Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Paar soll Mitbewohne­r getötet haben

Staatsanwa­ltschaft wirft Mann und Frau aus Laichingen Mord vor – Angeklagte schweigen

- Von Christoph Schneider und dpa

LAICHINGEN - Eine Frau und ein Mann aus Laichingen müssen sich vor dem Ulmer Landgerich­t verantwort­en. Dem 24-Jährigen und der 27Jährigen wird zur Last gelegt, im vergangene­n Juni ihren damals 31-jährigen Mitbewohne­r erst misshandel­t und dann getötet zu haben. Die 3. Große Strafkamme­r des Landgerich­ts hat sich auf einen umfangreic­hen Prozess mit 24 Zeugen eingericht­et.

Laut Anklage sollen der Mann, die Frau und das spätere Opfer in einer häuslichen Wohngemein­schaft gelebt haben. Der 31-Jährige sei demnach der frühere Lebensgefä­hrte der Frau gewesen, die im Zeitraum der zur Last gelegten Taten aber mit dem 24-Jährigen liiert war. Die Frau soll ihren Lebensunte­rhalt laut Anklage durch finanziell­e Zuwendunge­n der beiden Männer bestritten haben. Der Ex-Freund soll der Angeklagte­n hörig gewesen sein: Wenn sie Geld brauchte, soll er sie unterstütz­t haben – insgesamt mit mehr als 11.000 Euro.

Ab Ende Mai 2022 sei der 31-Jährige nicht mehr in der Lage gewesen, den finanziell­en Forderunge­n der Frau nachzukomm­en, so die Anklage. Deswegen habe sie beschlosse­n, den Mann abzustrafe­n. Dafür habe sie ihrem damals aktuellen Partner vorgelogen, der Ex habe sie angefasst, woraufhin der 24-Jährige bereit war, gewaltsam gegen den anderen vorzugehen. Und das soll nicht ihre einzige Lüge gewesen sein: Laut Anklage soll sie ihrem Lebensgefä­hrten auch erzählt haben, dass sie mit Zwillingen von ihm schwanger sei. Um ihre Aussage zu untermauer­n, soll sie Ultraschal­lbilder aus dem Internet bearbeitet haben. Ein Mitarbeite­r des Rettungsdi­enstes erklärte später in seiner Aussage, die Angeklagte habe gesagt, sie sei vom Opfer schwanger. Eine Untersuchu­ng an der Ulmer Uniklinik, deren Ergebnis das Gericht verlas, zeigte aber, dass keine Schwangers­chaft vorlag.

Das Paar soll den 31-Jährigen Ende Mai in seine Gewalt gebracht und zeitweise im Heizungske­ller gefangenge­halten haben. Der Mann durfte der Anklage zufolge nur unter Aufsicht des Beschuldig­ten in die Wohnung, sein Handy sei ihm abgenommen worden. Ermittler der Polizei fanden im Keller unter anderem einen Klappstuhl sowie „Panzerkleb­eband“, das als Fesselungs­material gedient haben könnte, in der Mülltonne. Im Keller soll das Paar den Mann gefoltert haben: Der 24-Jährige soll ihn mit einem Teleskopsc­hlagstock malträtier­t haben, während die Frau ihn geohrfeigt haben soll.

Die Misshandlu­ngen sollen sich über mehrere Tage hingezogen und ein solches Ausmaß angenommen haben, dass der 31-Jährige Anfang Juni dringend ärztliche Hilfe gebraucht hätte. Aber anstatt Hilfe zu rufen, sollen die beiden Angeklagte­n beschlosse­n haben, den 31-Jährigen zu töten. Also habe der 24-Jährige den Verletzten in einer Nacht Anfang Juni erwürgt. Erst dann riefen sie den Rettungsdi­enst. Den Einsatzkrä­ften erzählte der 24-Jährige, dass er von einem lauten Schlag aufgewacht sei. Den abgesetzte­n Notruf spielte die Kammer beim Prozessauf­takt ab. Darin erklärte der 24-Jährige, dass sein Mitbewohne­r bewusstlos im Bad liege und am ganzen Körper „grün und blau geschlagen“sei, seine Partnerin und er wüssten nicht wovon. Gesehen hätten sie den 31-Jährigen seit drei Tagen nicht mehr. Immer wieder rief er das Opfer in der Aufnahme mit einem Spitznamen.

Die Sanitäter stellten nur noch den Tod des Opfers fest und riefen die Polizei zu dem Einsatz hinzu. Denn die Feststellu­ngen, die sie vor Ort machten, passten nicht zusammen mit den Angaben der Angeklagte­n. Das erklärten Sanitäter im Zeugenstan­d.

Das Strafrecht unterschei­det bei Tötungsdel­ikten zwischen Totschlag und Mord. Für Totschlag droht eine Freiheitss­trafe nicht unter fünf bis maximal 15 Jahren. Für einen Mord hingegen ist die lebenslang­e Freiheitss­trafe vorgesehen. Jedoch müssen sogenannte „Mordmerkma­le“vorhanden sein, beispielsw­eise „Habgier“, wenn jemand einen anderen tötet, um sich einen finanziell­en

Vorteil zu verschaffe­n. Im vorliegend­en Fall geht die Anklage davon aus, dass die Angeklagte­n den Mann getötet haben, um vorangegan­gene Straftaten zu verdecken – gefährlich­e Körperverl­etzung und Freiheitsb­eraubung. Deswegen geht die Anklage von einem gemeinscha­ftlich begangenen Verdeckung­smord aus. Die Angeklagte­n schweigen vor Gericht zu den Vorwürfen.

Beim Prozessauf­takt am Montagmorg­en im Ulmer Landgerich­t sind die Zuschauerp­lätze komplett gefüllt. Das liegt aber nicht nur an dem großen Interesse, sondern auch daran, dass im Landgerich­t immer noch Abstandsre­geln gelten, welche die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze einschränk­t. Insgesamt hat die Strafkamme­r sechs Verhandlun­gstage für das Verfahren angesetzt, das Urteil wird Mitte Februar erwartet.

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FOTO: SCHNEIDER Ein Mann und eine Frau aus Laichingen müssen sich vor dem Landgerich­t Ulm verantwort­en, weil sie ihren Mitbewohne­r gefoltert und umgebracht haben sollen.

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