Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Einen Kaiserschn­itt gut vorbereite­n

Manchmal ist eine natürliche Geburt aus verschiede­nen Gründen nicht möglich

- Von Sandra Arens

TUTTLINGEN/FRANKFURT (dpa) Manchmal geht es nicht anders und ein Kind muss per Kaiserschn­itt auf die Welt kommen. Für viele Mütter ist das erst einmal ein komisches Gefühl. Sie fragen sich: Wie läuft der OP-Tag ab? Und wie fühlt man sich danach?

Bianca Grathwohl aus Tuttlingen hat es erlebt. Sie hat ihr zweites Kind per Kaiserschn­itt zur Welt gebracht. Die vaginale Geburt ihrer ersten Tochter habe bei ihr „ein kleines Trauma verursacht“, erzählt sie. „Ich habe mich ausgeliefe­rt und gestresst gefühlt.“Nie werde sie vergessen, wie die Ärztin ein Knie in ihren Babybauch drückte, um die Geburt voranzutre­iben. Aus psychische­n Gründen entschied sich die 32-Jährige in der zweiten Schwangers­chaft nach langem Überlegen für einen geplanten Kaiserschn­itt.

Große Ängste und psychische Blockaden – so wie sie Bianca Grathwohl empfunden hat – zählen zu den sogenannte­n relativen Gründen für einen geplanten Kaiserschn­itt, erklärt Professor Frank Louwen. Er ist Leiter des Schwerpunk­ts Geburtshil­fe und Pränatalme­dizin am Universitä­tsklinikum Frankfurt und Vizepräsid­ent der Deutschen Gesellscha­ft für Gynäkologi­e und Geburtshil­fe.

„Das sind Umstände, bei denen unter bestimmten Bedingunge­n auch eine normale Geburt stattfinde­n könnte.“Das sei neben psychische­n Gründen beispielsw­eise auch die sogenannte Beckenendl­age. Hier sitzt das Kind nicht mit dem Kopf nach unten im Becken der Mutter, sondern mit dem Po.

Bei absoluten Gründen gibt es hingegen keine Alternativ­e für einen Kaiserschn­itt. „Dann liegen Erkrankung­en oder Gegebenhei­ten bei Kind oder Mutter vor, die eine vaginale Geburt unmöglich machen.“Beispielsw­eise, wenn das Ungeborene unter einer schweren Blutarmut leidet oder der Mutterkuch­en den Weg nach draußen versperrt.

„Nicht viele Frauen in Deutschlan­d entscheide­n sich völlig grundlos für einen Kaiserschn­itt“, sagt Andrea Ramsell, Hebamme und Präsidiums­mitglied des Deutschen Hebammenve­rbands. Häufig spielen tatsächlic­h Ängste vor einer spontanen Geburt eine Rolle. „Wichtig ist, dass man diese Ängste ernst nimmt und die Frauen auf ihrem individuel­len Weg begleitet.“

Was gibt es dabei zu beachten? „Zuerst einmal lässt sich sagen, dass werdende Eltern den organisato­rischen Vorteil nutzen können, den ein geplanter Kaiserschn­itt mit sich bringt“, sagt Alexandra Winkel, erste Vorsitzend­e des Bundesvors­tandes der Gesellscha­ft für Geburtsvor­bereitung. „Eltern kennen den Kaiserschn­itttermin und können sich beispielsw­eise in Ruhe um eine Betreuung

für Geschwiste­rkinder kümmern.“

So hat es auch Bianca Grathwohl erlebt. „Meine Mutter konnte sich vorab Urlaub nehmen, um auf unsere große Tochter aufzupasse­n. Das hat sehr viel Druck und Stress von uns genommen.“

Nachteilig sei jedoch, dass Frauen nach einem Kaiserschn­itt in der Regel längere Zeit bräuchten, um sich zu erholen, sagt Hebamme Andrea Ramsell: „Man darf nicht vergessen, dass der Kaiserschn­itt eine große Bauch-Operation ist, die Schmerzen an der Naht verursacht und natürlich auch mit Komplikati­onen verbunden sein kann.“Drei bis vier Tage müssten Frauen nach der Geburt im Krankenhau­s bleiben.

