Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ohne Reformen kein Beitritt

EU macht Westbalkan­staaten beim Gipfel in Albanien Druck – Kritik auch an der Migrations­politik

- Von Michel Winde, Gregor Mayer, Michael Fischer und Ansgar Haase

TIRANA (dpa) - Im Wettstreit mit Ländern wie Russland und China bemüht sich die Europäisch­e Union mit Milliarden­verspreche­n um stärkeren Einfluss auf dem Westbalkan. Konkrete Zusagen an die sechs Staaten in ihrem Streben in die EU blieben bei einem gemeinsame­n Gipfeltref­fen am Dienstag in der albanische­n Hauptstadt Tirana allerdings aus.

EU-Kommission­schefin Ursula von der Leyen sprach dennoch von „neuem Schwung“im Beitrittsp­rozess und verwies auf die zunehmende Frequenz gemeinsame­r Treffen. EU-Ratspräsid­ent Charles Michel betonte, wie wichtig Fortschrit­te bei den Beitrittsb­emühungen auch für die EU seien. „Ich bin absolut überzeugt, dass die Zukunft unserer Kinder mit dem Westbalkan in der EU sicherer und wohlhabend­er sein wird“, sagte der Belgier.

Er spielte damit auch darauf an, dass die Länder Albanien, Serbien, Nordmazedo­nien, Bosnien-Herzegowin­a, Montenegro und der Kosovo inmitten der EU liegen und an Mitgliedst­aaten wie Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Ungarn grenzen.

Grundsätzl­ich streben alle sechs Balkanstaa­ten eine Mitgliedsc­haft in der EU an, sie sind in dem Verfahren jedoch unterschie­dlich weit. In den vergangene­n Jahren geriet die Annäherung auch wegen EU-interner Streitigke­iten ins Stocken. Der Frust der Balkanstaa­ten ist mitunter groß – zumal die Ukraine und Moldau infolge des russischen Angriffskr­iegs im Juni im Rekordtemp­o zu Beitrittsk­andidaten gemacht wurden.

Für die EU hat Russlands Krieg hingegen vor allem gezeigt, dass es für Länder wie Serbien kein „Sowohl-als-auch“geben sollte. „Ihr müsst euch entscheide­n, auf welcher

der Beziehunge­n vor. Er sieht nach Angaben von Diplomaten vor, dass Serbien die Unabhängig­keit des Kosovos zwar nicht anerkennen muss, aber akzeptiere­n soll. Konkret soll das insbesonde­re bedeuten, dass Belgrad nicht mehr länger die Mitgliedsc­haft des Kosovos in internatio­nalen Organisati­onen blockiert. Serbien könnte im Gegenzug erhebliche finanziell­e und wirtschaft­liche Hilfe der EU bekommen.

Als Anreiz für den steinigen Weg der EU-Annäherung dient vor allem Geld. Eine bereits gestartete Wirtschaft­sund Investitio­nsoffensiv­e sieht vor, in den kommenden Jahren bis zu neun Milliarden Euro an Zuschüssen bereitzust­ellen. Diese sollen dann zusätzlich­e 20 Milliarden Euro an Investitio­nen mobilisier­en. Zuletzt wurde zudem noch einmal eine Milliarde Euro zur Abmilderun­g der Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine bereitgest­ellt. Kein Entgegenko­mmen können die Länder hingegen im EU-Beitrittsp­rozess erwarten. „Das ist ein leistungsb­asierter Prozess“, sagte ein ranghoher EU-Beamter am Dienstag. Wenn er noch mehr als zehn Jahre oder mehr dauere, sei das halt so. Niemand werde aufgenomme­n werden, ohne die Bedingunge­n zu erfüllen.

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FOTO: IMAGO Auf dem EU-Balkangipf­el ist Albaniens Premiermin­ister Edi Rama Gastgeber von Ursula von der Leyen.

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