­gs waren die ewigen Nörgler nicht milde gestimmt, schlicht zu einschläfe­rnd war die Darbietung. Nun dreht der Wind langsam. „Wir stehen im Viertelfin­ale. Wenn du gewinnst, hast du Freunde“, sagte Stürmer-Legende Marco van Basten im TV-Sender NOS. Und der Ex-HSVProfi Rafael van der Vaart meinte: „Es ist eine Mannschaft, die da auf dem Platz steht. Lasst uns alle mal reden – wir stehen im Viertelfin­ale.“

Selbst aus der Soccer-Nation USA hatte es Spott vor dem Achtelfina­le gegeben. Basketball-Legende Charles Barkley tönte, man werde Holland in den Hintern treten. „Ich garantiere euch, die Niederland­e ist in Schwierigk­eiten“, meinte der 59Jährige. Nun, sein Metier ist eher, einen Ball durch einen Ring zu werfen. Oranje-Star und Torschütze Memphis Depay konterte nach dem Spiel via Twitter. „Viel Gebell, kein Biss“, schrieb der 28-Jährige an Barkley.

Van Gaal kümmert der ganze Zirkus selbstrede­nd wenig. „Ich bekomme genug Wertschätz­ung von den Leuten um mich herum“, sagte der Bondscoach und legte nach: „Einige Topnatione­n sind nicht weitergeko­mmen und wir haben noch drei Spiele vor uns. Wir können Weltmeiste­r werden.“

Mit dem Fußball-Klassiker gegen Argentinie­n will sich van Gaal aber frühestens am Montag beschäftig­en. Erst mal gab er seinen Spielern einen Tag frei. „Sie müssen mich dann nicht sehen und das ist gut so, denn sie haben langsam genug von mir.“Zumindest von den Bildern des tanzenden van Gaal kann man eigentlich nie genug bekommen.

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FOTO: PRO SHOTS/IMAGO Louis van Gaal herzt Virgil van Dijk und ist bereit für Großtaten.
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