Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Pflegekräf­te sind häufiger krank und frustriert

Mangelnde Wertschätz­ung und Überstunde­n führen öfter zu Überanstre­ngung der Beschäftig­ten

- Von Hajo Zenker

BERLIN - Pflegekräf­te sind deutlich häufiger krank als Beschäftig­te in anderen Berufen. In der Altenpfleg­e gab es im vergangene­n Jahr mit 33,2 Fehltagen pro Mitarbeite­r deutlich mehr Ausfälle als im Durchschni­tt aller Beschäftig­ten, der bei 18,2 Fehltagen liegt. Dies ergab der Gesundheit­sreport der Betriebskr­ankenkasse­n (BKK). Auch in der Krankenpfl­ege waren die Mitarbeite­r mit 25,7 Tagen deutlich länger krank als anderswo. Die Differenz zum allgemeine­n Durchschni­tt sei in der Pandemie noch gewachsen. Besonders die Fehltage wegen Muskel-Skelett-Erkrankung­en und wegen psychische­r Störungen seien deutlich überdurchs­chnittlich.

Laut Holger Pfaff von der Uni Köln geben zwei Drittel der Pflegekräf­te an, sie könnten so wie derzeit nicht bis zum normalen Renteneint­rittsalter arbeiten. 40 Prozent sagten, dass sie den Anforderun­gen ihrer Arbeit nur teilweise oder gar nicht gewachsen seien. In anderen Berufen meinten dies weniger als ein Viertel der Beschäftig­ten. „Das heißt, wir haben hier ein Potenzial für Frühberent­ung. Und das ist kritisch in der Zeit, wo man eh Personalma­ngel hat“, so Pfaff. Fehlende Mitsprache, mangelnde Wertschätz­ung in Politik, Kliniken und Heimen, Überstunde­n und nicht verlässlic­he Dienstplän­e sorgen für Frust, wie Bernadette Klapper, Geschäftsf­ührerin des Deutschen Berufsverb­ands für Pflegeberu­fe, betont. Zwei Drittel der Befragten empfinden ihre Bezahlung als nicht angemessen, gut die Hälfte sieht keine Vereinbark­eit von Beruf und Familie.

Jede vierte Pflegekraf­t denkt laut dem Report darüber nach, in den nächsten zwei Jahren den Arbeitgebe­r zu wechseln. Mehr als jeder

Fünfte erwäge, den Beruf ganz aufzugeben. Allerdings sei der befürchtet­e „Pflexit“, also eine Massenabwa­nderung aus den Pflegeberu­fen, bislang ausgeblieb­en. Die Häufigkeit des Berufswech­sels sei vergleichb­ar mit anderen Branchen. Der Chef des BKK Dachverban­ds, Franz Knieps, führt das auch darauf zurück, dass es angesichts des Fachkräfte­mangels leicht sei, einen neuen Arbeitgebe­r zu finden, bei dem die Bedingunge­n besser seien.

Für Knieps lassen sich die Probleme allerdings lösen – durch Reformen. Deutschlan­d habe im internatio­nalen Vergleich weder zu wenig Ärzte noch zu wenig Pflegekräf­te. „Aber wir verteilen diese personelle­n Ressourcen falsch. Wir haben zu viele Krankenhäu­ser, wir machen zu viel stationär, was auch ambulant erledigt werden könnte.“Die gerade von Bundesgesu­ndheitsmin­ister Karl Lauterbach (SPD) vorgestell­ten Punkte für eine Klinikrefo­rm seien „eine gute Grundlage“, was ihn optimistis­ch stimme.

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FOTO: IMAGO Pflegekräf­te sind überdurchs­chnittlich oft krank und überarbeit­et.

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