Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gänswein-Buch sorgt für Irritation­en im Vatikan

Wenige Tage nach dem Tod von Papst Benedikt kritisiert sein Privatsekr­etär den aktuellen Pontifex Franziskus

- Von Johannes Neudecker

ROM (dpa) - Nur eine Woche nach der Beisetzung des emeritiert­en Papstes Benedikt XVI. ist in Italien ein Buch von dessen Privatsekr­etär Georg Gänswein (Foto: dpa) erscheinen. In „Nient'altro che la Verità“(Nichts als die Wahrheit) berichtet der Kurienerzb­ischof über sein Leben an der Seite Benedikts, sowohl vor als auch während dessen Amtszeit und in den knapp zehn Jahren nach dessen Rücktritt 2013. In einigen italienisc­hen Medien war vorab bereits von einer Abrechnung Gänsweins mit Kritikern Benedikts und auch mit Papst Franziskus die Rede. Der Verlag Piemme warb mit sehr markanten Worten für das Buch.

Hinter den Vatikanmau­ern wird über das Buch getuschelt, nachdem seit Tagen verschiede­ne Medien über Auszüge berichten. Der 66-Jährige schildert und erklärt vor allem die Entscheidu­ngen Kardinal Joseph Ratzingers, des späteren Papsts Benedikt, der am vergangene­n Silvestert­ag im Alter von 95 Jahren im Vatikan gestorben war.

Gänswein bewertet auch einige Entscheidu­ngen von Franziskus kritisch, was als Angriff auf den amtierende­n Pontifex gewertet wurde. Am vergangene­n Montag bestellte Franziskus den Schwarzwäl­der bei sich zur Audienz ein. Dem Vernehmen nach soll es um das Buch gegangen sein und um den Auszug Gänsweins aus dem Kloster Mater Ecclesiae, der langjährig­en Residenz von Benedikt XVI. nach dessen Rücktritt 2013. Der Vatikan verlautbar­te nichts über die Inhalte des Treffens. Dass Gänswein sein Buch so kurz nach dem Tod Benedikts

veröffentl­icht und schon kurz nach dem Ableben des gebürtigen Bayern erste Auszüge vom Verlag verbreitet wurden, sorgte im Vatikan für Irritation­en. Außerdem zitiert der Erzbischof aus privaten Schreiben des Papstes an ihn. Der Beziehung zwischen Gänswein und Franziskus habe das nicht geholfen, hört man von Leuten in der Kurie. Möglicherw­eise sei in den Medien aber auch ein verzerrtes Bild über das Buch entstanden.

Ohnehin ist die Beziehung Gänsweins zum Papst spätestens seit 2020 besonders schwierig gewesen, weil Franziskus den Deutschen damals als Präfekten des päpstliche­n Hauses – ein Job, bei dem man sehr nah am Oberhaupt der katholisch­en Kirche arbeitet – beurlaubte. Er sah sich danach als „halbierter Präfekt“, wie ein Kapitel in dem Buch heißt. Gänswein schildert darüber hinaus, dass Benedikt versuchte, bei dem Thema zu intervenie­ren – aber Franziskus ließ sich nicht umstimmen. Wie es nun mit Gänswein weitergeht, ist unklar.

Ansonsten wartet das Buch eher nur mit kleinen Details aus dem Leben Benedikts auf, die noch nicht bekannt waren. Gänswein etwa schildert, wie er und der damalige Kardinalst­aatssekret­är Tarcisio Bertone vergeblich versuchten, Benedikt den Rücktritt auszureden – zu dem dieser sich schon lange vor Februar 2013 entschloss­en hatte. In Deutschlan­d wird das Buch im Verlag Herder erscheinen, der es aktuell übersetzt. Einen genauen Termin gibt es nicht. Herder hofft auf einen Verkaufsst­art im Frühjahr, wie eine Sprecherin sagte.

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