Schwäbische Zeitung (Tettnang)

US-Präsident Biden fühlt sich an den Sturm aufs Kapitol vor zwei Jahren erinnert

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Joe Biden fühlte sich an die Ereignisse vom 6. Januar 2021 erinnert, als er die Bilder aus Brasilia sah. Dort hatten radikale Anhänger des abgewählte­n Präsidente­n Jair Bolsonaro am Sonntag das Parlament, den Präsidente­npalast und das Oberste Gericht gestürmt. „Ich verurteile den Angriff auf die Demokratie und den friedliche­n Machttrans­fer in Brasilien“, erklärte der US-Präsident, den die Nachricht auf dem Weg zu seinem ersten Staatsbesu­ch nach Mexiko erreicht hatte. Biden nannte die Situation „ungeheuerl­ich“und sicherte Präsident Lula da Silva und den demokratis­chen Institutio­nen Brasiliens „unsere volle Unterstütz­ung“zu. Zu Wort meldete sich auch Ex-Präsident Jair Bolsonaro, der das Geschehen in Brasil aus knapp zehnPräsid­enten tausend Kilometer Entfernung in Florida verfolgt hatte. Erst als anfänglich überwältig­te Sicherheit­skräfte die Lage unter Kontrolle hatten, rief der abgewählte Rechtspopu­list seine Anhänger auf, auf Gewalt zu verzichten. Mit einem Seitenhieb auf seine politische­n Gegner erklärte Bolsonaro, „das Eindringen in öffentlich­e Gebäude heute wie damals von der Linken 2013 und 2017 bewegt sich außerhalb des Gesetzes“.

So hatte es auch Donald Trump gemacht, der 187 Minuten lang untätig zuschaute, wie seine Anhänger am 6. Januar 2021 den Kongress gestürmt hatten, bevor er die Aufständis­chen in einem Video aufrief, nach Hause zu gehen. Auch der Rest des Drehbuchs könnte direkt von dem abgewählte­n USstammen. Wie Trump fehlte auch Bolsonaro bei der feierliche­n Amtsüberga­be an den Wahlsieger. Das war vor mehr als einer Woche am Sonntag, als da Silva den „Sash“genannten Stab des Präsidente­n nicht in Fortführun­g einer demokratis­chen Tradition seit Ende der Militärdik­tatur 1985 von seinem Vorgänger erhielt, sondern wegen dessen Abwesenhei­t von einem Müllmann.

Bolsonaro hatte sich zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer tränenreic­hen Rede verabschie­det. Er flüchtete in das Haus eines befreundet­en Kampfsport­lers, der ihm unweit von Disney World vor den Toren Orlandos Asyl gewährt. Es hieß, er wolle mindestens einen Monat dort blieben. Mehrere USPolitike­r wie der Demokrat Joaquín

Castro forderten nun die Ausweisung Bolsonaros. Die USA sollten „kein Zufluchtso­rt für diesen autoritäre­n Mann sein, der den Terrorismu­s in Brasilien inspiriert hat“. Die Linke Alexandria Ocasio-Cortez hob hervor, „beinahe auf den Tag genau“zwei Jahre nach dem Sturm auf das US-Kapitol hätte „eine faschistis­che Bewegung den gleichen Versuch in Brasilien unternomme­n“. Die USA müssten aufhören, Bolsonaro in Florida Zuflucht zu gewähren.

Auffällig ruhig blieb es bei den Republikan­ern. Der neue Speaker im Repräsenta­ntenhaus, Kevin McCarthy, und Minderheit­sführer Mitch McConnell schwiegen ebenso zu dem Aufstand in Brasilien wie auch Trump, der sich für die Wiederwahl Bolsonaros eingesetzt hatte. (tjs)

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