Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hilferuf des Pfarrers wird erhört
Freiwillige helfen dem Wasserburger Seelsorger, die Friedhofsmauer winterfest zu machen
WASSERBURG - Dieses verfrühte Weihnachtsgeschenk hat er sich nicht erträumen lassen: Eine beispiellose Hilfsaktion macht den Wasserburger Pfarrer Ralf Gührer froh, dankbar und gleichzeitig hoffnungsvoll. Die Hintergründe.
„Das ist beinahe unglaublich. Nie hätte ich das gedacht.“Die Begeisterung über die einzigartige Aktion spricht aus der Stimme von Pfarrer Ralf Gührer. Mehr als 40 Menschen waren seinem Aufruf in der Lindauer Zeitung gefolgt, hatten ihm über vier Tage verteilt unentgeltlich unter die Arme gegriffen, die Friedhofsmauer von stark wucherndem Efeu, Brombeerranken und Weiden befreit und zudem unten an der Mauer das Treibholz aus dem See beseitigt.
Klare Sache für den Pfarrer, dass er selbst mitgearbeitet und beispielsweise Brombeerranken abgeschnitten hat. „Eine Firma wäre damit wochenlang beschäftigt gewesen. Der Zusammenhalt der Menschen hier ist einfach großartig! Jetzt kann es weitergehen“, frohlockt der Gottesmann. „Gott sei Dank können wir demnächst die Zinnen mit Hilfe von Folien und Spanngurten winterfest machen und so dafür sorgen, dass nicht weiterhin Wasser eindringt und der Frost noch mehr Schaden verursacht.“
Rückblick. Weil die Friedhofsmauer in schlechtem Zustand ist, hatten Fachleute empfohlen, diese noch vor dem Winter herzurichten – die einst stolzen Zinnen haben nichts mehr von ihrer Würde, schenkeldicke Efeustauden hatten die Mauer überwuchert und teils stark beschädigt. Zwar wusste die Kirchengemeinde seit Frühjahr aufgrund von Kernbohrungen und einem Drohnenflug durch Statiker, dass die Mauer nicht akut einsturzgefährdet ist. Trotzdem besteht die Gefahr, dass die nicht weit entfernt von der Mauer liegende Südwestecke der Kirche mit der Zeit instabil werden könnte.
Zudem galt es, einen Anblick wie in der Zwischenkriegszeit zu vermeiden, als die Mauer, die die höher gelegene Kirche samt Friedhof schützt, sehr stark beschädigt war: „Nach Angaben von alten Wasserburgern waren vom See her Särge zu sehen“, berichtete der Seelsorger.
Seitens der Kirchenbehörde ging, wie Ralf Gührer erzählt, wegen Überlastung aber nichts mehr vorwärts. Das wollte der beliebte Pfarrer so nicht stehen lassen. Im äußersten Fall, kündigte er an, werde er die Kirche zumachen. In einer Art letztem Hilferuf ging der frustrierte und enttäuschte Gottesmann an die Öffentlichkeit. „Wenn der Pfarrer sogar über die Zeitung um Hilfe bitten muss, kann man ihn nicht hängenlassen“, sagte am Samstag eine Frau, die zum Helfen gekommen war. Eigentlich war die Aktion speziell für diesen Tag geplant gewesen, doch weil ein paar Helfer am Samstag nicht konnten, legten sie schon ab Mittwoch Hand an. So entfernte eine Frau aus Bodolz auf einer Länge von fünf Metern mutterseelenallein Brombeerranken.
Am Samstag standen Punkt 9 Uhr rund 40 Menschen dem Pfarrer zur Seite. Wie er es sich gewünscht hatte, hatten sie festes Schuhwerk an, trugen Arbeitshandschuhe. Vier hatten sogar Motorsägen mitgebracht. Dann ging es dem Efeu an die Wurzeln. An der Westecke hatte sich die wuchernde Pflanze besonders breitgemacht. Dort wurde auch Erde abgetragen, um ihr die Grundlage zu entziehen. Seeseitig wurden Leitern aufgestellt. Am Ufer räumten die Helfer Treibholz weg, damit später Lastwagen dort Findlinge abladen können. Sie sollen nach Angaben von Fachleuten verhindern, dass
Treibholz bei Hochwasser rammbockgleich gegen die Mauer donnert.
Gleich nach der Veröffentlichung in der Zeitung hatte sich ein Mitarbeiter des Amts für Wasserwirtschaft bei Gührer gemeldet und ihm gesagt, dass er für das Deponieren der Findlinge vor der Friedhofsmauer unten am See eine Genehmigung brauche. Ihm hat der Geistliche versprochen, dass dies „selbstverständlich in Absprache mit der Behörde geschieht“– wie er sich überhaupt mit dem Amt für Denkmalschutz und der Naturschutzbehörde abstimmt. „Diese beiden Ämter haben innerhalb sehr kurzer Zeit auf unsere Anfragen hilfreich reagiert“, betont er.
Weil so viele Helferinnen und Helfer vor Ort waren, konnte der Pfarrer eine Gruppe auf den Dachboden der Kirche schicken. „Gemeinsam haben sie mehrere sehr große Folien angebracht. Sollte erneut Wasser über das Dach hereindrücken, können wir es auffangen, bevor es in die Decke läuft und weitere Teile des Stucks zum Absturz bringt“, erklärt der Geistliche.
Sobald die Folie und die Spanngurte geliefert werden, sollen die Zinnen winterfest verpackt werden, kündigt Ralf Gührer an. Hat er dafür genügend Leute? „Einige von den Helferinnen und Helfern haben mir gesagt, dass ich sie gerne anrufen kann“, erzählt ein strahlender Pfarrer.
Der Helfer mit der weitesten Anreise, ein Maurer, kam bis von Weingarten. Rund eine Handvoll seiner Unterstützerinnen und Unterstützer hat der Pfarrer zuvor noch nie gesehen. Der Zusammenhalt und die sehr gute Stimmung innerhalb der Gruppe haben ihn sehr beeindruckt. „Diese Aktion war einfach große Klasse.“Mit einem Vesper hat sich die Kirchengemeinde bei den Helferinnen und Helfern bedankt.
Noch vor gut einer Woche war Pfarrer Gührer niedergeschlagen und mutlos. Jetzt schöpft er neue Hoffnung. „Ich bin so froh, dass es jetzt gut weitergehen kann. Zwar weiß ich, dass wir noch Advent haben, aber für mich war und ist diese Aktion wie ein Weihnachtsgeschenk. Dafür danke ich allen von Herzen.“
„Das ist beinahe unglaublich. Nie hätte ich das gedacht.“Pfarrer Ralf Gührer