Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Bauboom in Ravensburg erhält einige Dämpfer
Anwohner gehen rechtlich gegen zwei Neubaugebiete vor – In Schmalegg neuer Anlauf für umstrittenes Baugebiet
RAVENSBURG - Die Gegenwehr von Anwohnern sorgen für eine Pause bei der Realisierung von zwei der vier Neubaugebiete in Ravensburg. Für das Gebiet am Andermannsberg, das auf der Anhöhe hinter der Oberschwabenklinik liegt, und den Hüttenberger Weg in Torkenweiler laufen sogenannte Normenkontrollverfahren, wie der baden-württembergische Verwaltungsgerichtshof in Mannheim bestätigt. Hinzu kommt, dass in Schmalegg jeder zweite Bauinteressent seine Bewerbung zurückgezogen hat.
All das sind Dämpfer für den Bauboom in Ravensburg. Um weitere Bauplätze zu schaffen, wagt die Stadt jetzt einen neuen Anlauf für ein umstrittenes Baugebiet in Schmalegg. Ein Überblick über die aktuellen Schwierigkeiten mit den Baugebieten.
Warum gehen Bürger gegen die Gebiete vor?
Anwohner, die anzweifeln, dass bei der Ausweisung der Baugebiete alles rechtlich einwandfrei gelaufen ist, haben die Möglichkeit, dies überprüfen zu lassen. Sie können ein sogenanntes Normenkontrollverfahren beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg beantragen. Am Hüttenberger Weg ist eine Gruppe von 17 Anwohnern um Peter Philippi-Beck und einen weiteren Antragsteller im Herbst diesen Schritt gegangen. „Das ist die letzte Chance, unsere Rechte zu wahren“, so Phlippi-Beck. Die Anwohner hätten der Stadtverwaltung seitenweise erklärt, welche Bedenken sie haben. Diese betreffen zum Beispiel die Massivität der Bebauung – am Waldrand ist etwa ein bis zu 15,5 Meter hohes Gebäude geplant. Auch die Verkehrserschließung sei für bis zu 108 Wohnungen im Gebiet zu knapp berechnet. Und die Schwammwirkung des Baulandes bei starken Regenfällen – bisher eine Wiese – wird laut den Antragstellern nicht ausreichend berücksichtigt. Wenn die Wiese das Wasser nicht mehr aufnehmen könne, werde das dann oberirdisch fließende Wasser zum Problem für die umstehenden Häuser, so Phlippi-Beck. Alle Einwendungen hebe die Stadt bisher „immer weggebügelt“, so sein Empfinden.
Welcher Anwohner gegen das andere Baugebiet am Andermannsberg vorgeht, ist der Redaktion aktuell nicht bekannt. Das Verfahren liegt bereits seit 10. März 2022 beim Verwaltungsgerichtshof. Solche Verfahren dauerten erfahrungsgemäß ein bis eineinhalb Jahre, so der Sprecher des Gerichts, Matthias Hettich. In beiden Fällen werde es voraussichtlich eine mündliche Verhandlung geben. Fünf Richter treffen die Entscheidung.
Bedeutet ein Normenkontrollverfahren, das zu Ungunsten der Stadtverwaltung ausgeht, unbedingt das Ende des Baugebiets?
Nein. Wenn der Verwaltungsgerichtshof einen Bebauungsplan für ungültig erklärt hat, bedeutet das nach Angaben eines weiteren Sprechers des Gerichtshofs lediglich, dass der so nicht mehr umgesetzt werden darf. Die Stadt habe aber die Möglichkeit, den Bebauungsplan zu „reparieren“, also die Fehler zu beseitigen, die von den Richtern festgestellt wurden. Auch hat die Stadtverwaltung den Informationen zufolge die Möglichkeit, für dasselbe Gebiet einen ganz neuen Bebauungsplan zu erarbeiten und zu erlassen. Der könnte dann bei entsprechenden rechtlichen Schritten von Bürgern allerdings wieder Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens werden.
Das zeichnet sich für das Gebiet Brachwiese III in Schmalegg ab. Ein Landwirt hatte den Bebauungsplan überprüfen lassen, weil er ihn für nicht rechtmäßig hielt und bekam Recht. Er hatte damit argumentiert, dass die neuen Nachbarn ihm höchstwahrscheinlich das Leben schwer machen würden, weil er etwa zehn- bis 15-mal im Jahr nachts seine Bäume spritzen muss, was erheblichen Lärm verursacht. Die Stadt habe bei der Abwägung seiner Belange aber Fehler gemacht, so der Verwaltungsgerichtshof.
Nun aber will die Stadt einen erneuten Anlauf starten: In diesem Jahr werde ein neues Bauleitplanverfahren für die Brachwiese III begonnen. Der Stadtrat Joachim Arnegger (Freie Wähler), der mit dem Landwirt in engem Kontakt steht, sagt dazu in einer ersten Reaktion: „Dann landen wir wieder vor dem Verwaltungsgerichtshof.“
Wie groß ist das Interesse an aktuell zu vergebenden Bauplätzen?
Derzeit werden die Bauplätze im Schmalegger Gebiet Ortsmitte III und in Taldorf Süd vergeben. Doch jeder zweite Bauinteressent, der aufgrund seiner Punktezahl im Vergabeverfahren
einen Bauplatz hätte kaufen können, hat laut Stadtverwaltung einen Rückzieher gemacht. Gründe für die Zurückhaltung der Interessenten ist unter anderem, dass sich die Zinsbedingungen in der Wohnbaufinanzierung verschlechtert haben. Auch die verpflichtenden Details des Energiekonzeptes der Technischen Werke Schussental passt nicht für jeden Bauherren ins Konzept vom Eigenheim. Die Vergabeverfahren laufen aktuell noch. Jetzt kommen Bewerber zum Zug, die im Vergabesystem weniger Punkte erzielt hatten, die man etwa für Kinder und ehrenamtliches Engagement sowie für eine Arbeitsstelle in Ravensburg erhält.