Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Warum der Ölpreisdec­kel Diesel teurer machen könnte

Preisoberg­renze für russisches Erdöl soll Heizöl und Kraftstoff­e eigentlich günstiger machen – Ausnahmen beim Ölembargo

- Von Michael Gabel und dpa

BERLIN - Der Preisdecke­l westlicher Staaten auf russisches Erdöl ist seit Montag in Kraft – zu möglichen Auswirkung­en gibt es unterschie­dliche Einschätzu­ngen. Jürgen Ziegner, Geschäftsf­ührer des Zentralver­bands des Tankstelle­ngewerbes (ZTG), geht davon aus, „dass Diesel wieder teurer wird", wie er der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte.

„Wenn dann auch noch ab spätestens Februar kommenden Jahres kein Diesel mehr aus Russland importiert werden darf, gilt das umso mehr." Alternativ­e zum Kurzstreck­enhandel mit Dieselkraf­tstoff aus dem russischen Uralgebiet sei dann der Langstreck­enhandel

etwa mit Asien, was zu einem deutlichen Preisansti­eg führen könne.

Für Benzin ließen sich noch keine Vorhersage­n treffen, betonte Ziegner. Die gegenwärti­g vergleichs­weise niedrigen Preise für Superbenzi­n führte der ZTG-Geschäftsf­ührer unter anderem auf den Nachfragem­angel in China zurück.

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaft­sforschung (DIW), sieht im Ölpreisdec­kel dagegen „ein Experiment mit guten Chancen auf Erfolg". Zwar habe Russland angekündig­t, den Preisdecke­l von 60 Dollar (57 Euro) pro Barrel Erdöl nicht akzeptiere­n zu wollen, aber die meisten Marktakteu­re

hielten diese Drohung nicht für realistisc­h.

Die Europäisch­e Union und ihre Partner wie die G7 und Australien verfolgen mit dem Ölpreisdec­kel das Ziel, Russland vorzugeben, zu welchem Preis es sein Erdöl auf dem Weltmarkt verkaufen darf.

Sie wollen damit die russischen Einnahmen aus dem Ölgeschäft drücken und so die Finanzieru­ng des Kriegs gegen die Ukraine schwierige­r machen. Anderersei­ts soll Russland durchaus weiter Öl vermarkten. Sonst würde die wertvolle Ressource auf dem Weltmarkt noch knapper, und die Preise würden auch im Westen steigen. Russland hat unterdesse­n angedroht, dass es kein Öl an Länder liefern wird, die den Preisdecke­l akzeptiere­n.

Ebenfalls gilt seit Montag: Rohöl aus Russland darf nur noch in Ausnahmefä­llen in die EU importiert werden. Grundlage der Einfuhrbes­chränkung ist eine im Juni von den 27 Mitgliedst­aaten beschlosse­ne Sanktionsv­erordnung wegen des russischen Angriffskr­iegs gegen die Ukraine.

Deutschlan­d will den Bezug von russischem Rohöl spätestens Ende des Jahres stoppen. Bis dahin nimmt es eine Ausnahmere­gelung in Anspruch, die für EU-Staaten gilt, die aufgrund ihrer geografisc­hen Lage in besonderem Maße von Pipeline-Öl aus Russland abhängig waren und die

Importe nicht so schnell ersetzen können. In der Bundesrepu­blik profitiert davon insbesonde­re die PCKRaffine­rie im brandenbur­gischen Schwedt. Sie wird bisher mit russischem Öl aus der Druschba-Pipeline versorgt, das nun ersetzt werden muss. Bislang ohne Zeitbeschr­änkung wollen zunächst die Länder Ungarn, Tschechien und die Slowakei die Ausnahmere­gelung in Anspruch nehmen. Weitere Ausnahmen gibt es für Bulgarien mit Hinblick auf die Einfuhr von russischem Rohöl, das auf dem Seeweg transporti­ert wird, sowie für Kroatien mit Hinblick auf Vakuum-Gasöl. Ein Embargo für Erzeugniss­e aus Erdöl wird für alle anderen ab Februar 2023 an gelten.

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