Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Entspannter Austausch im internationalen Begegnungscafé
Veranstalter des Meckenbeurer Angebots wünschen sich mehr deutsche Besucher
MECKENBEUREN - „Plus vier, du musst vier Karten ziehen“– mit einer gehörigen Portion Schadenfreude wirft der neunjährige Alaa die bei allen „Uno“-Spielern gefürchtete Karte auf den Ablagestapel und schaut Gegenspielerin Wiltrud Lehle triumphierend an. Die nimmt mit gespieltem Entsetzen die geforderte Kartenzahl. Weder sie noch Alaa wissen an diesem Begegnungsnachmittag im Gemeindehaus in Brochenzell, dass sie sich schon zwei Runden später mit einer „Plus zwei“-Karte wenigstens ein bisschen revanchieren wird.
Dritte in der munteren Kartenspielrunde ist Lana, die zehnjährige Schwester von Alaa. Vor fünf Jahren ist sie mit ihren Eltern und Geschwistern aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Mittlerweile lebt sie in einer Anschlussunterbringung in Brochenzell, spricht perfekt Deutsch und besucht die fünfte Klasse der Realschule in Buch. „Sie hätte auch aufs Gymnasium gehen können“, verkündet ihr Bruder Alaa nicht ohne Stolz.
Es ist Dienstagnachmittag, der letzte im November, und das bedeutet, es ist Zeit fürs Begegnungscafé. Denn nach coronabedingter Pause findet das Treffen für Neuzugewanderte und Einheimische nun immer am letzten Dienstag im Monat statt. Gemeindeverwaltung, Kirchengemeinden und ehrenamtliche Helfer kooperieren bei der Organisation der Treffen, die abwechselnd in den Gemeindehäusern St. Jakobus, St. Maria und dem evangelischen Gemeindehaus stattfinden.
An diesem trüben Tag ist erstmals St. Jakobus Treffpunkt. Wiltrud Lehle
hat mit den anderen ehrenamtlichen Helferinnen, Ursula Schupp und Angela Hähnle, die Tische im Gemeindehaus liebevoll weihnachtlich dekoriert, Kaffee gekocht und Teller mit Lebkuchen und Keksen aufgestellt. Nun warten sie auf die Gäste. Als Erstes erscheinen Willi und Sieglinde Bernhard sowie Angelika Prospero, alle drei seit vielen Jahren im Freundeskreis Asyl unermüdlich im Einsatz. „Es ist nach wie vor wichtig, dass Begegnung und Austausch zustande kommen“, erklärt Angelika Prospero, die zwar mittlerweile keine Deutschkurse für Geflüchtete mehr anbietet („man wird nicht jünger!“), der das Thema Integration, ebenso wie Familie Bernhard, aber weiterhin sehr am Herzen liegt.
Kurz darauf kommen als Vertreter der Gemeinde Sozialarbeiterin Melissa Gülenoglu und Integrationsbeauftrager Dario Origlio. Sie wissen, dass mehrere Flüchtlingsfamilien erkrankt seien und einige den Weg zu Fuß nach Brochenzell bei diesem unwirtlichen Wetter scheuen. Dennoch wollen einige vorbeischauen. Und tatsächlich, wenige Minuten später betreten zwei afghanische Familien, darunter Alaa und Lana Ereksousi mit ihrer Mutter Nisreen, das Gemeindehaus. Und nach und nach füllen sich die drei Tischreihen. Während an dem einen Tisch besagtes „Uno“-Spiel startet, bestätigt sich an dem anderen Tisch die Regel, dass Kinder einfach die besseren „Memory“-Spieler sind. „Wir kommen gerne hierher. Die Kinder lernen andere Kinder kennen, spielen zusammen, bekommen Süßigkeiten. Sie fragen immer: „Wann? Wann ist es wieder soweit?“, berichtet Nisreen Ereksousi,
die im Pflegeheim Brochenzell eine Arbeitsstelle gefunden hat.
Arbeitsplätze für Geflüchtete zu finden, sei im Moment weniger das Problem, berichtet Integrationsbeauftragter Dario Origlio. Der Mangel an Lehrkräften für Deutschkurse und vor allem der fehlende Wohnraum bereiten ihm mehr Sorgen. „Die Lage spitzt sich zu. Uns geht der Platz aus“, so Origlio. Trotz stark ansteigender Flüchtlingszahlen sei eine Unterbringung in einer der Meckenbeurer Sporthallen derzeit noch keine Option.
In der Schussengemeinde gibt es 18 Anschlussunterbringungen und Obdachlosenunterkünfte. Mit Angeboten wie dem Begegnungscafé soll den Bewohnern die Möglichkeit gegeben werden, sich kennenzulernen und auszutauschen. „Das ist Integration auch innerhalb der Flüchtlinge. Bei 18 Unterkünften über die Gemeinde verteilt, ist das sonst schwierig“, erklärt Melissa Gülenoglu. Dennoch wünscht sich die Sozialarbeiterin noch viel mehr Beteiligung der Meckenbeurer Einwohner. „Wir würden uns gern noch mehr Deutsche wünschen, neben den Stammleuten vom Freundeskreis Asyl. Es wäre gut, wenn auch andere Leute aus der Gesellschaft, eventuell den Vereinen, einmal vorbeikommen. Die Leute, die kommen, haben immer viel Spaß“, berichtet sie.
Origlio ergänzt: „Unser Ziel ist es, alle zusammenzubringen. Nicht nur die Geflüchteten, sondern alle. Nur so kann Integration gelingen.“Nächste Gelegenheit wäre nach der Weihnachtspause, am Dienstag, 31. Januar, von 16 bis 18 Uhr im evangelischen Gemeindehaus Meckenbeuren.