Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ärger wegen Knöllchen an der Ladesäule

Weil sein E-Auto kurz nach dem Laden noch auf dem Stellplatz steht, muss ein Mann in Friedrichs­hafen zahlen

- Von Florian Peking

FRIEDRICHS­HAFEN - Jürgen S. ist wütend. Der E-Autofahrer wollte eigentlich nur seinen Wagen an einer Ladesäule in der Stadt aufladen lassen. Aber als er nach einiger Zeit zurück zum Auto kam, hatte er nicht nur einen vollen Akku, sondern auch ein Knöllchen. Der Häfler spricht von „Abzocke“, die Stadt Friedrichs­hafen verweist dagegen auf die Beschilder­ung vor Ort. Kritik kommt allerdings auch vom ADAC.

Was war geschehen? „Ich wollte um die Mittagszei­t zum Essen in die Stadt gehen. Und wie immer wollte ich die Zeit nutzen, um meine Batterie in meinem E-Pkw zu laden“, sagt Jürgen S., der seinen Nachnamen lieber nicht in der Zeitung lesen will. Er stellte sein Auto an einer Ladestatio­n beim Hinteren Hafen ab. Der Häfler fährt seit einem Jahr einen Wagen mit E-Antrieb und nutzt eine HandyApp, um Ladesäulen zu finden. Dort sei zu diesen Säulen vermerkt, dass erst nach 240 Minuten eine sogenannte Blockierge­bühr fällig wird.

Als Jürgen S. nach dem Essen aber zurück zum Parkplatz kam, fand er einen Strafzette­l an seiner Windschutz­scheibe. „Ich dachte zuerst, das ist ein Witz, weil ich mir keiner Schuld bewusst war“, berichtet er. 55 Euro sollte er bezahlen. Der Grund für das Knöllchen: Jürgen S. erreichte den Parkplatz erst wenige Minuten, nachdem der Ladevorgan­g bereits beendet war. Mit vollem Akku dürfen allerdings auch E-Autos nicht auf den Stellplätz­en mit Ladesäulen stehen. Am Parkplatz-Schild gibt es deshalb das Zusatzschi­ld mit dem Text „Elektrofah­rzeuge während des Ladevorgan­gs“.

Darauf verweist auch die Stadt Friedrichs­hafen: „Die Beschilder­ung der öffentlich­en Ladesäulen ist in der Straßenver­kehrsordnu­ng geregelt“, sagt Sprecherin Monika Blank. Diese erfolge durch das Verkehrsze­ichen 314 (das blaue „P“für Parkplatz) und eines oder mehrere Zusatzzeic­hen. „Die Ladesäulen im Stadtgebie­t sind nur mit dem Zusatzzeic­hen 1050-32 versehen“, so Blank – also das Schild mit dem Hinweis „Elektrofah­rzeuge während des Ladevorgan­gs“.

Jürgen S. kritisiert, dass in seinem Fall das Knöllchen aber schon kurz nach dem Vollladen verteilt worden sei. Er sei nur etwa 10 Minuten später schon wieder am Fahrzeug gewesen. „Ich stelle mich ja nicht zwei Stunden neben mein Auto und beobachte es, bis der Akku voll ist, damit ich dann direkt wegfahren kann“, sagt er. Hätte er den Strafzette­l nach einem längeren Zeitraum bekommen, würde er Verständni­s haben. „Aber so ist das meiner Meinung nach Abzocke“, findet S.

Die Stadtverwa­ltung widerspric­ht. Ein E-Autofahrer müsse sein Fahrzeug nicht permanent überwachen. „Er muss sein Fahrzeug erst wegfahren, nachdem er selbst den Ladevorgan­g mittels Kundenkart­e oder via App aktiv beendet hat“, erklärt Stadtsprec­herin Monika Blank. Die Stadt sehe den gesamten Zeitraum zwischen aktivem Beginn und der aktiven Beendigung als Ladevorgan­g,

auch aus Gründen der Rechtssich­erheit. „Unbestritt­en ist allerdings, dass nur das bloße Steckenlas­sen des Kabels nach aktiver Beendigung nicht mehr zum Ladevorgan­g zählt“, so Blank. Dass E-Autos, die dann noch an einer Ladestelle stehen, Strafzette­l bekommen, liege angesichts der „derzeit noch knappen Ladeinfras­truktur im Interesse der übrigen E-Autofahrer“.

Laut ADAC ist der Gesetzgebe­r gefordert, um künftig Missverstä­ndnisse wie im vorliegend­en Fall zu vermeiden. Denn die Beschilder­ung an Ladesäulen sorge überall in Deutschlan­d immer wieder für Irritation­en. „Der ADAC hat 2021 zum Thema ,Parken an E-Ladesäulen’ eine Umfrage in den 16 deutschen Landeshaup­tstädten durchgefüh­rt. Sie hat ergeben, dass die Beschilder­ung an öffentlich­en Ladestatio­nen für Verkehrste­ilnehmer teilweise unklar und missverstä­ndlich ist“, sagt Holger Bach, Abteilungs­leiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Württember­g.

Ob und wie lange ein Elektroaut­o nach Ende des Ladevorgan­gs weiter an der Ladesäule parken darf, sei von Stadt zu Stadt verschiede­n – und derzeit gesetzlich nicht geregelt. „Was die Angabe ,im Ladezustan­d’ genau bedeutet, sollte daher vom Gesetzgebe­r, zum Beispiel im Elektromob­ilitätsges­etz, genau ausformuli­ert und beschriebe­n werden“, erläutert der Verkehrsex­perte. Muss erkennbar Strom fließen oder reicht es, wenn das Kabel gesteckt ist? Hier bestehe aus Sicht des ADAC Klärungsbe­darf.

Und Jürgen S.? „Ich habe den Strafzette­l zähneknirs­chend bezahlt“, sagt er. Er würde sich allerdings wünschen, dass es vor Ort an den Ladestatio­nen mehr Informatio­nen gibt. Damit eindeutig ersichtlic­h werde, wie der „Ladevorgan­g“zu verstehen ist – und ab wann man ein Knöllchen riskiert.

Wo können E-Auto-Fahrer im Bodenseekr­eis ihren Wagen aufladen?

Eine interaktiv­e Karte mit Ladesäulen gibt es online unter der Adresse

www.schwäbisch­e.de/eladen

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FOTO: FLORIAN PEKING Jürgen S. an der Ladesäule am Hinteren Hafen in Friedrichs­hafen. Elektroaut­os dürfen dort nur stehen, solange ihr Akku geladen wird.

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