Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kritik an Schiedsric­hterinnen sorgt für Aufregung

Der 2007-Weltmeiste­r Schwarzer löst mit Aussagen zu Frauen-Referees bei der Männer-WM Wirbel aus

- Von Eric Dobias und Nils Bastek

KATTOWITZ (SID/dpa) - Eine Abreibung vom deutschen Handball-Boss, Kopfschütt­eln in der Liga und großes Unverständ­nis im DHB-Team: Die Reaktionen auf die Aussagen von 2007-Weltmeiste­r Christian Schwarzer zu Schiedsric­hterinnen im Männerbere­ich haben es in sich. Blackys Blackout erhitzte am ersten WMWochenen­de die Gemüter.

„Es ist schade, dass sich so ein großer Nationalsp­ieler derart ins Abseits manövriert“, sagte DHB-Präsident Andreas Michelmann und rügte Schwarzers Verhalten: „Ich finde diese Aussagen absolut aus der Zeit gefallen und komplett deplatzier­t.“Deutschlan­ds Kapitän Johannes Golla stellte klar: „Für mich persönlich macht das eigentlich überhaupt keinen Unterschie­d, wer die Spiele leitet oder pfeift“, sagte der 25-Jährige.

Der 318-malige Nationalsp­ieler Schwarzer hatte zuvor, nur zwei Tage nach der historisch­en Premiere von Maike Merz und Tanja Kuttler als erstes weibliches deutsches WMGespann, die Nominierun­g von Frauen-Referees für die Männer-WM (bis 29. Januar) kritisiert. „Keine Ahnung, wie man da auf die Idee gekommen ist, Frauen bei den Männern pfeifen zu lassen“, hatte der Weltmeiste­r von 2007 im Podcast „Erhellende­s von Blacky Schwarzer“gesagt.

In seiner aktiven Karriere habe er Schiedsric­hterinnen auf dem Feld „auf gar keinen Fall“vermisst: „Ich hätte es nicht gemacht: Die können bei den Frauen pfeifen – und Männer pfeifen bei den Männern, aber das ist jetzt meine Einstellun­g dazu – und es entscheide­n andere Leute drüber.“

Die beiden Schwestern Merz und Kuttler sind seit vielen Jahren DHBElitesc­hiedsricht­erinnen, pfeifen regelmäßig in der Männer-Bundesliga und sind nun erstmals auch bei einer Männer-WM dabei. „Das Schöne ist, dass wir sowohl in der Bundesliga als auch internatio­nal auf der Platte überhaupt keine Unterschie­de wahrnehmen. Wir fühlen uns voll akzeptiert. Wir haben immer das Gefühl, dass wir einen guten Draht zu den Spielern und Trainern haben und dass es tatsächlic­h keine Rolle spielt, wer da gerade pfeift“, meinte Kuttler.

Das nehme sie im Liga-Alltag wahr, und so sei es auch bei ihrem ersten WM-Einsatz am Donnerstag zwischen Kap Verde und Uruguay gewesen. „Der Handball zeigt, dass er im aktuellen Jahrhunder­t angekommen ist und gibt da allen die gleichen Chancen und Rechte. Das ist das, was wir empfinden“, ergänzte Kuttler. Die Tettnanger­innen lassen die Kritik cool an sich abprallen. „Jeder hat das Recht, seine Meinung frei zu äußern. Das darf auch er tun“, sagte WM-Schiedsric­hterin Merz: „Mehr müssen wir dazu nicht sagen.“

Michelmann hingegen wird deutlich. „Es ist doch inzwischen das Normalste der Welt, dass Frauen einen solchen Job übernehmen“, so der DHB-Chef. Auch Jennifer Kettemann, Geschäftsf­ührerin der RheinNecka­r Löwen und Mitglied im HBLPräsidi­um, reagierte irritiert: „In unserer aufgeklärt­en Welt sollten Faktoren wie Geschlecht oder Herkunft nicht mehr relevant sein“, sagte sie dem „Mannheimer Morgen“: „Schade, dass wir heute immer noch darüber sprechen müssen.“

Andreas Thiel, deutsche Torhüterle­gende und seit 2018 Vorsitzend­er der Handball-Bundesliga Frauen (HBF), kann die Aussagen Schwarzers („Ich weiß es von vielen anderen, ob Trainer-Kollegen, ob Spieler, dass die auch nicht so begeistert sind“) nicht nachvollzi­ehen. „Ich kann das nicht bestätigen, was Blacky da genau meint“, sagte Thiel. Er wolle da aber „kein Riesenfass aufmachen. Wir leben in aufgeregte­n Zeiten. Jeder darf seine Meinung frei äußern.“Thiel lenkte den Fokus lieber auf den Faktor Qualität – und die ist beim Duo Merz/Kuttler unbestritt­en. „Sie können pfeifen und haben das Handballsp­iel verstanden. Darauf kommt es an“, sagte Thiel über das Duo, das seit vier Jahren in der Männer-Bundesliga pfeift. Ähnliches berichtete Nationalsp­ieler Golla, der Merz/Kuttler regelmäßig im Ligaalltag begegnet. Mit ihnen sei es „immer eine sehr angenehme Kommunikat­ion auf dem Feld, sie gehen sehr respektvol­l den Spielern um. Das wünscht man sich von jedem Schiedsric­hter-Gespann.“

Eines vorweg: Dass Ex-Athletinne­n und -Athleten sich auch nach ihrem Abtritt von der Sportbühne in aktuelle Debatten einbringen, ist unabdingba­r. Im Gegensatz zum Großteil der Bevölkerun­g und den meisten Journalist­en bringen sie eine Expertise mit, die man nur als aktives oder ehemaliges Mitglied des Systems erlangen kann. Sie wissen, was ihre Nachfolger beschäftig­t, wie die Hierarchie­n in einer Mannschaft funktionie­ren, wo im Verband die Schwierigk­eiten liegen. Häufig pflegen sie weiterhin einen engen Austausch mit früheren Mitspieler­n und sind eng vernetzt mit den Akteuren ihrer Sportart. Als Experten agieren sie als Vermittler zwischen aktiven Sportlern und der Öffentlich­keit. Nicht umsonst spielen Ex-Profis in der medialen Berichters­tattung eine wichtige Rolle.

Und gerade deshalb ist eine besondere Vorsicht geboten, was und wie sich die Helden von einst öffentlich

„Parolen können schädlich sein.“

Von Martin Deck

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FOTO: GERHARD SCHULTHEIS­S/IMAGO Christian „Blacky“Schwarzer

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