Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wundertüte statt Titelkandidat
Alexander Zverev fiebert seinem Grand-Slam-Comeback in Australien entgegen
MELBOURNE (SID) - Alexander Zverev plauderte entspannt mit Dirk Nowitzki und bat den prominenten Besucher kurzerhand zu einer lockeren Einheit auf den blauen Hartplatz. „Bist du bereit?“, rief der 25 Jahre alte Olympiasieger und flachste mit dem langjährigen NBA-Star während der Ballwechsel im Melbourne Park.
Zverev genießt nach seiner monatelangen Verletzungspause jede Minute auf den Courts und will bei den Australian Open möglichst lange mitmischen. Bei seinem GrandSlam-Comeback ist der Halbfinalist von 2020 allerdings mehr Wundertüte als Titelfavorit. Ist er selbst schon bereit für weitere Großtaten?
„Für ihn ist es entscheidend, dass er die erste Partie gewinnt und dann wieder in eine Art Turnierrhythmus kommt“, sagte Bundestrainer Michael Kohlmann zu den Aussichten der deutschen Nummer 1 auf das erste Jahreshighlight ab Montag: „Wenn der erste Sieg reinkommt und ein paar Sachen wieder von alleine laufen, dann glaube ich, dass man sich auch wieder über andere Sachen unterhalten kann.“
Die Chancen, mehr als sieben Monate nach dem Schock bei den French Open einen weiteren Schritt in Richtung der früheren Selbstverständlichkeit zu gehen, stehen Down Under zunächst gut. Bei der Auslosung am Donnerstag erwischte der einstige Weltranglistenzweite im Peruaner Juan Pablo Varillas eine lösbare Aufgabe. In den Vorjahren wäre angesichts von Zverevs Klasse der Blick schon über mögliche Gegner in den nächsten Runden geschweift – doch das verbietet sich aktuell.
Seine bisherigen zwei Matches in diesem Januar gegen den Tschechen Jiri Lehecka und den US-Amerikaner Taylor Fritz im Rahmen des United Cups verlor Zverev klar. Ein paar Dinge seien „ein bisschen anders“, er sei schneller müde geworden, hatte er danach gesagt. Der Aufschlagriese muss seinen Körper erst wieder an die Maximalbelastung gewöhnen, ihm voll vertrauen.
„Die Verletzung, die er hatte, dieses Umknicken, das hat man im Kopf“, sagte Kohlmann zum prominentesten von insgesamt zehn deutschen Startern in Melbourne: „Sascha lebt generell auch von seinem Körper und von seiner Beinarbeit. Er bewegt sich gut für einen großen Spieler, kommt gut in die Ecken und rutscht ja normalerweise auch auf Hartplatz.“Die Leichtigkeit wieder reinzubekommen sei das A und O.
Die zeichnete auch Jule Niemeier in ihrem ersten Grand-Slam-Jahr aus. Mit dem Viertelfinaleinzug in Wimbledon und dem Erreichen des Achtelfinals der US Open festigte die 23Jährige ihre Rolle als größte Zukunftshoffnung im deutschen Frauen-Tennis und will an die Auftritte in diesem Frühjahr nahtlos anknüpfen. Doch das Glück war der Dortmunderin bei der Auslosung nicht hold. Für Niemeier geht es wie schon im Achtelfinale von New York gegen die Weltranglistenerste Iga Swiatek.
„Sie hat bei den US Open ein gutes Match gegen sie gespielt und weiß, was auf sie zukommt“, sagte Bundestrainerin Barbara Rittner: „In so einem Moment ist es manchmal auch gut zu sagen: ,Spiel drauf los, du hast nichts zu verlieren.’“