Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Deutschland droht massive Wohnungsnot
Aktuell fehlen 700.000 Wohnungen – Südwesten setzt auf Zahlung einer 6000-Euro-Prämie
BERLIN - Die Wohnungsnot in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr noch einmal drastisch verschärft. Nach einer Wohnungsbaustudie des Pestel-Instituts in Hannover fehlten mehr als 700.000 Wohnungen. „Das ist das größte Defizit seit mehr als 20 Jahren“, sagte der Leiter des Instituts, Matthias Günther, in Berlin. Dort stellte das Verbändebündnis „Soziales Wohnen“, dem unter anderem der Deutsche Mieterbund, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) und Verbände des Bauwesens angehören, seine Forderungen an die Bundesregierung vor, um mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung: Der Staat soll bis 2025 ein Sondervermögen von 50 Milliarden Euro auflegen, um den sozialen Wohnungsbau in Schwung zu bringen. Die außergewöhnliche Problemlage erfordere „außergewöhnliche Lösungsansätze“, so Lukas Siebenkotten, der Präsident des Deutschen Mieterbunds. Baden-Württembergs Landesregierung setzt auf einen anderen Weg: Das Land kündigte an, künftig eine Prämie von 6000 Euro an Bauherren für jede fertiggestellte Wohneinheit zu zahlen. Voraussetzung sei, dass bei jedem Vorhaben mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen vorgesehen seien, teilte die baden-württembergische Wohnungsbauministerin Nicole Razavi am Donnerstag in Stuttgart mit. „Wir wollen mit der Realisierungsprämie erreichen, dass preisgedämpfte Wohnungen tatsächlich weiterhin gebaut werden“, sagte die CDU-Politikerin. So könne man erreichen, dass zum einen der soziale Wohnungsbau nicht zum Erliegen komme und zum anderen zusätzlicher preisgünstiger Wohnraum entstehe.
Die Lage in Deutschland hat sich im vergangenen Jahr auch wegen der hohen Zuwanderung weiter zugespitzt. Laut einer neuen Studie sind 2022 schätzungsweise 1,5 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen. Gleichzeitig gerieten Bauprojekte wegen hoher Materialkosten und Lieferschwierigkeiten von Baumaterial ins Stocken.
Die zuletzt massiv in der Kritik stehende Verteidigungsministerin absolviert derzeit einen Termin bei der Truppe nach dem anderen: Am Donnerstag traf Christine Lambrecht in Marienberg im Erzgebirge deutsche Soldaten der Schnellen Eingreiftruppe der Nato, die wegen der Pannen beim Puma nun den älteren Schützenpanzer Marder erhalten (Foto: Robert Michael/ dpa). In ihrer Partei, der SPD, ist unterdessen eine Debatte über den Umgang mit Wladimir Putin ausgebrochen. Die Fraktion forderte nun, den Gesprächsfaden mit Russland nicht abreißen zu lassen. POLITIK
Die Ampel hatte in ihrem Koalitionsvertrag 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, davon 100.000 öffentlich geförderte, in Aussicht gestellt, doch von diesem Ziel ist sie weit entfernt, wie Bauministerin Klara Geywitz (SPD) einräumt. Nach Schätzungen des Pestel-Instituts sind 2022 zwischen 260.000 und 280.000 Wohnungen entstanden, nur 20.000 davon im sozialen Wohnungsbau. Der Forderung, dass der Bund vor allem mehr Geld zuschießen müsse, trat Geywitz nun entgegen. Die Milliardenförderungen im Jahr 2022 hätten nicht dazu geführt, „dass die Bautätigkeit sich ausgeweitet hat“, so Geywitz. Es sei im Gegenteil weniger gebaut worden. „Geld allein bringt gar nichts.“LEITARTIKEL, POLITIK