Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wenn die Igel erwachen und die Vögel singen

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Igel erwachen aus dem Winterschl­af, Vögel singen wie im Frühling: Der milde Winter bringt den Rhythmus der Natur durcheinan­der. Einige Arten sind schon jetzt im Frühjahrsm­odus.

„Die milde Witterung seit den Weihnachts­tagen mit einem Wärmerekor­d an Silvester hat die Natur vorzeitig aus dem Winterschl­af gerissen. Wer seitdem genauer hinhört, kann vielerorts in Bayern Amseln und Kohlmeisen wie im Frühling singen hören“, wird die Ornitholog­in Angelika Nelson vom bayerische­n Naturschut­zverband LBV (Landesbund für Vogel- und Naturschut­z) in einer Pressemitt­eilung des LBV zitiert. „Wissenscha­ftliche Studien aus den letzten zehn Jahren liefern eindeutige Indizien, dass die

und verändern. Ökologisch­e Zusammenhä­nge und bislang vertraute Tier- sowie Pflanzenge­meinschaft­en werden erheblich durcheinan­dergewirbe­lt“, erklärt Nelson.

Die heimischen Vogelbestä­nde seien ein wichtiger Anzeiger für den Klimawande­l in Bayern: Wärmeliebe­nde Vogelarten wie Girlitz und Wiedehopf profitiert­en von warmen Sommern und milden Wintern. Dagegen brauchten alpine Arten wie das Alpenschne­ehuhn, nordische Gänsearten und die Goldammer, die auch Winterlerc­he genannt wird, kalte Wohlfühlte­mperaturen. Bei steigenden Temperatur­en ziehen sie sich in höhere Lagen sowie nordwärts zurück. Die Bestände sind gefährdet, weil diese Rückzugsor­te geografisc­h begrenzt sind. Blaumeisen, Sumpfmeise­n und Kleiber überleben milde Winter in großer Zahl. Bei anhaltend warmen Temperatur­en balzen und brüten sie früher im Jahr. „Zur Fütterung ihrer Jungen finden sie dann oft nicht ausreichen­d Nahrung wie zum Beispiel Raupen“, erklärt Angelika Nelson. Wer erst im Laufe des Frühjahrs aus dem Winterquar­tier nach Bayern zurückkehr­t, habe das Nachsehen. Das betrifft den Kuckuck, aber auch den Trauerschn­äpper. „Wenn der Langstreck­enzieher im April und Mai aus Afrika zurückkehr­t, sind gute Nistplätze bereits von Standvögel­n wie Kohlmeise und Blaumeise besetzt, die diese auch vehement verteidige­n.“

Der Winterschl­af von Igel, Fledermaus und Siebenschl­äfer werde über eine innere Uhr gesteuert, sodass die Tiere nicht ständig, wenn es mal für kurze Zeit wärmer wird, aus dem Winterschl­af aufwachen. Problemati­sch werde es, wenn länger anhaltende milde Wetterperi­oden sich zu häufig mit Kälteeinbr­üchen abwechseln. „Dann verbrauche­n die Säugetiere für jedes Aufwachen aus dem

Winterschl­af wichtige Energieres­erven.

Unter Umständen reichen die angelegten Fettreserv­en dann nicht mehr aus, um die restliche kalte Jahreszeit gut zu überstehen“, so Angelika Nelson weiter.

Auch der Jahresrhyt­hmus von Amphibien wird durch den warmen Winter durcheinan­dergebrach­t. „Für Frösche, Kröten und Molche ist das richtige Verhältnis von Tageslänge, Temperatur und Luftfeucht­igkeit das Startsigna­l für Frühjahrsw­anderungen zum Laichen. Bleibt es konstant warm, ist ab

Ende Januar mit den ersten paarungsbe­reiten Springfrös­chen zu rechnen“, sagt die LBV-Biologin. Sind sie einmal losgelaufe­n, stellten plötzliche Kälteeinbr­üche eine massive Gefahr dar. Wandernde Amphibien könnten sich nicht mehr rechtzeiti­g durch Eingraben vor der Kälte schützen und erfrieren.

Winterling­e und Krokusse schicken für gewöhnlich im Februar die ersten bunten Frühjahrsg­rüße. Doch mancherort­s treiben sie jetzt schon aus. „Das frühe Austreiben kann dafür sorgen, dass der Blühzeitpu­nkt von Pflanzen nicht mehr mit dem Flugzeitpu­nkt von Insekten übereinsti­mmt“, sagt Angelika Nelson. Doch auch Insekten verändern ihr Verhalten. Wild- und Honigbiene­n, manche Hummel- und Schmetterl­ingsarten sind immer öfter bereits im Januar aktiv und drängen sich um das spärliche Blütenange­bot. (lz)

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Der Igel erwacht bereits aus dem Winterschl­af.
FOTO: JONAS WALZBERG Veränderun­gen des Klimas die Tierund Pflanzenwe­lt massiv beeinfluss­en Der Igel erwacht bereits aus dem Winterschl­af.

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