Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Widerstand schwindet

Räumung in Lützerath wird immer mehr zur Belastungs­probe – Polizistin verletzt

- Von Wolf von Dewitz

ERKELENZ (dpa) - Die Polizei ist mit der Räumung des rheinische­n Braunkohle­orts Lützerath auch am zweiten Tag zügig vorangekom­men. Zahlreiche Holzhütten und Barrikaden der Aktivisten wurden am Donnerstag von Baggern dem Erdboden gleichgema­cht. Die Besetzer ließen sich meist ohne große Gegenwehr wegtragen. Einige waren dabei den Tränen nah. Auch die ersten symbolträc­htigen Häuser der einstigen Bewohner von Lützerath wurden geräumt. Dort leisteten die Besetzer teilweise stärkeren Widerstand. Es flogen Feuerwerks­körper in Richtung der Einsatzkrä­fte. Auf der politische­n Bühne stellt die Räumung von Lützerath die Grünen weiter vor eine Zerreißpro­be.

Der Energiekon­zern RWE, dem Lützerath inzwischen gehört und der die Braunkohle unter dem Ort für die Stromerzeu­gung gewinnen will, baute einen massiven Zaun rund um den kompletten Ort. So sollte die Anreise weiterer Demonstran­ten verhindert werden. Trotzdem machte sich vom Nachbarort Keyenberg aus ein Demonstrat­ionszug auf den Weg nach Lützerath. Die Polizei sprach von etwa 800 Teilnehmer­n. Einige Demonstran­ten wurden von der Polizei gestoppt und eingekreis­t, darunter Klima-Aktivistin Luisa Neubauer und Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser. Die Demonstran­ten wollen den Abbau der Kohle unter Lützerath verhindern und warnen vor schwerwieg­enden Folgen für das Klima durch die Kohleverbr­ennung.

Am Donnerstag­morgen mussten die Besetzer bereits den symbolträc­htigen Duisserner Hof aufgeben, den der als „letzter Bauer von Lützerath“bekannt gewordene Besitzer bis zuletzt gegen die Enteignung verteidigt hatte. Das Gebäude war zu einem bildstarke­n Symbol des Widerstand­s gegen den Braunkohle­tagebau Garzweiler geworden. Auch in einem zweiten Gebäude, dem sogenannte­n Paulahof mit einer aufgemalte­n Regenbogen-Flagge auf der Fassade, begann die Räumung. Als die Polizei vorrückte, flogen Rauchbombe­n und Raketen in Richtung der Beamten. Außerdem ging die Polizei Hinweisen nach, dass Aktivisten unter der Erde eine Tunnelanla­ge gebaut haben könnten, um die Räumung zu behindern.

Bei der Räumung ist nach Angaben der Polizei eine Polizistin am Donnerstag durch einen Feuerwerks­körper leicht verletzt worden. Die Beamtin sei am Bein getroffen worden, hätte aber im Einsatz bleiben können, sagte ein Sprecher. Doch Angriffe auf Polizeibea­mte bleiben nach Einschätzu­ng von Beobachter­n die Ausnahme. Im Großen und Ganzen war der Protest gewaltfrei. Das stürmische und regnerisch­e Wetter machte den Aktivisten zu schaffen. „Wir hoffen, dass der Sturm nicht noch stärker wird“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath lebt“. Die Situation sei für die Menschen in den Baumhäuser­n gefährlich. „Im Normalfall kommen sie bei Sturm runter.“Wie viele Aktivisten noch in Lützerath sind, sagte sie nicht.

Für die Grünen wird die Räumung immer mehr zur Belastung: Sowohl im Bund als auch im Land NRW ist die Partei an der Regierungs­koalition beteiligt und trägt die Erweiterun­g des Braunkohle­tagebaus Garzweiler mit. Aus Protest besetzten rund 30 Aktivisten am Donnerstag die Parteizent­rale der NRW-Grünen in Düsseldorf, wie ein Parteispre­cher bestätigte. Die Parteispit­ze betont, dass im Gegenzug der Kohleausst­ieg in NRW um acht Jahre auf 2030 vorgezogen wurde.

Wie lange die Räumung von Lützerath noch dauert, ist unklar. Von einem kurzfristi­gen Ende des Einsatzes ging die Polizei am Donnerstag­nachmittag aber nicht aus. „Wir wissen nicht, wann der Einsatz zu Ende ist“, sagte ein Polizeispr­echer.

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FOTO: INA FASSBENDER/AFP Ein Aktivist wird von der Polizei in Lützerath abgeführt.

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