Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Große Hoffnungen in Namibia
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck auf Wasserstoff-Mission in Afrika – Zehn-Milliarden-Dollar-Projekt geplant
WINDHUK (dpa) - Viel Sonne, viel Wind – und viel Platz: Die Bedingungen für die Produktion von „grünem“Wasserstoff in Namibia gelten als ideal. Davon will auch Deutschland für den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft profitieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck macht am Montag in der namibischen Hauptstadt Windhuk deutlich: Es soll um eine Partnerschaft auf Augenhöhe gehen.
Im State House, dem Sitz von Namibias Präsident Hage Geingob, ist volles Haus. Vizekanzler Habeck hat eine große Delegation mit vielen Managern mitgebracht. Geingob sagt, so etwas habe es noch nie gegeben und wirbt für deutsche Investitionen. Jeder Manager aus Deutschland darf sich kurz vorstellen. So sagt ein Eon-Manager, der Konzern suche nach Möglichkeiten, grünes Ammoniak zu importieren. Die Firma Hylron plant in Namibia die Produktion von „grünem Eisen“und bekommt einen Förderbescheid des Wirtschaftsministeriums. Die Signale stehen also auf „grün“. Bis 2045 soll
Deutschland CO2-neutral sein. Dafür müssen Produktionsprozesse etwa in der Stahl- und Chemieindustrie komplett umgestellt werden. Es werden riesige Mengen „grünen“Wasserstoffs gebraucht, der auf Basis von Strom aus erneuerbaren Energien hergestellt werden soll und dann durch die Elektrolyse von Wasser entsteht. In Namibia, mehr als doppelt so groß wie Deutschland, aber mit knapp 2,6 Millionen Einwohnern dünn besiedelt, ist ein großes Projekt zum Aufbau einer Produktion von grünem Wasserstoff mit einem Investitionsvolumen von rund zehn Milliarden Dollar geplant. Das entspreche etwa der jährlichen Wirtschaftsleistung Namibias, sagt Habeck. Das Land setzt große Hoffnungen in das Projekt.
An dem Vorhaben, das schon eine Weile läuft, ist auch die deutsche Firma Enertrag beteiligt. Unternehmenschef Gunar Hering sagt mit Blick auf den Besuch Habecks und vor dem Hintergrund der Finanzierung des Projekts, es sei „extrem wichtig“, dass sichtbar werde, dass Deutschland hinter dem Projekt stehe.
In Namibia gebe es die Riesenmöglichkeit, mit der Produktion von grünem Wasserstoff und grünem Ammoniak die riesige Fläche des Landes zu nutzen. Das Projekt soll auch dazu dienen, Jobs zu schaffen und die Entwicklung Namibias voranzutreiben. Der Wasserstoff soll in Ammoniak umgewandelt, ab 2027 per Schiff nach Deutschland transportiert und vor allem in der Düngerherstellung und der chemischen Industrie eingesetzt werden – und Erdgas ersetzen. RWE hat bereits eine
Absichtserklärung zur Abnahme von grünem Ammoniak aus Namibia unterzeichnet. Der Energiekonzern will bis 2026 ein Terminal in Brunsbüttel bauen, das als ein Zielhafen dienen könnte.
Das Projekt ist in einem Nationalpark im Süden Namibias geplant, in dem früher Diamanten abgebaut wurden. In der Nähe liegt die Hafenstadt Lüderitz, die von dem Projekt profitieren soll. Das spannt auch den Bogen zur Geschichte. Den Grundstein für die Kolonialisierung Namibias durch das Deutsche Reich legte der aus Bremen stammende Kaufmann Adolf Lüderitz, der 1883 von den Ureinwohnern eine bis heute nach ihm benannte Bucht und weitere Gebiete erwarb.
Das Wasserstoffprojekt und die deutsche Geschichte seien für ihn nicht völlig getrennt, sagt Habeck, auch wenn seine Gesprächspartner in Namibia das nicht angesprochen hätten. Auch für ihn persönlich sei es entscheidend, dass das Projekt den Menschen in Namibia nütze. „Das Letzte, was wir akzeptieren dürfen, ist eine Art von grünem Energie-Imperialismus.“