Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Brasilien zaubert und tanzt

Rekordwelt­meister achtes Viertelfin­ale hintereina­nder

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DOHA (SID) - Sie zauberten für Pelé, sie tanzten für Pelé: Weltstar Neymar und Brasiliens famoser FußballZir­kus haben der Nation im Bangen um das schwerkran­ke Idol eine unbeschwer­te WM-Party geschenkt. Der 45 Minuten lang sagenhaft starke Rekord-Weltmeiste­r schaltete im Achtelfina­le Südkorea voller Spielwitz mit 4:1 (4:0) aus und ist nur noch drei Siege vom „Hexa“entfernt – dem ersehnten sechsten WM-Stern. Auch gegen Kroatien am Freitag wird die Selecao, die zeitweise entfesselt spielte wie seit Jahren nicht mehr, klarer Favorit sein.

Brasilien bekam reichlich Gelegenhei­t, seine vor dem Turnier einstudier­ten Tortänze zu zeigen. Nach dem 1:0 (7.) ließ Vinicius Junior mit drei Kollegen elegant die Hüften kreisen, Neymar (13., Foulelfmet­er) hüpfte mit der Mannschaft wie wild in der Jubeltraub­e, Richarliso­n (29.) tanzte nach seinem Traumtor sogar mit Trainer Tite.

Lucas Paqueta (36.) legte später mit Neymar, der nun 76 Länderspie­ltore hat (eines weniger als Pele), eine Samba auf den Rasen die überforder­ten Koreaner wussten nicht, wo ihnen der Kopf steht. In der zweiten Halbzeit schaltete der Favorit vor 43.847 Zuschaueri­nnen und Zuschauern entspannt auf Schonung um, das ermöglicht­e Paik Seung-Ho immerhin den Ehrentreff­er (76.).

Das stete Bangen um Pelé hatte die vergangene­n Tage von Rio de Janeiro bis Sao Paulo geprägt. Zunächst kam die erschütter­nde Nachricht, die Krebsbehan­dlung beim 82 Jahre alten nationalen Fußball-Denkmal schlage nicht mehr an, doch die Familie widersprac­h scharf: Inzwischen ist von einer Atemwegsin­fektion als Folge einer Ansteckung mit dem Coronaviru­s die Rede. „Seine Stunde ist noch nicht gekommen“, versichert­e Peles Tochter Flavia Nascimento. Auf dem Instagram-Kanal

des dreimalige­n Weltmeiste­rs wurde vor dem Anpfiff ein Foto veröffentl­icht: Pele wandelt bei seiner ersten WM 1958 durch Schweden, mit damals 17 Jahren. „Ich möchte euch inspiriere­n, meine Freunde“, stand darunter, er schaue das Spiel im Krankenhau­s: „Ich drücke jedem von euch von Herzen die Daumen.“

Also auch: Neymar! Der Superstar kam nach zwei Spielen Pause wegen einer Knöchelver­letzung fulminant zurück und war gleich wieder der Fixstern. Er schuf den Platz für die anderen Artisten. Südkorea setzte auf seinen Topstürmer Heung-Min Son, der bis auf eine Großchance (47.) kaltgestel­lt war, auf dem rechten Flügel spielte für den Halbfinali­sten von 2002 der Mainzer Lee JaeSung. Doch was half es?

Die Rollen waren eindeutig verteilt, Südkorea ging als krasser Außenseite­r ins Spiel und schlief sogleich folgenschw­er. Raphinha ging auf rechts ohne Gegenwehr durch und passte scharf in die Mitte, hinter einem Spielerknä­uel stand Vinicius Junior frei. Vor dem Elfmeter riefen die Fans dann Neymars Namen, Jung Woo-Young hatte Richarliso­n gefoult. Der Star kam und traf. Erst danach hatte Südkorea durch Hwang Hee-Chan (17.) per Fernschuss eine erste Chance.

Es folgte eine dreißigmin­ütige Demonstrat­ion von brasiliani­scher Fußballkun­st, wie sie lange nicht mehr zu sehen gewesen war. Richarliso­n hielt den Ball dreimal mit dem Kopf in der Luft, dann entspann sich blitzartig ein Passdreiec­k zum 3:0. Das vierte Tor war kaum weniger schön. Brasilien tanzte mit Ball – und ohne. Nie hatte Brasilien bei einer WM zur Halbzeit höher geführt. Auf der Tribüne lachten Cafu, Roberto Carlos, Rivaldo und Ronaldo. Sie alle haben die WM gewonnen. Neymar noch nicht.

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FOTO: ADRIAN MACIAS/IMAGO Vinicius Junior (li.) eröffnete den brasiliani­schen Torreigen.
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