Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Ohne Reformen kein Beitritt
EU macht Westbalkanstaaten beim Gipfel in Albanien Druck – Kritik auch an der Migrationspolitik
TIRANA (dpa) - Im Wettstreit mit Ländern wie Russland und China bemüht sich die Europäische Union mit Milliardenversprechen um stärkeren Einfluss auf dem Westbalkan. Konkrete Zusagen an die sechs Staaten in ihrem Streben in die EU blieben bei einem gemeinsamen Gipfeltreffen am Dienstag in der albanischen Hauptstadt Tirana allerdings aus.
EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen sprach dennoch von „neuem Schwung“im Beitrittsprozess und verwies auf die zunehmende Frequenz gemeinsamer Treffen. EU-Ratspräsident Charles Michel betonte, wie wichtig Fortschritte bei den Beitrittsbemühungen auch für die EU seien. „Ich bin absolut überzeugt, dass die Zukunft unserer Kinder mit dem Westbalkan in der EU sicherer und wohlhabender sein wird“, sagte der Belgier.
Er spielte damit auch darauf an, dass die Länder Albanien, Serbien, Nordmazedonien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro und der Kosovo inmitten der EU liegen und an Mitgliedstaaten wie Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Ungarn grenzen.
Grundsätzlich streben alle sechs Balkanstaaten eine Mitgliedschaft in der EU an, sie sind in dem Verfahren jedoch unterschiedlich weit. In den vergangenen Jahren geriet die Annäherung auch wegen EU-interner Streitigkeiten ins Stocken. Der Frust der Balkanstaaten ist mitunter groß – zumal die Ukraine und Moldau infolge des russischen Angriffskriegs im Juni im Rekordtempo zu Beitrittskandidaten gemacht wurden.
Für die EU hat Russlands Krieg hingegen vor allem gezeigt, dass es für Länder wie Serbien kein „Sowohl-als-auch“geben sollte. „Ihr müsst euch entscheiden, auf welcher
der Beziehungen vor. Er sieht nach Angaben von Diplomaten vor, dass Serbien die Unabhängigkeit des Kosovos zwar nicht anerkennen muss, aber akzeptieren soll. Konkret soll das insbesondere bedeuten, dass Belgrad nicht mehr länger die Mitgliedschaft des Kosovos in internationalen Organisationen blockiert. Serbien könnte im Gegenzug erhebliche finanzielle und wirtschaftliche Hilfe der EU bekommen.
Als Anreiz für den steinigen Weg der EU-Annäherung dient vor allem Geld. Eine bereits gestartete Wirtschaftsund Investitionsoffensive sieht vor, in den kommenden Jahren bis zu neun Milliarden Euro an Zuschüssen bereitzustellen. Diese sollen dann zusätzliche 20 Milliarden Euro an Investitionen mobilisieren. Zuletzt wurde zudem noch einmal eine Milliarde Euro zur Abmilderung der Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine bereitgestellt. Kein Entgegenkommen können die Länder hingegen im EU-Beitrittsprozess erwarten. „Das ist ein leistungsbasierter Prozess“, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Dienstag. Wenn er noch mehr als zehn Jahre oder mehr dauere, sei das halt so. Niemand werde aufgenommen werden, ohne die Bedingungen zu erfüllen.