Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Flickenteppich bei Maske und Isolation
Länder bei Corona-Kurs gespalten – Ärzte warnen vor Gefährdung von Kindern
BERLIN/MAGDEBURG (dpa) - Angesichts der Notlage in der Kindermedizin wegen einer Welle an Atemwegsinfekten warnt der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte vor gravierenden Risiken. „Es ist tatsächlich so, dass im Moment die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen und auch das Leben ordentlich gefährdet sind“, sagte Verbandssprecher Jakob Maske am Montag im Deutschlandfunk. Um Infektionen einzudämmen, riefen Gesundheitspolitiker dazu auf, aus Solidarität bei Bedarf auch Maske zu tragen. Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern fanden keinen einheitlichen Kurs für die Corona-Vorgaben wie die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen sowie die Isolationspflicht für Infizierte.
Der FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullmann sagte der „Welt“zur Infektionswelle bei Kindern: „Akut können wir das machen, was wir während der Pandemie gut eingeübt haben: Infektionen vermeiden und Infektionsketten unterbrechen.“Dazu brauche es keine staatlichen Verordnungen. „Maske tragen, Hände waschen, bei Infektionen zu Hause bleiben.“Um Kinderärzte zu entlasten, sollte man auch auf unnötige Vorgaben wie „Gesundschreibungen“von Kindern verzichten, die viele Kitas einfordern.
Viele Kinderpraxen und Kinderstationen sind aktuell extrem überfüllt. Experten berichten von einer enormen Welle an Infektionen mit dem Respiratorischen Synzytial-Virus (RSV), das für Babys gefährlich sein kann. Verbandssprecher Maske sagte, die grundsätzliche Krise des Systems sei durch Corona kaschiert worden. Das sei nun aber vorbei. „Wir haben jetzt einen ganz normalen
Was ist mit dem Einsatz von Sirenen? Anstieg, wie wir ihn jeden Winter sehen von Infektkrankheiten – und die Systeme brechen zusammen.“Schwerstkranke Kinder müssten beispielsweise über Hunderte Kilometer aus Berlin verlegt werden, weil es keine Betten gebe.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) schrieb am Montag bei Twitter: „Die Kinderärzte sind genauso besorgt wie ich.“Er stimme zu, dass 20 Jahre lang zu wenig für sie getan worden sei. „Aber wir arbeiten schon seit Monaten an einer Entlastung der Kinderkliniken.“Sie solle ab dem 1. Januar 2023 gelten. Der Bundestag hatte am Freitag ein erstes Gesetzespaket zu Krankenhäusern beschlossen. Für Kinderkliniken soll es demnach 2023 und 2024 jeweils 300 Millionen Euro zusätzlich geben. An diesem Dienstag will Lauterbach weitergehende Reformvorschläge vorstellen, um Krankenhäuser insgesamt stärker von finanziellem Druck zu lösen.
Grünen-Chefin Ricarda Lang sagte, die Ampel-Koalition habe bereits Sofortmaßnahmen ergriffen, um den Kliniken zu helfen, etwa bei den hohen Energiekosten. Zugleich betonte sie: „Es reicht nicht, immer wieder ein Pflaster aufzukleben.“Notwendig sei nun eine echte Reform der Strukturen. Dazu gehöre, dass der tatsächliche Bedarf an Betten und Personal bei der Finanzierung der Kliniken die wesentliche Rolle spiele – und nicht die Frage, was den größtmöglichen Profit verspreche. Unterdessen haben die Gesundheitsminister der Länder am Montagabend vorerst keine neue Linie für weitere Änderungen an den Corona-Schutzvorgaben beschlossen. Die Ressortchefs hätten sich ausgetauscht, aber es gebe kein einheitliches Vorgehen etwa zur Maskenpflicht in Bus und Bahn, sagte eine Sprecherin des sachsen-anhaltischen Sozialministeriums am Montagabend nach den Beratungen. Die meisten Länder wollten die Maskenpflicht im ÖPNV bis Jahresende verlängern, einige darüber hinaus. Zum Teil solle aus der Pflicht eine Empfehlung werden. Für Fernzüge ist die Maskenpflicht bis 7. April 2023 bundesweit gesetzlich festgeschrieben.
In der Beratung hätten sich Bundesgesundheitsminister Lauterbach und der Präsident des Robert KochInstituts (RKI), Lothar Wieler, für die Beibehaltung der Isolationsregeln und der Maskenpflicht ausgesprochen, sagte die Sprecherin weiter. Sie erwarteten eine steigende Zahl von Neuinfektionen und hätten auf die hohe Sterblichkeit vor allem bei älteren Menschen hingewiesen. Das RKI sehe keinen Grund, die bisherigen Empfehlungen zur Isolation zu ändern. Mittlerweile haben Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Rheinland-Pfalz die Isolationspflicht von mindestens fünf Tagen für positiv Getestete aufgehoben, die das RKI nach wie vor empfiehlt.