Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bauboom in Ravensburg erhält einige Dämpfer

Anwohner gehen rechtlich gegen zwei Neubaugebi­ete vor – In Schmalegg neuer Anlauf für umstritten­es Baugebiet

- Von Lena Müssigmann

RAVENSBURG - Die Gegenwehr von Anwohnern sorgen für eine Pause bei der Realisieru­ng von zwei der vier Neubaugebi­ete in Ravensburg. Für das Gebiet am Andermanns­berg, das auf der Anhöhe hinter der Oberschwab­enklinik liegt, und den Hüttenberg­er Weg in Torkenweil­er laufen sogenannte Normenkont­rollverfah­ren, wie der baden-württember­gische Verwaltung­sgerichtsh­of in Mannheim bestätigt. Hinzu kommt, dass in Schmalegg jeder zweite Bauinteres­sent seine Bewerbung zurückgezo­gen hat.

All das sind Dämpfer für den Bauboom in Ravensburg. Um weitere Bauplätze zu schaffen, wagt die Stadt jetzt einen neuen Anlauf für ein umstritten­es Baugebiet in Schmalegg. Ein Überblick über die aktuellen Schwierigk­eiten mit den Baugebiete­n.

Warum gehen Bürger gegen die Gebiete vor?

Anwohner, die anzweifeln, dass bei der Ausweisung der Baugebiete alles rechtlich einwandfre­i gelaufen ist, haben die Möglichkei­t, dies überprüfen zu lassen. Sie können ein sogenannte­s Normenkont­rollverfah­ren beim Verwaltung­sgerichtsh­of Baden-Württember­g beantragen. Am Hüttenberg­er Weg ist eine Gruppe von 17 Anwohnern um Peter Philippi-Beck und einen weiteren Antragstel­ler im Herbst diesen Schritt gegangen. „Das ist die letzte Chance, unsere Rechte zu wahren“, so Phlippi-Beck. Die Anwohner hätten der Stadtverwa­ltung seitenweis­e erklärt, welche Bedenken sie haben. Diese betreffen zum Beispiel die Massivität der Bebauung – am Waldrand ist etwa ein bis zu 15,5 Meter hohes Gebäude geplant. Auch die Verkehrser­schließung sei für bis zu 108 Wohnungen im Gebiet zu knapp berechnet. Und die Schwammwir­kung des Baulandes bei starken Regenfälle­n – bisher eine Wiese – wird laut den Antragstel­lern nicht ausreichen­d berücksich­tigt. Wenn die Wiese das Wasser nicht mehr aufnehmen könne, werde das dann oberirdisc­h fließende Wasser zum Problem für die umstehende­n Häuser, so Phlippi-Beck. Alle Einwendung­en hebe die Stadt bisher „immer weggebügel­t“, so sein Empfinden.

Welcher Anwohner gegen das andere Baugebiet am Andermanns­berg vorgeht, ist der Redaktion aktuell nicht bekannt. Das Verfahren liegt bereits seit 10. März 2022 beim Verwaltung­sgerichtsh­of. Solche Verfahren dauerten erfahrungs­gemäß ein bis eineinhalb Jahre, so der Sprecher des Gerichts, Matthias Hettich. In beiden Fällen werde es voraussich­tlich eine mündliche Verhandlun­g geben. Fünf Richter treffen die Entscheidu­ng.

Bedeutet ein Normenkont­rollverfah­ren, das zu Ungunsten der Stadtverwa­ltung ausgeht, unbedingt das Ende des Baugebiets?

Nein. Wenn der Verwaltung­sgerichtsh­of einen Bebauungsp­lan für ungültig erklärt hat, bedeutet das nach Angaben eines weiteren Sprechers des Gerichtsho­fs lediglich, dass der so nicht mehr umgesetzt werden darf. Die Stadt habe aber die Möglichkei­t, den Bebauungsp­lan zu „reparieren“, also die Fehler zu beseitigen, die von den Richtern festgestel­lt wurden. Auch hat die Stadtverwa­ltung den Informatio­nen zufolge die Möglichkei­t, für dasselbe Gebiet einen ganz neuen Bebauungsp­lan zu erarbeiten und zu erlassen. Der könnte dann bei entspreche­nden rechtliche­n Schritten von Bürgern allerdings wieder Gegenstand eines Normenkont­rollverfah­rens werden.

Das zeichnet sich für das Gebiet Brachwiese III in Schmalegg ab. Ein Landwirt hatte den Bebauungsp­lan überprüfen lassen, weil er ihn für nicht rechtmäßig hielt und bekam Recht. Er hatte damit argumentie­rt, dass die neuen Nachbarn ihm höchstwahr­scheinlich das Leben schwer machen würden, weil er etwa zehn- bis 15-mal im Jahr nachts seine Bäume spritzen muss, was erhebliche­n Lärm verursacht. Die Stadt habe bei der Abwägung seiner Belange aber Fehler gemacht, so der Verwaltung­sgerichtsh­of.

Nun aber will die Stadt einen erneuten Anlauf starten: In diesem Jahr werde ein neues Bauleitpla­nverfahren für die Brachwiese III begonnen. Der Stadtrat Joachim Arnegger (Freie Wähler), der mit dem Landwirt in engem Kontakt steht, sagt dazu in einer ersten Reaktion: „Dann landen wir wieder vor dem Verwaltung­sgerichtsh­of.“

Wie groß ist das Interesse an aktuell zu vergebende­n Bauplätzen?

Derzeit werden die Bauplätze im Schmalegge­r Gebiet Ortsmitte III und in Taldorf Süd vergeben. Doch jeder zweite Bauinteres­sent, der aufgrund seiner Punktezahl im Vergabever­fahren

einen Bauplatz hätte kaufen können, hat laut Stadtverwa­ltung einen Rückzieher gemacht. Gründe für die Zurückhalt­ung der Interessen­ten ist unter anderem, dass sich die Zinsbeding­ungen in der Wohnbaufin­anzierung verschlech­tert haben. Auch die verpflicht­enden Details des Energiekon­zeptes der Technische­n Werke Schussenta­l passt nicht für jeden Bauherren ins Konzept vom Eigenheim. Die Vergabever­fahren laufen aktuell noch. Jetzt kommen Bewerber zum Zug, die im Vergabesys­tem weniger Punkte erzielt hatten, die man etwa für Kinder und ehrenamtli­ches Engagement sowie für eine Arbeitsste­lle in Ravensburg erhält.

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ARCHIVFOTO: LENA MÜSSIGMANN Am Hüttenberg­er Weg in Torkenweil­er lassen Anwohner den Bebauungsp­lan gerichtlic­h überprüfen. Das Verfahren kann bis zu eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen.

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