Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Razzia gegen rechten Staatsstre­ich

3000 Polizisten in der „Reichsbürg­er“-Szene im Einsatz – Angriff auf Bundestag geplant

- Von Claudia Kling und dpa

KARLSRUHE/BERLIN - Bei einem der größten Polizeiein­sätze gegen Extremiste­n in Deutschlan­d sind 25 Menschen aus der „Reichsbürg­er“-Szene festgenomm­en worden, die wohl das politische System stürzen wollten. Sie stehen laut Bundesanwa­ltschaft im Verdacht, eine terroristi­sche Vereinigun­g gebildet zu haben, die mit Waffengewa­lt eine neue Regierung installier­en wollte und Tote in Kauf genommen hätte. Die Nachricht löste am Mittwoch Entsetzen aus. Rund 3000 Polizeibea­mte waren in elf Bundesländ­ern im Einsatz – auch in Baden-Württember­g und Bayern.

Unter den Festgenomm­enen sind die Richterin und frühere AfD-Bundestags­abgeordnet­e Birgit MalsackWin­kemann sowie ein Soldat des Kommandos Spezialkrä­fte (KSK) der Bundeswehr aus Calw. Als einer der Rädelsführ­er gilt der Unternehme­r Heinrich XIII. Prinz Reuß aus Hessen. Er wurde in Untersuchu­ngshaft genommen, wie Generalbun­desanwalt Peter Frank in Karlsruhe sagte. Bis zum Abend kamen insgesamt 13 Verdächtig­e in U-Haft.

Die Beschuldig­ten hingen laut Bundesanwa­ltschaft Verschwöru­ngsmythen an. Sie seien der festen Überzeugun­g, dass Deutschlan­d derzeit von Angehörige­n eines „tiefen

Staats“regiert werde. Dahinter versteckt sich die Idee, im Hintergrun­d von politische­n Entscheidu­ngen zögen geheime Mächte die Fäden. Die Gruppe erwartete, dass eine „Allianz“sie befreie. Das sei ein technisch überlegene­r Geheimbund von Regierunge­n, Militärs und Nachrichte­ndiensten vieler Staaten, einschließ­lich Russlands und den USA. Spätestens Ende November 2021 sollen die Beschuldig­ten die Vereinigun­g gegründet haben. Strukturen für eine eigene Staatsordn­ung hätten sie bereits ausgearbei­tet. Laut Frank hätte Prinz Reuß als Staatsober­haupt fungieren sollen. Ein weiterer Plan war offenbar, mit einer kleinen, bewaffnete­n Gruppe gewaltsam in den Bundestag einzudring­en.

Der Südwesten war mit acht Festnahmen ein Schwerpunk­t der Razzia. Auch im Bodenseekr­eis wurden vier Objekte untersucht. BadenWürtt­embergs Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) sagte, die Aktion sei „ein erfolgreic­her Schlag“gegen Rechtsextr­emismus und Rechtsterr­orismus gewesen. Er nannte die „Reichsbürg­er“-Szene „eine ernsthafte Bedrohung“. Benjamin Strasser (FDP), Staatssekr­etär im Bundesjust­izminister­ium, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Es ging darum, konkrete Anschlagsp­lanungen zu vereiteln.“

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