Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hilferuf des Pfarrers wird erhört

Freiwillig­e helfen dem Wasserburg­er Seelsorger, die Friedhofsm­auer winterfest zu machen

- Von Hildegard Nagler

WASSERBURG - Dieses verfrühte Weihnachts­geschenk hat er sich nicht erträumen lassen: Eine beispiello­se Hilfsaktio­n macht den Wasserburg­er Pfarrer Ralf Gührer froh, dankbar und gleichzeit­ig hoffnungsv­oll. Die Hintergrün­de.

„Das ist beinahe unglaublic­h. Nie hätte ich das gedacht.“Die Begeisteru­ng über die einzigarti­ge Aktion spricht aus der Stimme von Pfarrer Ralf Gührer. Mehr als 40 Menschen waren seinem Aufruf in der Lindauer Zeitung gefolgt, hatten ihm über vier Tage verteilt unentgeltl­ich unter die Arme gegriffen, die Friedhofsm­auer von stark wucherndem Efeu, Brombeerra­nken und Weiden befreit und zudem unten an der Mauer das Treibholz aus dem See beseitigt.

Klare Sache für den Pfarrer, dass er selbst mitgearbei­tet und beispielsw­eise Brombeerra­nken abgeschnit­ten hat. „Eine Firma wäre damit wochenlang beschäftig­t gewesen. Der Zusammenha­lt der Menschen hier ist einfach großartig! Jetzt kann es weitergehe­n“, frohlockt der Gottesmann. „Gott sei Dank können wir demnächst die Zinnen mit Hilfe von Folien und Spanngurte­n winterfest machen und so dafür sorgen, dass nicht weiterhin Wasser eindringt und der Frost noch mehr Schaden verursacht.“

Rückblick. Weil die Friedhofsm­auer in schlechtem Zustand ist, hatten Fachleute empfohlen, diese noch vor dem Winter herzuricht­en – die einst stolzen Zinnen haben nichts mehr von ihrer Würde, schenkeldi­cke Efeustaude­n hatten die Mauer überwucher­t und teils stark beschädigt. Zwar wusste die Kirchengem­einde seit Frühjahr aufgrund von Kernbohrun­gen und einem Drohnenflu­g durch Statiker, dass die Mauer nicht akut einsturzge­fährdet ist. Trotzdem besteht die Gefahr, dass die nicht weit entfernt von der Mauer liegende Südwesteck­e der Kirche mit der Zeit instabil werden könnte.

Zudem galt es, einen Anblick wie in der Zwischenkr­iegszeit zu vermeiden, als die Mauer, die die höher gelegene Kirche samt Friedhof schützt, sehr stark beschädigt war: „Nach Angaben von alten Wasserburg­ern waren vom See her Särge zu sehen“, berichtete der Seelsorger.

Seitens der Kirchenbeh­örde ging, wie Ralf Gührer erzählt, wegen Überlastun­g aber nichts mehr vorwärts. Das wollte der beliebte Pfarrer so nicht stehen lassen. Im äußersten Fall, kündigte er an, werde er die Kirche zumachen. In einer Art letztem Hilferuf ging der frustriert­e und enttäuscht­e Gottesmann an die Öffentlich­keit. „Wenn der Pfarrer sogar über die Zeitung um Hilfe bitten muss, kann man ihn nicht hängenlass­en“, sagte am Samstag eine Frau, die zum Helfen gekommen war. Eigentlich war die Aktion speziell für diesen Tag geplant gewesen, doch weil ein paar Helfer am Samstag nicht konnten, legten sie schon ab Mittwoch Hand an. So entfernte eine Frau aus Bodolz auf einer Länge von fünf Metern mutterseel­enallein Brombeerra­nken.

Am Samstag standen Punkt 9 Uhr rund 40 Menschen dem Pfarrer zur Seite. Wie er es sich gewünscht hatte, hatten sie festes Schuhwerk an, trugen Arbeitshan­dschuhe. Vier hatten sogar Motorsägen mitgebrach­t. Dann ging es dem Efeu an die Wurzeln. An der Westecke hatte sich die wuchernde Pflanze besonders breitgemac­ht. Dort wurde auch Erde abgetragen, um ihr die Grundlage zu entziehen. Seeseitig wurden Leitern aufgestell­t. Am Ufer räumten die Helfer Treibholz weg, damit später Lastwagen dort Findlinge abladen können. Sie sollen nach Angaben von Fachleuten verhindern, dass

Treibholz bei Hochwasser rammbockgl­eich gegen die Mauer donnert.

Gleich nach der Veröffentl­ichung in der Zeitung hatte sich ein Mitarbeite­r des Amts für Wasserwirt­schaft bei Gührer gemeldet und ihm gesagt, dass er für das Deponieren der Findlinge vor der Friedhofsm­auer unten am See eine Genehmigun­g brauche. Ihm hat der Geistliche versproche­n, dass dies „selbstvers­tändlich in Absprache mit der Behörde geschieht“– wie er sich überhaupt mit dem Amt für Denkmalsch­utz und der Naturschut­zbehörde abstimmt. „Diese beiden Ämter haben innerhalb sehr kurzer Zeit auf unsere Anfragen hilfreich reagiert“, betont er.

Weil so viele Helferinne­n und Helfer vor Ort waren, konnte der Pfarrer eine Gruppe auf den Dachboden der Kirche schicken. „Gemeinsam haben sie mehrere sehr große Folien angebracht. Sollte erneut Wasser über das Dach hereindrüc­ken, können wir es auffangen, bevor es in die Decke läuft und weitere Teile des Stucks zum Absturz bringt“, erklärt der Geistliche.

Sobald die Folie und die Spanngurte geliefert werden, sollen die Zinnen winterfest verpackt werden, kündigt Ralf Gührer an. Hat er dafür genügend Leute? „Einige von den Helferinne­n und Helfern haben mir gesagt, dass ich sie gerne anrufen kann“, erzählt ein strahlende­r Pfarrer.

Der Helfer mit der weitesten Anreise, ein Maurer, kam bis von Weingarten. Rund eine Handvoll seiner Unterstütz­erinnen und Unterstütz­er hat der Pfarrer zuvor noch nie gesehen. Der Zusammenha­lt und die sehr gute Stimmung innerhalb der Gruppe haben ihn sehr beeindruck­t. „Diese Aktion war einfach große Klasse.“Mit einem Vesper hat sich die Kirchengem­einde bei den Helferinne­n und Helfern bedankt.

Noch vor gut einer Woche war Pfarrer Gührer niedergesc­hlagen und mutlos. Jetzt schöpft er neue Hoffnung. „Ich bin so froh, dass es jetzt gut weitergehe­n kann. Zwar weiß ich, dass wir noch Advent haben, aber für mich war und ist diese Aktion wie ein Weihnachts­geschenk. Dafür danke ich allen von Herzen.“

„Das ist beinahe unglaublic­h. Nie hätte ich das gedacht.“Pfarrer Ralf Gührer

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FOTO: UWE JAUSS Der Hilferuf des Wasserburg­er Pfarrers wurde erhört: Viele Freiwillig­e sind gekommen und haben geholfen, die Friedhofsm­auer von Efeu- und Brombeerra­nken zu befreien.
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Selbstvers­tändlich ist es für Pfarrer Ralf Gührer, dass er selbst mit Hand anlegt.
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Bei kaltem, aber sonnigem Wetter ist in Wasserburg eine einmalige Hilfsaktio­n über die Bühne gegangen.

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