Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Warum der Ölpreisdeckel Diesel teurer machen könnte
Preisobergrenze für russisches Erdöl soll Heizöl und Kraftstoffe eigentlich günstiger machen – Ausnahmen beim Ölembargo
BERLIN - Der Preisdeckel westlicher Staaten auf russisches Erdöl ist seit Montag in Kraft – zu möglichen Auswirkungen gibt es unterschiedliche Einschätzungen. Jürgen Ziegner, Geschäftsführer des Zentralverbands des Tankstellengewerbes (ZTG), geht davon aus, „dass Diesel wieder teurer wird", wie er der „Schwäbischen Zeitung“sagte.
„Wenn dann auch noch ab spätestens Februar kommenden Jahres kein Diesel mehr aus Russland importiert werden darf, gilt das umso mehr." Alternative zum Kurzstreckenhandel mit Dieselkraftstoff aus dem russischen Uralgebiet sei dann der Langstreckenhandel
etwa mit Asien, was zu einem deutlichen Preisanstieg führen könne.
Für Benzin ließen sich noch keine Vorhersagen treffen, betonte Ziegner. Die gegenwärtig vergleichsweise niedrigen Preise für Superbenzin führte der ZTG-Geschäftsführer unter anderem auf den Nachfragemangel in China zurück.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), sieht im Ölpreisdeckel dagegen „ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg". Zwar habe Russland angekündigt, den Preisdeckel von 60 Dollar (57 Euro) pro Barrel Erdöl nicht akzeptieren zu wollen, aber die meisten Marktakteure
hielten diese Drohung nicht für realistisch.
Die Europäische Union und ihre Partner wie die G7 und Australien verfolgen mit dem Ölpreisdeckel das Ziel, Russland vorzugeben, zu welchem Preis es sein Erdöl auf dem Weltmarkt verkaufen darf.
Sie wollen damit die russischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft drücken und so die Finanzierung des Kriegs gegen die Ukraine schwieriger machen. Andererseits soll Russland durchaus weiter Öl vermarkten. Sonst würde die wertvolle Ressource auf dem Weltmarkt noch knapper, und die Preise würden auch im Westen steigen. Russland hat unterdessen angedroht, dass es kein Öl an Länder liefern wird, die den Preisdeckel akzeptieren.
Ebenfalls gilt seit Montag: Rohöl aus Russland darf nur noch in Ausnahmefällen in die EU importiert werden. Grundlage der Einfuhrbeschränkung ist eine im Juni von den 27 Mitgliedstaaten beschlossene Sanktionsverordnung wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine.
Deutschland will den Bezug von russischem Rohöl spätestens Ende des Jahres stoppen. Bis dahin nimmt es eine Ausnahmeregelung in Anspruch, die für EU-Staaten gilt, die aufgrund ihrer geografischen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig waren und die
Importe nicht so schnell ersetzen können. In der Bundesrepublik profitiert davon insbesondere die PCKRaffinerie im brandenburgischen Schwedt. Sie wird bisher mit russischem Öl aus der Druschba-Pipeline versorgt, das nun ersetzt werden muss. Bislang ohne Zeitbeschränkung wollen zunächst die Länder Ungarn, Tschechien und die Slowakei die Ausnahmeregelung in Anspruch nehmen. Weitere Ausnahmen gibt es für Bulgarien mit Hinblick auf die Einfuhr von russischem Rohöl, das auf dem Seeweg transportiert wird, sowie für Kroatien mit Hinblick auf Vakuum-Gasöl. Ein Embargo für Erzeugnisse aus Erdöl wird für alle anderen ab Februar 2023 an gelten.