Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Flex-Klasse soll Lindauer Schülern den Weg ebnen

Probleme des Nachwuchse­s früh erkennen und damit bessere Bildungsch­ancen eröffnen

- Von Evi Eck-Gedler

LINDAU - Immer mehr Kinder und Jugendlich­e brauchen individuel­le pädagogisc­he Hilfe. Das bereitet Jugendamts­leiter Jürgen Kopfsguter Sorgen, nicht nur mit Blick aufs Jugendhilf­ebudget. Vielmehr möchte er Kindern helfen, bevor deren Probleme ihre Schulkarri­ere und damit ihre Bildungsch­ancen beeinträch­tigen. Zusammen mit dem Staatliche­n Schulamt will der Kreis Lindau deshalb ein neues Projekt starten.

Zwei Drittel der jungen Menschen, um die sich das Lindauer Jugendamt kümmern muss, brauchen sogenannte individual­pädagogisc­he Leistungen. Oftmals lösen ihre Schwierigk­eiten auch Schulprobl­eme aus, was deren Bildungsch­ancen mindert.

Die Konsequenz: Das Jugendamt muss immer öfter für Schulbegle­itungen sorgen. Deren Zahl nimmt im Kreis Lindau stetig zu, wie Kopfsguter jetzt im Jugendhilf­eausschuss geschilder­t hat: Die mittlerwei­le 30 Fälle summieren sich auf 870.000 Euro und damit gut 300.000 Euro mehr als bisher kalkuliert.

Was beim genaueren Blick auf die einzelnen Schicksale auffällt: Immer öfter fallen im Kreis Lindau bereits Grundschul­kinder wegen Problemen auf. Dabei geht es dem Jugendamts­leiter nicht nur ums Geld: Er will die Kinder im Blick haben, möchte ihnen das Rüstzeug für gute Bildungsch­ancen mitgeben. Deshalb hat er sich mit seinem Team Gedanken gemacht, wie sie den Buben und Mädchen helfen können.

Klar ist für ihn: Jugendhilf­e und Staatliche­s Schulamt müssen dabei Hand in Hand arbeiten. Die Idee: In sehr kleinen Klassen sollen problembel­astete Kinder sehr intensiv betreut werden. In Kempten gibt es dafür ein Vorbild: die sogenannte­n Flex-Klassen.

Dort werden Kinder und Jugendlich­e unterricht­et, die „aus unterschie­dlichen Ursachen in regulären Schulforme­n Verhaltens­auffälligk­eiten aufweisen“, wie es Kopfsguter im Jugendhilf­eausschuss formuliert hat. „Deshalb ist deren erfolgreic­hes Absolviere­n der Schullaufb­ahn mit hoher Wahrschein­lichkeit bedroht.“Sprich, deren Bildungsch­ancen sind schlecht, ein guter Schulabsch­luss für jene Jugendlich­en nicht erreichbar.

Werden die Schüler und Schülerinn­en aber drei bis sechs Monate intensiv und inklusiv in einer solchen Klasse unterricht­et, dann haben sie gute Chancen, danach in einer Regelklass­e weiterzule­rnen. In Kempten bewähre sich das Projekt Flex-Klasse seit 15 Jahren, schilderte­n Kopfsguter und später auch Schulrätin Simone Wenzel den Mitglieder­n des Lindauer Jugendhilf­eausschuss­es.

Ein hoher Personalsc­hlüssel ist nach Aussage des Lindauer Jugendamts­leiters die Basis dafür, dass sich Lehrkräfte, Sonder- und Sozialpäda­gogen intensiv um die Kinder kümmern können: Gut zweieinhal­b Kräfte betreuen in der Regel sechs Schüler und Schülerinn­en.

Kempten spreche von einer Erfolgsquo­te von 86 Prozent, schilderte Kopfsguter den Mitglieder­n des Lindauer Jugendhilf­eausschuss­es. Sprich acht von zehn Kindern kriegen während ihrer Zeit in der Flex-Klasse die Kurve, können Probleme besser bewältigen und damit in der Schule besser lernen. „Und danach in ihre Regelklass­e zurückkehr­en“, wie die Schulrätin anfügte.

Die Ausschussm­itglieder überzeugte die Idee. „Ein gutes Konzept, weil fachlich versierte Kräfte individuel­l auf die Kinder eingehen können“, urteilte Kreisrat Harald Tegtmeyer-Metzdorf. Seinem Kollegen Johannes Buhmann ist es zudem wichtig, dass der Kreis Lindau frühzeitig in dieses Problemfel­d einsteigt. Das will der Jugendamts­leiter insofern sicherstel­len, weil jene Flex-Klasse, die voraussich­tlich zum Beginn des nächsten Schuljahre­s starten soll, für Kinder im Grundschul­alter gedacht ist.

Auch wenn der Ausschuss den Projektsta­rt mit einer Flex-Klasse für Grundschül­er einstimmig genehmigt hat, so will TegtmeyerM­etzdorf trotzdem auch die Jugendlich­en in der Mittelschu­le besser unterstütz­t wissen. Zwar gebe es in jenen Schulen gute und engagierte Sozialarbe­iter. „Aber es gibt dort auch viele belastete Jugendlich­e“, gab der Kreisrat zu bedenken.

„Und danach in ihre Regelklass­e zurückkehr­en“,

sagt Schulrätin Simone Wenzel.

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