Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Paar soll Mitbewohner getötet haben
Staatsanwaltschaft wirft Mann und Frau aus Laichingen Mord vor – Angeklagte schweigen
LAICHINGEN - Eine Frau und ein Mann aus Laichingen müssen sich vor dem Ulmer Landgericht verantworten. Dem 24-Jährigen und der 27Jährigen wird zur Last gelegt, im vergangenen Juni ihren damals 31-jährigen Mitbewohner erst misshandelt und dann getötet zu haben. Die 3. Große Strafkammer des Landgerichts hat sich auf einen umfangreichen Prozess mit 24 Zeugen eingerichtet.
Laut Anklage sollen der Mann, die Frau und das spätere Opfer in einer häuslichen Wohngemeinschaft gelebt haben. Der 31-Jährige sei demnach der frühere Lebensgefährte der Frau gewesen, die im Zeitraum der zur Last gelegten Taten aber mit dem 24-Jährigen liiert war. Die Frau soll ihren Lebensunterhalt laut Anklage durch finanzielle Zuwendungen der beiden Männer bestritten haben. Der Ex-Freund soll der Angeklagten hörig gewesen sein: Wenn sie Geld brauchte, soll er sie unterstützt haben – insgesamt mit mehr als 11.000 Euro.
Ab Ende Mai 2022 sei der 31-Jährige nicht mehr in der Lage gewesen, den finanziellen Forderungen der Frau nachzukommen, so die Anklage. Deswegen habe sie beschlossen, den Mann abzustrafen. Dafür habe sie ihrem damals aktuellen Partner vorgelogen, der Ex habe sie angefasst, woraufhin der 24-Jährige bereit war, gewaltsam gegen den anderen vorzugehen. Und das soll nicht ihre einzige Lüge gewesen sein: Laut Anklage soll sie ihrem Lebensgefährten auch erzählt haben, dass sie mit Zwillingen von ihm schwanger sei. Um ihre Aussage zu untermauern, soll sie Ultraschallbilder aus dem Internet bearbeitet haben. Ein Mitarbeiter des Rettungsdienstes erklärte später in seiner Aussage, die Angeklagte habe gesagt, sie sei vom Opfer schwanger. Eine Untersuchung an der Ulmer Uniklinik, deren Ergebnis das Gericht verlas, zeigte aber, dass keine Schwangerschaft vorlag.
Das Paar soll den 31-Jährigen Ende Mai in seine Gewalt gebracht und zeitweise im Heizungskeller gefangengehalten haben. Der Mann durfte der Anklage zufolge nur unter Aufsicht des Beschuldigten in die Wohnung, sein Handy sei ihm abgenommen worden. Ermittler der Polizei fanden im Keller unter anderem einen Klappstuhl sowie „Panzerklebeband“, das als Fesselungsmaterial gedient haben könnte, in der Mülltonne. Im Keller soll das Paar den Mann gefoltert haben: Der 24-Jährige soll ihn mit einem Teleskopschlagstock malträtiert haben, während die Frau ihn geohrfeigt haben soll.
Die Misshandlungen sollen sich über mehrere Tage hingezogen und ein solches Ausmaß angenommen haben, dass der 31-Jährige Anfang Juni dringend ärztliche Hilfe gebraucht hätte. Aber anstatt Hilfe zu rufen, sollen die beiden Angeklagten beschlossen haben, den 31-Jährigen zu töten. Also habe der 24-Jährige den Verletzten in einer Nacht Anfang Juni erwürgt. Erst dann riefen sie den Rettungsdienst. Den Einsatzkräften erzählte der 24-Jährige, dass er von einem lauten Schlag aufgewacht sei. Den abgesetzten Notruf spielte die Kammer beim Prozessauftakt ab. Darin erklärte der 24-Jährige, dass sein Mitbewohner bewusstlos im Bad liege und am ganzen Körper „grün und blau geschlagen“sei, seine Partnerin und er wüssten nicht wovon. Gesehen hätten sie den 31-Jährigen seit drei Tagen nicht mehr. Immer wieder rief er das Opfer in der Aufnahme mit einem Spitznamen.
Die Sanitäter stellten nur noch den Tod des Opfers fest und riefen die Polizei zu dem Einsatz hinzu. Denn die Feststellungen, die sie vor Ort machten, passten nicht zusammen mit den Angaben der Angeklagten. Das erklärten Sanitäter im Zeugenstand.
Das Strafrecht unterscheidet bei Tötungsdelikten zwischen Totschlag und Mord. Für Totschlag droht eine Freiheitsstrafe nicht unter fünf bis maximal 15 Jahren. Für einen Mord hingegen ist die lebenslange Freiheitsstrafe vorgesehen. Jedoch müssen sogenannte „Mordmerkmale“vorhanden sein, beispielsweise „Habgier“, wenn jemand einen anderen tötet, um sich einen finanziellen
Vorteil zu verschaffen. Im vorliegenden Fall geht die Anklage davon aus, dass die Angeklagten den Mann getötet haben, um vorangegangene Straftaten zu verdecken – gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung. Deswegen geht die Anklage von einem gemeinschaftlich begangenen Verdeckungsmord aus. Die Angeklagten schweigen vor Gericht zu den Vorwürfen.
Beim Prozessauftakt am Montagmorgen im Ulmer Landgericht sind die Zuschauerplätze komplett gefüllt. Das liegt aber nicht nur an dem großen Interesse, sondern auch daran, dass im Landgericht immer noch Abstandsregeln gelten, welche die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze einschränkt. Insgesamt hat die Strafkammer sechs Verhandlungstage für das Verfahren angesetzt, das Urteil wird Mitte Februar erwartet.