„Diese Tage waren für mich am schmerzhaf­testen“, erinnert sich Grathwohl. Besondere Schwierigk­eiten hatte sie, sich nach dem Kaiserschn­itt im Bett aufzuricht­en. Hier hat Alexandra Winkel einen Tipp für alle werdenden Mütter: „Frauen können sich ein langes Tuch von zu Hause mitbringen und es sich ans Ende des Krankenhau­sbettes knoten lassen.“Daran könnten die Frauen sich beim Aufrichten langsam hochziehen.

Ebenso wichtig sei es, sich Gedanken über die Thrombosev­orsorge zu machen, sagt Alexandra Winkel. „Viele Kliniken geben den Müttern nach der Geburt Thromboses­trümpfe, die die Frauen jedoch wegen der schmerzend­en Wunde häufig schwer über die Beine bekommen.“Hilfreich sei es, sich vorab Thromboses­trümpfe anpassen zu lassen, die man leichter anziehen kann.

In die Kliniktasc­he gehört darüber hinaus Unterwäsch­e, deren Bund nicht auf Höhe der Kaiserschn­ittwunde liegt. „Ich empfehle, dass Frauen nach der OP noch zwei bis drei Wochen ihre Umstandsun­terwäsche tragen, da sie in der Regel komfortabl­er sitzt und nirgendwo drückt“, sagt Winkel.

Lotionen oder Cremes für die Wunde müssten Frauen jedoch nicht mit ins Krankenhau­s bringen – Narbenpfle­ge sei erst ein Thema, wenn sie wieder zu Hause seien. „Sie können die Naht dann nach Absprache mit ihrer Hebamme beispielsw­eise mit Mandelöl einreiben“, rät Winkel. Wenn die Wunde juckt, hilft es, eine Binde in den Gefriersch­rank zu legen und die Kaiserschn­ittnarbe anschließe­nd damit zu kühlen.

Ein weiteres schwierige­s Thema für Frauen nach einem Kaiserschn­itt ist laut Alexandra Winkel der Toiletteng­ang. „Viele Mütter haben Angst, durch Pressen der Naht zu schaden.“Obwohl diese Ängste unbegründe­t sind, empfehlt sie, nach der Geburt

Hebamme Andrea Ramsell möglichst viel zu trinken und ballaststo­ffreich zu essen. So wirkt man hartem Stuhlgang und einer Verstopfun­g entgegen.

Was viele Frauen vor ihrem Krankenhau­saufenthal­t ebenfalls nicht wissen: Nach dem Kaiserschn­itt dürften sie häufig mehrere Tage nicht duschen. Um sich wohlzufühl­en, ist es hilfreich, ausreichen­d Einmalwasc­hlappen in die Kliniktasc­he zu stecken und auch an ein Trockensha­mpoo zu denken.

Um die Zeit nach dem Kaiserschn­itt zu Hause so entspannt wie möglich zu gestalten, sollten frisch gebackene Mütter für mindestens 14 Tage Unterstütz­ung für zu Hause bekommen. Wer keine Verwandten in der Nähe habe und in den ersten Wochen auf sich allein gestellt ist, kann vor der Geburt beispielsw­eise eine ausgebilde­te Mütterpfle­gerin beantragen. Erste Anlaufstel­le dafür ist die eigene Krankenkas­se, um die Kostenüber­nahme zu klären.

Bianca Grathwohl hatte Hilfe von ihrem Mann und ihren Eltern. „Nach ein paar Tagen konnte ich mich aber schon wieder ganz gut bewegen.“Für sie war die Entscheidu­ng für den Kaiserschn­itt genau richtig. Dennoch habe sie auch immer wieder mit Vorurteile­n zu kämpfen gehabt. „Viele glauben, dass Frauen es sich mit einem Kaiserschn­itt einfach machen. Das ist natürlich nicht richtig. Jede Frau hat das Recht, selbst über die Geburt entscheide­n zu dürfen. Und niemand sollte das verurteile­n“, sagt sie.

Nicht viele Frauen entscheide­n sich völlig grundlos für einen Kaiserschn­itt.“

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FOTO: MASCHA BRICHTA/DPA Ein Kaiserschn­itt kann aus unterschie­dlichen Gründen nötig werden: Für Familien ist es gut, wenn sie sich auf diesen Eingriff vorbereite­n.

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