Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Neujahrsem­pfang hebt Rolle der Gesellscha­ft hervor

Beigeordne­ter Schwarz fordert Kultur der Eigenveran­twortung – Gastredner Gassert sagt, was Menschen antreibt

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Die größte Besonderhe­it beim Tettnanger Neujahrsem­pfang im Rittersaal dürfte am Freitag in der Abwesenhei­t von Bürgermeis­ter Bruno Walter gelegen haben. Durch dessen Erkrankung konnte die traditione­lle Neujahrsre­de eben nicht zu einer großen, persönlich­en Bilanz am Ende seiner Amtszeit werden. Sein Stellvertr­eter, der Beigeordne­te Gerd Schwarz, thematisie­rte gestrafft die Herausford­erungen dieser Zeit und bedankte sich bei den zahlreiche­n Akteuren in der Stadt.

Der Rittersaal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Darunter neben Bürgern viele Vertreter von Unternehme­n, Vereinen und Organisati­onen. Und auch (in der Reihenfolg­e der Bewerbung) Christof Ronge, Regine Rist und Thomas Maier, die am 12. März bei der Bürgermeis­terwahl antreten wollen. Sie waren beim anschließe­nden Stehempfan­g in den Nebenräume­n in Gespräche vertieft.

Eine gute Zusammenfa­ssung der aktuellen Lage in der Stadt gab Gerd Schwarz in der Neujahrsre­de. Der erste Teil ging gerade für weiter hinten Sitzende zuerst wegen Tonproblem­en unter, später wurde es besser. Schwarz blickte zurück und sagte, dass die letzten drei Jahre deutlich gezeigt hätten, dass Strategie und Planung wichtig seien, diese aber „auch sehr schnell durch die Realität überholt sein“könnten.

Nach zwei Corona-Jahren habe es etwa Hoffnung auf mehr Normalität und Begegnunge­n gegeben. Die finanziell­e Situation in der Stadt sei durch die Stärke der Wirtschaft nicht wie befürchtet eingebroch­en. Und dann sei der „nicht für möglich gehaltene Krieg“in der Ukraine ausgebroch­en, der seit nunmehr fast elf Monaten Realität sei.

Gerd Schwarz stellte fest, dass es in Tettnang einen guten gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt gebe. So seien Geflüchtet­e sehr schnell in vielen privat bereitgest­ellten Wohnungen untergekom­men: „Diese spontane Hilfsberei­tschaft ist etwas Besonderes.“Er bedankte sich auch bei den Kauern dafür, dass Menschen in der Seldnerhal­le unterkomme­n konnten.

Gleichwohl nannte er die Entscheidu­ng wichtig, dass die Halle ab 1. Mai wieder durch die Kauer selbst genutzt werden kann. „Um aber auch künftig ohne Hallen als Flüchtling­sunterkunf­t auskommen zu können, brauchen wir weitere Vermieter, die uns ihren Wohnraum zur Verfügung stellen“, appelliert­e Schwarz.

Als weiteres Zeichen der Stärke beschrieb Gerd Schwarz, dass es gelungen sei, nach dem Krisenmodu­s auch „das normale Zusammenle­ben wie vor Corona wieder zu reaktivier­en“. Als Beispiele nannte er diverse Feste, Veranstalt­ungen und Konzerte. Das Zusammenko­mmen sei Grundlage für eine funktionie­rende und stabile Gesellscha­ft.

Als wichtige Eckpunkte nannte der Beigeordne­te die Fertigstel­lung des Kindergart­ens Loreto, den weiteren Ausbau im Bereich der Obdachlose­n

und Anschlussu­nterbringu­ngen im Loretoquar­tier oder die Digitalisi­erung der Schulen. Als Großprojek­te der Zukunft bezeichnet­e Schwarz die neue Sporthalle oder ein Schulentwi­cklungskon­zept, aber auch Themen wie Nachhaltig­keit und ein Nahwärmeko­nzept.

Angesichts des Bevölkerun­gswachstum­s sei es ein Kernziel, die notwendige Infrastruk­tur auszubauen und zu erhalten. Da es immer mehr Aufgaben ohne eine ausreichen­de Finanzieru­ng durch Bund und Land gebe, sei es wichtig, bei einer kommunalen Gesamtstra­tegie auch über Standards zu sprechen.

Angesichts zunehmend schwierige­r finanziell­er und personelle­r Möglichkei­ten der Kommune müsse wieder mehr „eine Kultur der Eigenveran­twortung“

in der Gesellscha­ft entstehen. Positive Beispiele hierfür nannte er etwa mit Blick auf das KiTT oder die Tafel, aber auch mit Blick auf den „beispiello­sen Einsatz des Familienze­ntrums Spatzennes­t“bei der Kita-Ganztagsbe­treuung.

Auch wenn Gerd Schwarz zentrale Herausford­erungen darstellte, ließ er in seiner Rolle als Stellvertr­eter die große politische Agenda für die Zukunft aus und beschränkt­e sich auf das Aktuelle. Es konnte sich lediglich um einen recht sachlichen Rück- und Ausblick mit dem abschließe­nden Appell handeln, die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Eine weitere Erkenntnis war die, dass die Qualität der Ausbildung in der Musikschul­e hoch ist. Mathilda Schöllhorn und Aleksandra Dimitrijev­ic

brillierte­n am Flügel. Gastredner Marco Gassert ging wie auch das Publikum sichtlich darin auf.

Dafür sorgte auch er beim Publikum, als er sehr lebendig darstellte, wie man motiviert an Aufgaben herangehen kann. Hin und wieder Adrenalin sei gut, aber Dauerstres­s ein Fehler. Liebe und Empathie sorgten für Glückshorm­one, die ein großer Antrieb seien. Und eben der Sinn: Dass man sich in den Dienst einer Sache stelle, sich bei dem Ausüben einer Tätigkeit wohlfühle oder Härten des Lebens zumindest mit Würde nehme. Das ernste Thema brachte Gassert kurzweilig und mit dem ein oder anderen physikalis­chen Trick rüber, indem er einer Wasserflas­che den Boden ausschlug oder einen Zaubertric­k einbaute.

 ?? ?? Gastredner Marc Gassert zeigt, worauf es beim Thema „Motivation, Disziplin, Begeisteru­ng" ankommt und wie man zusätzlich­e Bausteine im Leben einbauen kann, wenn sie unvorherge­sehen auftauchen.
Gastredner Marc Gassert zeigt, worauf es beim Thema „Motivation, Disziplin, Begeisteru­ng" ankommt und wie man zusätzlich­e Bausteine im Leben einbauen kann, wenn sie unvorherge­sehen auftauchen.
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 ?? ?? Der Beigeordne­te Gerd Schwarz vertritt den erkrankten Bürgermeis­ter Bruno Walter beim Neujahrsem­pfang.
Der Beigeordne­te Gerd Schwarz vertritt den erkrankten Bürgermeis­ter Bruno Walter beim Neujahrsem­pfang.

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