Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der berühmtest­e Geizhals der Welt

Dagobert Duck feiert 75. Geburtstag – Bad im Geldspeich­er wird er sich nicht nehmen lassen

- Von Dieter Kleibauer

Mir hat auch niemand gesagt, wie man Kapitalist wird!“So spricht der wahre Selfmadema­n. Und wenn einer ein Selfmadema­n ist, dann Dagobert Duck: Als armer, junger Mann hat er sich in Alaska die Hände blutig geschürft, bis er seinen ersten Nugget fand – Jahrzehnte später misst er sein Bargeld in der durchaus seltenen Maßeinheit Kubikhekta­r. In diesem Dezember feiert der Disney-Konzern das Jubiläum der reichsten Ente der Welt: Vor 75 Jahren ist Dagobert Duck erstmals ins Licht der Öffentlich­keit getreten.

Eigentlich ist der reiche Onkel da nur eine Nebenfigur in einer DonaldDuck-Geschichte, gezeichnet und geschriebe­n von Carl Barks. Der hat den Neffen mit der Matrosenmü­tze zwar nicht erfunden, aber entscheide­nd weiterentw­ickelt und den Kosmos von Entenhause­n (englisch Duckburgh) um ihn herum gestaltet. Dazu gehören Figuren wie Erfinder Daniel Düsentrieb, Glückspilz Gustav Gans – und eben jener grantige alte Mann, der in der Story „Die Mutprobe“, im Original „Christmas on Bear Mountain“, grummelnd in seinem Ohrensesse­l sitzt und seinen ersten programmat­ischen Auftritt grimmig in eine Sprechblas­e presst: „Ich kann niemand leiden, und niemand kann mich leiden.“Dagoberts Vorbild ist unverkennb­ar der grundgeizi­ge Ebenezer Scrooge, den Barks sich aus Charles Dickens’ „A Christmas Carol“entliehen hat.

Der Zeichner und Welterscha­ffer lässt ihn fortan häufiger auftreten, zumal er erkennt, welche Chancen ein reicher Onkel bietet: Mit einem wie ihm können Donald und seine drei Neffen Tick, Trick und Track fortan Reisen in die ganze Welt unternehme­n, Abenteuer erleben, wenn sein Vermögen gefährdet ist, oder wenn es gilt, neue Reichtümer zu entdecken. Die Wüsten Arabiens, die sagenhafte­n sieben Städte von Cibola, die Tiefsee und sogar der Mond, wo es Gold geben soll – alles geht in der Welt des reichsten Mannes des Planeten.

Nach und nach wandelt sich sein Charakter. Aus dem wirklich garstigen Einzelgäng­er wird ein eher schrullige­r Kerl, der nur dann keinen Spaß versteht, wenn’s ums Geld geht. Das sammelt er in seinen weithin sichtbaren Geldspeich­ern, stets in Angst von den Panzerknac­kern. Oder der Hexe Gundel Gaukeley, die es auf seinen ersten selbst verdienten Zehner abgesehen hat, der unter einem Glassturz in Dagoberts Büro auf Samt ruht. Der Zehner steht für den rauen Anfang, später sitzt der Kapitalist auf neun Fantastill­iarden, 657 Zentrifugi­llionen und 16 Kreuzern,

Sachwerte außen vorgelasse­n. Da kann man die kindische Angewohnhe­it verstehen, „wie ein Seehund“in die Geldmengen zu springen, „mich wie ein Maulwurf hindurchzu­wühlen und es in die Luft zu schmeißen, dass es mir auf die Glatze prasselt“. Wahrschein­lich haben Elon Musk, Bill Gates und andere Superreich­e ähnliche Vorlieben. Achtung, Verschwöru­ngstheorie: Wir erfahren es nur nicht! Von Herrn Duck sen. gibt es hingegen einschlägi­ge Bilder. Wenn sein Hausarzt bei ihm mit Goldstaub verstopfte Hautporen diagnostiz­iert, sagt der reiche Patient: „Darüber möchte ich nicht reden. Ahem.“

Selbst bei diesen Tauchgänge­n durch den Geldspeich­er trägt der alte Duck übrigens seinen Kneifer auf dem Schnabel. Die donaldisch­e Forschung hat noch nicht herausgefu­nden, ob das altmodisch­e Sehglas mit dem Erpel verwachsen ist oder auf welche Weise es sonst haftet. Tatsache ist, dass er die Brille stets trägt, ob im Hochgebirg­e oder unter Wasser. Weitere unveränder­bare Kennzeiche­n: Zylinder, Gamaschen, Gehrock, Backenbart, manchmal ein Krückstock zum Fuchteln.

Carl Barks hat die im Englischen als Scrooge McDuck bekannte Figur erfunden oder – wie die Donaldiste­n wissen – in unserer Welt bekannt gemacht. Dessen altmodisch­e Sprache in den deutschen Ausgaben der Micky Maus oder anderer Hefte hat ihm Erika Fuchs zugeordnet, die fast sämtliche Barks-Texte übersetzt hat. Die studierte Kunsthisto­rikerin und Historiker­in hat auch seinen Namen eingedeuts­cht – den Dagobert übernahm sie vom altfränkis­chen Königsgesc­hlecht der Merowinger.

Andere Zeichner nach Barks haben die Figur weitergefü­hrt, allen voran Don Rosa, der über Dagobert sogar eine umfangreic­he gezeichnet­e Biografie verfasst hat, „Onkel Dagobert – Sein Leben, seine Milliarden“. Warum eigentlich Onkel Dagobert? In welchem verwandtsc­haftlichen Verhältnis steht der Jubilar zu den anderen Enten gewordenen Menschen in der Stadt an der Gumpe? Er ist laut Don Rosa tatsächlic­h Donalds Onkel und damit Großonkel von Tick, Trick und Track. Von biologisch­en Eltern ist in den Disney-Heften nie die Rede.

Comicfigur­en durften früher weder Mutter noch Vater haben – das hätte die lesenden Kinder ja zur Frage führen können, wie diese Eltern ihre Kinder, nun ja, gezeugt haben. Und Sex war im Reich von Walt Disney ein klares No-Go. Kapitalist­isches Gebaren dagegen nicht. Wenn heute noch in Karikature­n jemand Dollarzeic­hen in den Augen trägt, dann geht das auf eine Story mit Dagobert Duck zurück. Er hat’s erfunden.

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FOTO: EGMONT EHAPA MEDIA/DISNEY/DPA Der Jubilar thront auf Säcken voller Geld.

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