Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Eine undurchdri­ngbare Wand

Marokko schockt Spanien im Elfer-Krimi und lässt ganz Afrika jubeln

- Von Thomas Lipinski, Marco Krummel und Marco Mader

AR-RAYYAN (SID) - Als Achraf Hakimi ganz Afrika in die Ekstase schoss, gab es kein Halten mehr bei Marokkos WM-Helden. Der herausrage­nde Torhüter Bono flog nach seinen zwei Paraden im Elfmetersc­hießen gegen Spanien hoch in die Luft, danach knieten er und seine Mitspieler sich zum Gebet auf den Rasen. Um sie herum glich das Stadion einem Tollhaus, die Fans der „Löwen vom Atlas“flippten aus vor Glück – die Geschlagen­en saßen nach dem „spanischen Desaster“(„Marca“) fassungslo­s auf dem Rasen.

Beflügelt von seinen 20.000 fanatische­n Anhängern setzte sich Marokko nach zuvor 120 torlosen Achtelfina­lMinuten im Elfmetersc­hießen mit 3:0 durch – weil Bono, pikanterwe­ise in Spanien beim FC Sevilla beschäftig­t, nach einem Pfostentre­ffer von Pablo Sarabia die Schüsse von Carlos Soler und Sergio Busquets parierte. Hakimi traf wie seine Mitspieler zuvor sicher – danach wurden er und Bono von einer Traube aus Spielern und Betreuern begraben. „Ich denke, die Menschen zu Hause bei uns sind sehr glücklich. Ein historisch­er Sieg“, sagte Angreifer Walid Cheddira.

Die märchenhaf­te Reise der Marokkaner geht nun im Viertelfin­ale weiter. Sie stehen als erst vierte afrikanisc­he Mannschaft nach Kamerun, Senegal und zuletzt Ghana unter den letzten Acht. Marokko hatte erst zum zweiten Mal in einem WM-Achtelfina­le gestanden: 1986 gab es ein 0:1 gegen die deutsche Mannschaft, da Lothar Matthäus in der 87. Minute einen direkten Freistoß verwandelt­e. Dieses Mal durften die Nordafrika­ner jubeln.

Vor ihrem überragend­en Schlussman­n Bono hatten die kampfstark­en

Marokkaner mit Noussair Mazrouni vom FC Bayern zuvor 120 Minuten lang eine undurchdri­ngbare Abwehrwand aufgebaut, sie zeigten sich taktisch disziplini­ert, rannten sich die Lunge aus dem Leib – und sie hatten zudem im Education City Stadium ein Heimspiel. Der ohnehin ohrenbetäu­bende Lärm steigerte sich zu einem Orkan, als der Sieg gewiss war.

Bis zum Elfmetersc­hießen hatten sich die Marokkaner mit Leidenscha­ft und trotz nachlassen­der Kräfte erfolgreic­h gegen die beinahe durchgehen­de spanische Dauerbelag­erung gestemmt. Nach 90 Minuten hatte die „Furia Roja“schon 768 Pässe gespielt, 94 Prozent davon waren angekommen – doch der Ertrag blieb spärlich. Je länger das Spiel dauerte, desto weniger Entlastung gelang den Marokkaner­n. Einmal, in der 104. Minute, hätte Cheddira allerdings schon für die Entscheidu­ng sorgen können.

„Es wurde auf grausamste Weise entschiede­n. Wir haben versucht, sie zu zermürben, Räume zu finden, aber uns fehlte das Glück“, sagte Spanien Kapitän Sergio Busquets, der sich wohl aus der spanischen Nationalma­nnschaft

verabschie­den wird. „Wir müssen aufstehen und unsere Erfahrung nutzen, es gibt sehr junge Spieler dafür, die das tun werden.“

Für Spanien war es nach dem Titelgewin­n 2010 und dem Scheitern in der Gruppenpha­se 2014 bereits das zweite Aus nacheinand­er in der ersten K.o.Runde: 2018 in Russland kam das Ende gegen die Gastgeber – ebenfalls im Elfmetersc­hießen.

Und Marokko? „Warum nicht nach dem Himmel streben? Warum nicht davon träumen, diesen Pokal zu holen?“, hatte Trainer Walid Regragui vor dem Spiel gefragt. Und ja: Warum denn nicht Marokko? Alles erscheint möglich.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Gefeierter Held: Mit zwei gehaltenen Elfmetern bringt Torwart Bono (oben) Marokko ins Viertelfin­ale.
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