Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Altherrenwitz und Altpapier
Sieht man von FDP-Parteitagen und vereinzelten Stammtischen kurz vor Schankschluss ab, ist der Altherrenwitz nicht mehr in Mode. Diesen Trend hat auch Joe Biden erkannt. Der US-Präsident, aufgrund seines Geburtsjahres und seines Aussehens eigentlich der Prototyp des alten weißen Mannes, beweist stattdessen Selbstironie und macht lieber Witze über sein eigenes fortgeschrittenes Alter.
Anlässlich des Geburtstages von Martin Luther King hielt er eine Rede in der Ebenezer Baptist Church in Atlanta. Dort, wo der Bürgerrechtler einst gepredigt hatte. Er fühle sich geehrt, als erster amtierender USPräsident bei einem Sonntagsgottesdienst in exakt dieser Kirche sprechen zu dürfen. Biden schloss seine Ansprache wie folgt: Diese Kirchengemeinde gebe es schon seit 136 Jahren. „Mich nicht, auch wenn ich so aussehe – ich weiß.“
Lustig, doch hinter den launigen Worten des Präsidenten könnte sich ein weitaus weniger komischer Plan verbergen. Denn wer mit seinem Alter derart offensiv kokettiert, der ignoriert es bekanntermaßen auch gerne. Und wenn Joe Biden tatsächlich 2024, dann im zarten Alter von 81 Jahren, noch einmal antritt, wäre das zumindest mutig. Schließlich ist es mit dem Gedächtnis ja offenbar jetzt schon nicht mehr ganz so weit her. Wie sonst wäre zu erklären, dass sich in immer mehr Räumen seines Privathauses Geheimdokumente finden? Erst in der Garage, dann in der Abstellkammer daneben. Wenn demnächst auch noch ein paar Seiten unterm Küchenschrank oder im Altpapier auftauchen, sieht Biden vielleicht wirklich ganz alt aus. (jos)