Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Indien soll das neue China werden

Baerbock lobt in Neu-Delhi Partnersch­aft – Gemeinsame Projekte beim Klimaschut­z

- Von Jörg Blank und Anne-Sophie Galli

NEU DELHI (dpa) - Deutschlan­d und Indien wollen ihre Partnersch­aft in der Sicherheit­s-, Klima- und Wirtschaft­spolitik ausbauen und damit ein stärkeres Gegengewic­ht zu China bilden. Indien habe nicht nur den Vorsitz der G20-Runde der führenden Industrie- und Schwellenl­änder übernommen, sondern auch globale Verantwort­ung, sagte Außenminis­terin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag bei einem Treffen mit Außenminis­ter Subrahmany­am Jaishankar in Neu Delhi. Im Unterschie­d zu China verbinde Deutschlan­d mit Indien bereits eine lange „Wertepartn­erschaft“.

Deutschlan­d, die USA und andere westliche Staaten sehen das riesige Land mit etwa 1,4 Milliarden Einwohnern als politische­s Gegengewic­ht zu China – und auch als Geschäftsp­artner mit großem Potenzial. Baerbock schmeichel­te den Gastgebern beim ersten offizielle­n Besuch mit den Worten, sie fühle sich, „als würde man einen guten Freund besuchen“.

China habe sich in den vergangene­n Jahren stark verändert. Deswegen sei der Austausch mit dessen direkten Nachbarn so wichtig.

Mit Indien als bevölkerun­gsreichste­r Demokratie gebe es großes Potenzial – etwa beim Einstehen für das internatio­nale Recht, sagte die Ministerin. Allerdings trägt die Atommacht westliche Sanktionen gegen Russland infolge des Kriegs in der Ukraine nicht mit. Bei UN-Resolution­en zum Krieg hat sich Indien enthalten. Schon im nächsten Jahr wird das südasiatis­che Land nach einer Prognose der Vereinten Nationen China als bevölkerun­gsreichste Nation der Welt ablösen. Seit dem 1. Dezember hat Indien den Vorsitz der G20.

Baerbock hob hervor, dass Indien dabei einen Schwerpunk­t auf den Klimaschut­z setzen wolle. Vergangene Woche seien deutsch-indische

Projekte für 2023 von einer Milliarde Euro vereinbart worden. Diese sollten Indien unterstütz­en, bei seinem großen Energiebed­arf auf sozial und ökologisch nachhaltig­e Energieque­llen umzustelle­n. Auch die Zusammenar­beit in der Sicherheit­spolitik solle verstärkt werden.

Baerbock und Jaishankar unterzeich­neten ein Abkommen, das es erleichter­n soll, im jeweils anderen Land zu studieren, zu forschen und zu arbeiten. Baerbock sagte, damit würden auch Wartezeite­n für Visa deutlich verkürzt. Fachkräfte sollten leichter kommen können. Zu Beginn ihres zweitägige­n Besuchs gedachte

Baerbock des Freiheitsk­ämpfers Mahatma Gandhi. In der Gedenkstät­te Gandhi Smriti legte sie Rosenblätt­er nieder. Dort war Gandhi 1948 von einem Hindu-Extremiste­n erschossen worden.

Baerbock besuchte auch eine belebte Einkaufsst­raße in der Altstadt. Dort sah sie sich auch eine Gebetsstät­te der Sikh-Religionsg­ruppe an. Dazu musste sie ihre Haare mit einem Kopftuch bedecken und barfuß gehen. In der Großküche eines Tempels half sie, Teig für Fladenbrot für Bedürftige herzustell­en.

Indien und Deutschlan­d verbindet seit 2000 eine strategisc­he Partnersch­aft. Seit 2011 finden alle zwei Jahre Regierungs­konsultati­onen statt, zuletzt Anfang Mai in Berlin. Jaishankar sagte auf eine Frage nach indischen Käufen von günstigem Öl aus Russland, man habe Verständni­s für die europäisch­e Sichtweise. Europas gestiegene Einkäufe im Mittleren Osten trieben aber die Preise in einem Markt hoch, auf dem Indien traditione­ll Öl kaufe.

Er verwies auf Daten der Denkfabrik Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA). Demnach kauften EU-Länder etwa am 25. November fossile Treibstoff­e aus Russland für 304 Millionen Euro, Indien für 60 Millionen Euro. Die EU hat versucht, Öl-Käufe aus Russland zu reduzieren und andere Länder aufgerufen, das Gleiche zu tun.

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FOTO: SAJJAD HUSSAIN/AFP Außenminis­terin Annalena Baerbock ist bei ihrem Staatsbesu­ch in Indien voll im Einsatz: In Neu-Delhi bäckt sie traditione­lles Brot.

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