Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zuhören ist wichtig
Manchmal, so sagen es Psychologen, Psychotherapeuten und Seelsorger, brauche der Mensch einfach jemanden zum Reden. Wobei es unerheblich ist, ob das Gegenüber auch irgendwas sagt. Hauptsache, die zugeschnürte Seele darf sich einmal so richtig Luft verschaffen. Nicht wenige Leute sind überzeugt, dass dieses Zuhören auch das Geheimnis der Homöopathie ist. Denn wer nicht ständig mit teuren schulmedizinischen Apparaten herumzuhantieren hat, kann einfach ein besserer Zuhörer sein. Fairerweise sollte man sich überlegen, wenn das Zuhören offenbar eine derart heilende Wirkung hat, den Beruf der Zuhörerin und des Zuhörers zu professionalisieren. Zum Beispiel mit einem Hochschulstudium, in dem gelehrt wird, selbst das abstruseste Gelaber mit einem stoischen Lächeln zu ertragen. Denn nur dann hat das Zuhören auf den die Sorgen Ausschüttenden einen positiven Effekt.
Solange dieser überzeugt ist, dass der Zuhörer ihn nicht für komplett bescheuert hält. Darum können im Rahmen des Studiums auch ein paar Semester angewandte Schauspielkunst nicht schaden.
Es wäre vom gesellschaftlichen Standpunkt aus betrachtet wünschenswert, dass die entstehende Zuhör-Branche ihre heilsame Wirkung dann auch als Kassenleistung bezahlt bekäme. Als abrechenbare Tarife schlagen wir vor: 20 Minuten Wutanfall übers Gendern 40 Euro, 15 Minuten Klimaleugnung 24,60 Euro und für zwischendrin in der Mittagspause – fünf Minuten Fluchen über die Inflation für 9,99 Euro. Aber greifen Sie schnell zu. Morgen könnte es schon wieder viel teurer sein! (nyf)