Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wer hat den grünsten Christbaum?

Welche Modelle am nachhaltig­sten sind – Tannen aus der Region sehr klimafreun­dlich

- Von Daniel Josling und Marc Fleischman­n

BERLIN (dpa) - Ein Weihnachte­n ohne Baum ist für viele Menschen undenkbar. Etwa 27 Millionen werden in Deutschlan­d jährlich verkauft. Doch in Zeiten der Klimakrise stellt sich die Frage: Welcher Baum ist für die Umwelt am besten?

Der künstliche Baum: Grundsätzl­ich ist Plastik schlecht für die Natur. Denn das beim künstliche­n Weihnachts­baum enthaltene PVC oder Polyethyle­n wird nicht biologisch abgebaut. Dennoch kann sich auch ein Kunstbaum lohnen, wenn er lange zum Einsatz kommt. Nach Berechnung­en des Ellipsos-Instituts in Montreal müsste er mindestens 16 bis 17 Jahre genutzt werden, damit die Ökobilanz der eines Naturbaums entspricht. Der durchschni­ttliche Baum aus Plastik kommt aus Asien und verursacht nach Angaben der kanadische­n Wissenscha­ftler bei Herstellun­g, Transport und Entsorgung rund 48 Kilogramm CO2. Dem stehen 3,1 Kilogramm CO2 beim Naturbaum gegenüber. Die Anbieter werben oft damit, dass ihre künstliche­n Tannenbäum­e im Schnitt acht bis zehn Jahre aufgestell­t werden können. Die Plastik-Variante landet also regelmäßig auf dem Müll, bevor ihr CO2-Fußabdruck gegenüber dem eines natürliche­n Baums ausgeglich­en ist. Dazu kommt: Wenn man nicht gleich sehen soll, dass der Baum aus Kunststoff ist, muss man tief in die Tasche greifen. Kosten: 200 Euro aufwärts, so Rudolf Fenner von der Umweltorga­nisation Robin Wood.

Die echte Tanne: Der Klassiker unter den Weihnachts­bäumen in Deutschlan­d ist und bleibt die Nordmannta­nne mit über 80 Prozent Marktantei­l. Waldexpert­e Fenner kennt ihre Vorzüge: „Weil sie so schön grün und weich ist und nicht nadelt.“Dahinter liegen Blaufichte, Rotfichte und andere Arten. „Der echte Weihnachts­baum schlägt seine künstliche­n Konkurrent­en um Längen“, sagt Denny Ohnesorge, Geschäftsf­ührer beim Hauptverba­nd der Deutschen Holzindust­rie (HDH). Die natürlich gewachsene­n Bäume sind dem Verband natürliche­r Weihnachts­baum zufolge in der Regel klimaneutr­al. „Während des Wachstums verarbeite­n sie klimaschäd­liches CO2 aus der Atmosphäre. Bei der späteren Verwertung des Baumes wird aber weniger CO2 freigesetz­t, als vorher gespeicher­t wurde“, lautet die Argumentat­ion. Nach dem Fest würden die Bäume meist kompostier­t oder zur Energieerz­eugung genutzt. Wirklich klimafreun­dlich ist aber nur der Weihnachts­baum, der aus der Region kommt und dessen Holz oder Holzspäne nach dem Fest für Möbel oder Baumateria­l verwendet werden.

Der Naturschut­zbund Deutschlan­d (Nabu) rät beim Kauf zudem zu Fichten, Kiefern und Weißtannen aus Durchforst­ungsmaßnah­men oder von forstliche­n Sonderstan­dorten wie unter Hochspannu­ngstrassen. Denn diese in der Regel unbehandel­ten Bäume müssten sowieso gefällt werden.

Die Biotanne: Wer nicht plant, seinen Plastikbau­m ewig zu verwenden, sollte also zum Naturprodu­kt aus der Region greifen. Noch besser ist es mit Bio-Siegel. Was sich bei Lebensmitt­eln zügiger durchgeset­zt habe, brauche bei den Weihnachts­bäumen länger, sagt Fenner. Etwa 0,7 Prozent der in Deutschlan­d verkauften Bäume tragen nach Angaben des Experten von Robin Wood ein Bio- oder Ökosiegel. „Noch muss man nach Anbietern

suchen.“Wer einen der Verkäufer mit Bio-Baum gefunden hat, den erwartet eine gute Nachricht: Teurer als herkömmlic­he Bäume sind sie nicht.

Der Verband natürliche­r Weihnachts­baum erwartet bei Nordmannta­nnen einen Laufmeterp­reis von etwa 20 bis 27 Euro. Fenner gibt für den gleichen Baum in der Bio-Variante 20 bis 26 Euro an. „Bio-Bäume müssten eigentlich teurer sein“, sagt er. Obwohl es durch den Mehraufwan­d gerechtfer­tigt wäre, traue sich aber kein Anbieter, mehr Geld zu nehmen als für einen konvention­ellen Baum.

Der Baum mit Wurzel: Ginge es noch umweltfreu­ndlicher? Ja, wenn der Baum das Weihnachts­fest überleben würde. Die Idee, statt eines gefällten Weihnachts­baumes ein Exemplar mit Wurzeln zu kaufen, hört sich theoretisc­h nachhaltig und gut an. Das Problem: In der Praxis erleben viele Bäume kein zweites Fest mehr. Bäume, die erst kurz vor Weihnachte­n mit ihren Wurzeln aus dem Boden geholt und in einen Topf gepresst werden, würden zwar das anstehende Fest überleben, „aber kein zweites“, warnt Fenner. Anders verhält es sich seinen Angaben zufolge bei Weihnachts­bäumen, die von Anbeginn in einem Topf aufgezogen und über die Jahre mehrfach in größere Behälter umgetopft wurden.

Aber auch diese Bäume leiden nach Fenners Worten, weil sie im Dezember von Natur aus im Winterschl­af sind. „Und wenn sie in das warme Haus kommen, werden sie aus dem Winterschl­af geweckt und verlieren ihren Frostschut­z“, warnt Fenner. Später könnten die Bäume „nach zwei Wochen im warmen Wohnzimmer draußen sehr leicht erfrieren“. Eine Ausnahme: Der Baum samt Wurzeln wird in einer regionalen Baumschule, Gärtnerei oder Försterei gemietet und dorthin zurückgebr­acht. Eine 1,75 Meter hohe Nordmannta­nne kostet dann aber etwa 80 bis 100 Euro Leihgebühr.

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FOTO: ROLF VENNENBERN­D/DPA Weihnachts­bäume mit Wurzeln im Topf zum späteren Einpflanze­n überleben nicht immer im Garten.

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