Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Auftakt zu einer epischen Schlammschlacht
Neuer Geheimdokumenten-Fund belastet US-Präsident Biden – Trump-Verbündeter leitet Untersuchungsausschuss
WASHINGTON - Das Timing könnte für die neue Mehrheit im Repräsentantenhaus kaum besser sein. Nach dem Desaster bei der Speaker-Wahl verschiebt die Enthüllung über den Fund von Geheimdokumenten aus seiner Zeit als Vizepräsident in einem Privatbüro Joe Bidens die Aufmerksamkeit auf den Mann, den die Republikaner schon vorher im Kongress mit Untersuchungen überziehen wollten.
„Wir werden Antworten verlangen“, erklärte Elise Stefanik, die der neuen Führung der Republikaner im Repräsentantenhaus angehört. Die Federführung wird der mächtige Kontrollausschuss des Repräsentantenhauses (House Oversight Comitee) unter Vorsitz James Comers übernehmen.
Am Donnerstag stellten sich mehr Fragen zu dem Umgang Bidens mit geheimen Staatsdokumenten, nachdem US-Medien über einen zweiten Dokumentenfund berichtet hatten. Wie der Fernsehsender NBC erfuhr, handelt es sich abermals um Geheimunterlagen. Bidens Hausanwalt Richard Sauber bestätigte am Donnerstag den zweite Fund. Eine „Kleine Zahl“an Dokumenten sei in der Garage des Privathauses in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware und einem angrenzenden Raum gefunden worden. Über den Inhalt der Dokumente machte Sauer keine Aussage. Anfang der Woche hatte die
Enthüllung des ersten Funds von zehn Dokumenten am 2. November vergangenen Jahres in einem Privatbüro des „Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement“in Washington den Staatsbesuch des Präsidenten in Mexiko überschattet. In einer ersten Reaktion hatte sich Biden „überrascht“gezeigt, dass seine Anwälte bei der Räumung des Büros Regierungs-Dokumente gefunden hatten. Auch könne er sich nicht an den Inhalt der Papiere erinnern.
CNN hatte am Mittwoch unter Berufung auf Personen, die mit dem Vorgang vertraut sind, berichtet, es handele sich um geheime Informationen zur Ukraine, Iran und Großbritannien.
Bidens Anwälte hatten die Unterlagen unaufgefordert an das zuständige Nationalarchiv übergeben, das per Gesetz für die Aufbewahrung aller Regierungsdokumente zuständig ist. Dieses unterrichtete das Justizministerium, weil es sich um einen Verstoß gegen das Gesetz zum Umgang mit vertraulichen Regierungsdokumenten handeln könnte. Justizminister Merrick Garland beauftragte den von Donald Trump benannten Bundesanwalt von Chicago, John Lausch, die Unterlagen zu sichten.
Während dessen Untersuchung vor dem Abschluss steht, blieben die weiteren Details des Fundes in der Garage von Bidens Privathaus unklar. Die Papiere seien bei weiteren Nachforschungen der Biden-Anwälte an einem anderen Ort gefunden worden, hieß es. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, ging der Frage aus dem Weg, warum die Informationen über den ersten Fund mehr als zwei Monate zurückgehalten wurden.
Diese und andere Fragen dürften im Mittelpunkt der Anhörungen stehen, die der Kontrollausschuss angekündigt hat. Eine von mehreren Untersuchungen, mit denen die Republikaner den Präsidenten vor sich hertreiben wollen.
Auf massive Kritik stieß unter anderem auch die Einsetzung eines Ausschusses, der untersuchen soll, wie das Justizministerium und die Bundespolizei angeblich politisiert worden sind, um Donald Trump und den Republikanern zu schaden. Vorsitzender des sogenannten „Select
Subcommittee on the Weaponization of the Federal Government“wird der Trump-Verbündete Jim Jordan.
Der Abgeordnete aus Ohio gehört dem „Freedom Caucus“an, aus dessen Reihen der Widerstand gegen die Wahl Kevin McCarthy zum Speaker kam.
Dieser macht eine Reihe an Zugeständnissen an den rechten Flügel, zu denen dem Vernehmen nach auch weitgehende Befugnisse für das Komitee gehören. „Wir werden niemanden jagen, wir wollen nur, dass es aufhört“, orakelte Jordan über die Stoßrichtung der Untersuchungen.
„Es“ist der „tiefe Staat“, der in den Verschwörungserzählungen der Trump-Welt darauf aus ist, den Amerikanern ihre Freiheit zu nehmen. Dieser habe versucht, Trumps Präsidentschaft zu untergraben und – wie Jordan behauptet – „Konservative lächerlich zu machen.“
Die Demokraten haben einen ganz anderen Verdacht. Das Komitee verfolge das alleinige Ziel, die Ermittlungen gegen Trump und das Netz der Verschwörer bei dem gescheiterten Putsch vom 6. Januar zu behindern.
Im Kongress zeichnet sich damit eine epische Schlammschlacht ab, die den Boden für den Präsidentschaftswahlkampf 2024 bereitet. Trump hat bereits seine erneute Bewerbung für eine Kandidatur angekündigt. Biden wollte sich Anfang dieses Jahres entscheiden, ob er für eine zweite Amtszeit antreten wird.